Archive : Badesee

Im Taubertal: Creglingen – Schonach

Heute Nacht um 2:40 Uhr werde ich von einer blutsaugenden Mücke geweckt.

Heute Morgen um 5:45 Uhr gelingt es mir – nach vielen vergeblichen Versuchen – diese blutsaugende Mücke mit einem nassen weißen Handtuch zu erschlagen.

Ich bin sehr müde und schlafe nach dieser Heldentat ein.

Heute Morgen um 5:50 Uhr werde ich von drei eifrigen Radlern geweckt, die es so eilig haben auf die Piste zu kommen, daß sie sogar auf Frühstück verzichten.

Ich bin sehr müde und schlafe nach dem Weggang der drei Radler ein.

Heute Morgen um 6:00 Uhr werde ich von den Kirchenglocken geweckt. Wieso so früh? Warum jeder Glockenschlag doppelt? Warum so laut?

Ich bin sehr müde und schlafe glücklich um 6:05 Uhr ein.

Wach werde ich erst wieder um 9 Uhr, ein bisschen später als ich beabsichtigt habe. Beim Frühstück bin ich der vorletzte Gast heute. Der letzte Gast ist ein Jäger, mit dem ich ins Gespräch komme. Er rät mir bei den streunenden Hunden in Rumänien zu Pfefferspray und Haselnussstecken mit Klinge an einem Ende. Bei Wildschweinen soll ich ruhig stehen bleiben und laut mit ihnen reden. Wildschweine seien so intelligent, dass sie einen menschlichen Spaziergänger von einem menschlichen Jäger unterscheiden können. Letztere tragen in so einem Begegnungsfall am liebsten Carbongeschützte Beinkleider, da die Wildschweine mit ihren Hauer tiefe Schnittwunden verüben können.

Gestärkt mit diesem Wissen starte ich in den neuen Wandertag. Kurz nach Creglingen mache ich einen Abstecher in das Fingerhutmuseum, das in einem Keller liegt. Das Museum ist vielleicht doppelt so groß wie mein Zimmer in Bad Kreuznach. Größer muss es aber auch gar nicht sein. Die ausgestellten Fingerhüte aus vielen verschiedenen Ländern und Epochen sind sehr klein und allerliebst. Es gab eine Zeit, da wurden 80% der Rohfingerhüte hier in der Gegend hergestellt und dann weltweit exportiert, wo die Fingerhüte regional noch veredelt wurden. Man kann auch heute noch sehr besondere Fingerhüte in diesem Museum erwerben, das zur Fabrik gehört. Es ist anscheinend auch gar nicht so einfach einen passenden Fingerhut zu finden.

Im Fingerhutmuseum

Danach besuche ich die Herrgottskirche. Hier ist ein Tilmann-Riemenschneider-Altar die Attraktion. Er ist vollkommen aus Birnenholz geschnitten und alles wirkt sehr plastisch und lebendig. Mich beeindruckt auch, dass es sich der Künstler verkniffen hat, die Figuren – wie die Maria oder den Jesus – anzumalen. So spricht das Material für sich. Das finde ich wunderschön in seiner Reduktion rein auf die Formen und den Aufbau.

Tillman-Riemenschneider-Altar

Danach geht es den Mühlbach entlang weiter. Ich befinde mich wieder im idyllischen Bilderbuchdeutschland. Nach einiger Zeit komme ich durch den Ort Münster. Es ist inzwischen warm geworden. Ich werde auf die Münsterseen aufmerksam gemacht. Da kann ich nicht widerstehen. Wieder mache ich einen Abstecher und gehe zum Badesee. Es ist schon wieder alles tiptop! Es gibt sogar verschiedene Einstiegsleitern, Umkleidekabinen, terrassierte beschattete Liegenflächen, eine Absperrung für Nichtschwimmer, usw. Es liegt kein Abfall rum und die Krönung ist, es gibt sogar direkt neben dem See eine Kneippanlage. Schwäbisch Perfektion der Umgestaltung eines Naturwassers zu einem Badesee.

Einstieg in den Badesee auf schwäbisch

Ich steige über eine der Leiter in den See. Herrlich kalt! Ich schwimme 10 Minuten lang und drehe mich auf den Rücken und lasse mich dann einfach treiben. Mein Körperfett trägt mich auf dem Wasser ohne dass ich mich bewegen muss. Die warme Sonne scheint mir auf den Bauch, das Wasser kühlt den Rücken, ich schließe die Augen. Das ist pure Entspannung!

Nach der Badepause nehme ich den „Barfußpfad“ direkt durch den Wald und gelange wieder auf den E8. Es geht wieder durch Wald, Felder und kleinere Ortschaften. In einem Waldstück habe ich Glück und entdecke eine Spinne mit ihrem Nest und vielen kleinen geschlüpften Babyspinnen! Ich bin fasziniert, dass so ein Schatz der Natur einfach am Wegesrand steht.

Inzwischen ist es heiß geworden. Ich merke, dass ich letzte Nacht nicht viel geschlafen habe und mein rechter Fuß schmerzt. Ich beschließe heute nicht so weit zu wandern, Rothenburg ob der Tauber kann ich mir auch morgen noch angucken. In Finsterlohr frage ich vergeblich nach einer Unterkunft. Aber schon einen Ort weiter in Schonach finde ich eine Herberge mit einem tollen Biergarten.

Selbstbedienung-Biergarten in Schonach in Coronazeiten