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Im Waldviertel entlang der Thaya: Liebnitzmühle – Raabs – Eibenstein

Heute bin ich das bisher schönste Stück direkt an der Thaya gewandert. Alles ist ganz ruhig, die Luft ist frisch und immer wieder läuft der Weg direkt an der Thaya entlang, die gemächlich mit grün-brauner Farbe fließt. Ich kann Fischreiher sehen. Im Wald treffe ich einen Pilzsammler, der mir stolz seine Beute zeigt.

Ich erreiche Raabs, das eine gut erhaltene Altstadt und eine imponierende Burg hat. Hier fließen die österreichische und die böhmische Thaya zusammen. Auf dem Hauptplatz setze ich mich in einen Gasthof und esse ein Eis. Am Tisch nebenan treffen sich die Senioren der Stadt zum Kartenspielen: 3 spielen, 7 gucken zu und kommentieren von Zeit zu Zeit das Spiel.

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Dann geht es schon weiter das Thayatal flussabwärts. Die Ufer sind hier relativ steil und hoch. So kommt es, dass es ständig steil bergauf und bergab geht. Ich komme ordentlich ins Schwitzen. Es ist wie ein Intervalltraining: bergauf geht es voll auf den Kreislauf und bergab ist dann die Entspannungsphase und es kommt mehr auf Geschicklichkeit an, da der Weg oft schmal und steil ist.

Ich passiere die Böhmische Mauer und erreiche eine Burgruine. Hier hole ich mir wieder etwas zu trinken. Ein paar Familien sind auch anwesend, es sind Sontagsausflügler. Von der Ruine geht es nach Kalmützgraben wieder an die Thaya runter.

Es ist inzwischen Mittag geworden und richtig heiß. Ich beschließe eine Mittagsrast einzulegen. An einem Plätzchen direkt am Weg halte ich. Ich habe seit Stunden niemanden gesehen und beschließe nackt in der Thaya mich abzukühlen. Hier ist der Fluß schneller und sehr flach. Zum Schwimmen reicht es leider nicht, aber ich kann mich abkühlen. Dann lege ich mich in den Schatten und schlafe ein. Ich werde von Stichen der Bremsen geweckt. Verflixte Biester, ich hatte gerade so schön geschlafen. Es ist inzwischen Nachmittag und ich wandere weiter: hoch und runter. Inzwischen ist es ein bisschen bewölkt und ich nehme jeden Schatten dankbar an.

Schließlich komme ich nach Eibenstein. Hier finde ich auch gleich eine Unterkunft. Die Wirtin Monika lacht und sagt, dass ich Glück gehabt hätte. Morgen seien alle Zimmer mit Arbeitern ausgebucht. Im Waldviertel scheint es so viel Arbeit zu geben, dass die Einheimischen nicht ausreichen und ständig irgendwelche Arbeitertruppen von auswärts mithelfen müssen. Die Pension hat nicht nur schöne Zimmer, sondern auch eine Liegewiese mit Zugang zum Fluß. Und schon wieder bin ich im Fluss baden. Für meinen Geschmack ist das Wasser schon ein bisschen zu warm. Die Farbe ist dunkelgrün und braun. Ich schwimme immer wieder ein Stück flussaufwärts und lasse mich dann auf dem Rücken wieder runtertreiben mit geschlossenen Augen. In der USA hatten sie so etwas den „Lazy River“ genannt. Zu weit darf ich mich allerdings nicht treiben lassen, weil dann ein Wehr kommt. Beim Raussteigen schlage ich mir den großen Zeh an einem unter der Wasseroberfläche liegenden. Stein blutig. Das Wasser ist fast undurchdringlich.

Erfrischt bekomme ich um 19 Uhr ein warmes Essen. Alles hausgemacht und von guter Qualität. Die Wirtin Monika ist freundlich und zuvorkommend. Ich trinke zwei Radler. An so einem heißen Sommertag schmeckt mir das. Danach bin ich müde und gehe in mein Zimmer. Dort stelle ich fest, dass ich mein Messer in der Liebnitzmühle vergessen habe. Naja, jetzt habe ich noch einen Grund mehr, da mal wieder vorbeizukommen.

Im Waldviertel: Dobersberg – Karsten – Liebnitzmühle

Es verspricht heute sehr warm zu werden. Ich breche um 7 Uhr früh auf und muss nach 10 Minuten entnervt wieder umkehren. Habe ich tatsächlich eine Wegmarkierung übersehen? 10 Minuten später bin ich schlauer: die Wegmarkierung nebst Pfosten wurde abmontiert und ins hohe Gras geworfen. Ich ärgere mich über den Vandalismus, der mich 20 Minuten gekostet hat.

Ab dann kann ich wieder dem gut ausgeschilderten Weg folgen. Anfangs sehe ich einige Feldhasen und auch eine Ricke mit ihrem Kitz, die in hohen Sprüngen vor mir durch die Felder davon hüpfen. Insbesondere die Rehe erinnern mich so an die afrikanischen Antilopen. Es geht zuerst durch ein paar kleinere Dörfer und immer auf Landstraßen. Es fängt an richtig heiß zu werden. Eine Bäuerin, die auf dem Feld arbeitet, grüßt mich und beschließt, dass es heute zu warm sei, um weiterzumachen.

Zwei Wegstücke sind nicht so gut markiert. Dichter Brennnessel-, Brombeeren- und Springkrautbewuchs haben ein undurchdringliches Dickicht entstehen lassen. Fast hätte ich die Abzweige übersehen. Aber heute war schon jemand vor mir da und hat eine klar erkennbare Spur hinterlassen: das Großelternpaar aus dem österreichischen Rohrbach. Dankbar nehme ich den gebahnten Weg auf, ich kann sogar sehen, wo die Teleskopstöcke den Boden getroffen haben. Mit Sympathie denke ich an die beiden. Trotz der Bahnung werde ich immer wieder von Brennnesseln getroffen, so dass ich am Ende an allen freien Hautstellen rote Bläschen habe. Auch mein rechtes Auge hat etwas abbekommen und schwillt leicht an.

Im Ort Karlstein kaufe ich mir etwas zum Trinken im Supermarkt und mache Pause. Dann geht es wieder auf die Landstraße und durch das Dickicht. Immer wieder wechsle ich die Flußseite, es ist ein ständiges Auf und Ab. Endlich komme ich in Liebnitz an und erreiche die Liebnitzmühle. In einer Wohnanlage wohnt meine Kollegin mit ihrer dreijährigen Tochter, die gerade ihren Mittagsschlaf hält.

Wir begrüßen uns herzlich und ich staune, wie sie sich schon rein äusserlich verändert hat. Dann gibt es Wasser und Kaffee zu trinken. Wir nutzen die Zeit,  solange die Kleine schläft, und tauschen uns aus, was in den letzten 4 Jahren wichtiges im Leben des anderen passiert ist. Auch dem Zufall zollen wir Beifall: dass sie im letzten Jahr von Wien genau hierher gezogen ist nur 200 Meter vom E8 entfernt und genau heute auch Zeit für mich hat. In den nächsten Tagen fährt sie mit ihrer Tochter für drei Wochen weg.

Als die Tochter wach wird, gehen wir zusammen an die Thaya. Die Bewohner haben ein Floß gebaut und an einem über die Thaya gespannten Tau befestigt. Das finde ich natürlich als alter Wassermann toll! Ein Paar schwimmt bereits im Fluß. Wir steigen auf das Floß und bald unterhalten wir uns mit dem Paar. Ich kann nicht widerstehen und nach kurzer Rückfrage springe ich nackt in die Thaya. Das Wasser ist an der Oberfläche warm und erst tiefer erfrischend kalt. Wie schön ist doch Flussschwimmen. Die Thaya fließt hier sehr langsam und es ist gar kein Problem auch gegen den Strom zu schwimmen.

Später zeigt mir meine Kollegin ein kühles Gästezimmer. Super! Die Kleine und ich spielen dann ihr Lieblingsspiel Toitoi und später muss ich dann noch Bilder von meinem Handy zeigen. Am meisten interessieren sie die Tierfotos, wie Enten, Katzen und Hunde. Sie hat süsse Locken und ist total herzig, auch zeigt sie viel Geduld mit mir, wenn ich schon wieder schreckhaft zusammenzucken, wenn aus dem Spiel das Geräusch von fallenden Konservendosen ertönt.

Als wir hungrig werden, fahren wir mit dem Auto nach Raabs zum Essen. In einem schattigen Biergarten bestellen wir dann lokale Gerichte. Aber erzählen ist natürlich noch viel interessanter: Gruppendynamik ist das Hauptthema, dann Zukunftspläne. Zu meiner Überraschung kommt dann auch noch das Thema Kryptowährungen auf. 

Beim Essen mache ich dann eine unangenehme Überraschung: 2 Schrottkugeln haben den Weg in mein Essen gefunden und ich merke es erst als ich draufbeiße. Nach einer Reklamation bekommen wir dann die Desserts auf Kosten des Hauses. Wieder zurückgekehrt, sitzen wir noch mit ein paar sehr netten Hausbewohnern und Gästen (auch das Paar vom Fluß ist dabei) auf der Veranda und unterhalten uns bei Aperol Spritz und Bier über alles mögliche (leider auch wieder – aber nur kurz – über Kryptowährungen.) Es ist ein harmonischer Tagesausklang in einer idyllische Anlage mit Blick auf die Thaya. Hier lässt es sich aushalten!

Beim Zubettgehen entdecke ich, dass ich einen Sonnenbrand bekommen habe.

Back on the Trail: Bad Kreuznach – Linz – Gmünd – Schrems

Ich fühle mich wohl: Ich sitze oder liege in einem schattigen blumenbewachsenen Hinterhof mit Blick auf ein hölzernes Rondell der GEA und höre die Klänge des Jodel-Intensivseminars Jodldifrei von Heidi Clementi. 

Innenhof bei GEA in Schremps: für Ton bitte auf das Bild klicken

Wie bin ich hierher gekommen? Letzte Woche war ich noch in Bad Kreuznach und war am Überlegen, ob ich wieder wandern gehen kann. Meine seltsame letztjährige Krankheit hatte sich pünktlich zum Jahrestag wieder gemeldet und war an 6-7 Stellen an den Armen wieder aufgebrochen. Mein rechtes Knie hat überraschenderweise stark geschmerzt, wahrscheinlich eine Reaktion auf meinen neuen Hüftschwung. Vor einem Monat hat mein Orthopäde mir eine beidseitige Coxathrose (Hüfte) bestätigt und meine Patentochter, die Osteopathin ist, hat mir empfohlen mein Gangbild zu verändern. Das habe ich getan. Etwas zwischen Marilyn Monroe und John Wayne ist das erklärte Ziel und ich gehe inzwischen tatsächlich mit mehr Hüftschwung. Nur das linke Knie schmerzt seitdem …

Aber ich lebe nur einmal und Corona war jetzt auch lange genug. Am Montag bin ich schließlich in aller Frühe aufgebrochen und mit dem Zug nach Linz gefahren, wo ich letztes Jahr meine Wanderung unterbrechen musste. Ein Wiener Freund hatte mich gefragt: „Bist deppert? Was willstn in Linz??! Da is doch garnix!“ Der verständliche Irrtum eines Wiener Weltstädters, der in Wien den Nabel der Welt vermutet. 

Ich erlebe das anders. Linz hat mich mit offenen Armen empfangen: In meinem Lieblingscafé Cup of Soul wurde ich sofort wiedererkannt, herzlich begrüßt und bewirtet. Iris, die Chefin hat ein besonderes Gespür für die kleinen Details, die das Leben schöner machen, ihr kleiner Hund ist quasi das Schmusetier für alle Gäste und die barfüssige Andrea flitzt mit viel guter Laune hin und her und schaut, das jeder Gast gut versorgt ist. Das Angebot ist originell, da klassische Kaffeehausprodukte mit CBD und Hanfprodukten originell und schmackhaft kombiniert werden. Ich werde gerne wiederkommen. 

Andere Erlebnisse will ich nur kurz auflisten: Mit einer bulgarischen attraktiven Krankenschwester habe ich mich sehr gut über ihre Deutschlanderfahrungen ausgetauscht. In der Institution Ars Electronica habe ich den Linzer Bürgermeister bei einer Eröffnung einer neuen Ausstellung bewundern dürfen. Dem Paradies bin ich in der Ausstellung „Höhenrausch“ näher gekommen und hatte dort einen sensationellen Blick auf die Linzer Stadt und einem künstlichen Tiefnebel. Last but not least habe ich mit dem jüngsten Professor Österreichs auf einem lauschigen Platz in der Linzer Innenstadt zu Abend gegessen und über die Zukunft der Gruppendynamik diskutiert bis das Restaurant schließen musste. Es war einfach herrlich!

Aber eigentlich will ich ja wandern und am Mittwoch bin ich dann mit dem Bus nach Gmünd zum E8 gefahren. Gmünd ist eine Stadt im Waldviertel. Das Waldviertel ist eine karge Gegend mit viel Wald, Mooren und Steinen. Die Waldviertler sind bekannt dafür, dass sie harte Arbeiter sind, die der kargen Natur hier in der Vergangenheit ihren Lebensunterhalt abgetrotzt haben. Die Waldviertler sind eher nicht für ihren Humor bekannt. Das habe ich dann auf der Suche nach dem Weg gemerkt. Als ich ein Paar fragte, ob ich stören darf, um mich nach dem richtigen Weg zu erkundigen, bekam ich als Antwort ein schlichtes „Nein“.  Von der unterschiedlich erlebten Gastlichkeit der Waldviertler später noch mehr.

Es gibt hier viele Teiche und kleine Seen und in der Nähe eines Teichkettenrundweges fand ich dann schließlich den E8. Ausreichend ausgeschildert konnte ich mein Handy ausschalten und einfach den Markierungen folgen. Zuerst ging es durch den Malerwinkel, kurz einen Fluß (Braunau) entlang und dann auf die Blockheide. Ein wunderschönes Fleckchen Erde mit vielen granitenen Findlingen, Seen, Wald und einem Aussichtsturm, wo ich mir ein Eis gekauft habe. Auf dem E8 bin ich dann wieder alleine. Es geht durch einen aufgelockerten Nadelwald, mit ein paar Laubbäumen dazwischen. 

Inzwischen geht es auf den Abend zu und ich beschließe mal wieder eine Unterkunft zu suchen. In dem Dorf Eugenia gehe ich vom E8 ab. Laut den Wegweisern soll es hier Übernachtungsmöglichkeiten geben.  In der ersten winzigen Gasstätte: „Es tut uns leid, aber alle Zimmer sind mit Arbeitern belegt und zu Essen haben wir auch nichts“. In der zweiten Gaststätten (auch sehr einfach aber ein bisschen größer): „Wir haben nix frei, alle Zimmer sind mit Arbeitern belegt. Aber 2,5 km weiter da gibts einen Gasthof, der hat mehr Zimmer“. Nach 2,5 km komme ich nach Schrems zu dem Gasthof, der sieht schon wesentlich besser und größer aus. Aber: „Wie lange wollen Sie bleiben? Eine Nacht? Da muss i mal fragen. …. Also alle Zimmer sind mit Arbeitern belegt. Und jetzt können Sie bitte auch schon weitergehen“ Wow, dachte ich mir, habe ich das jetzt richtig gehört? Wo bleibt die österreichische Höflichkeit und der berühmte Charme? Auf dem Hauptplatz finde ich dann ein noch größeres und schöneres Hotel, das allerdings ein bisschen verlassen wirkt. Im Hotel treffe ich auf drei junge Menschen, die ich nach einem Zimmer frage. Die drei sind Berufsschüler, die hier einquartiert wurden, wer die Zimmer vergibt, wissen sie nicht, aber eine Telefonnummer haben sie für mich. Ich rufe an. Die erste freundliche Stimme des Tages meldet sich. „Hallo hier spricht die Marianne. Aber gerne können Sie bei uns übernachten. Kommen Sie doch zu unserer Hauptstelle, da ist es schöner und etwas zu essen haben wir auch für Sie“. Wunderbar, denke ich mir und stelle mir vor, heute nacht in einem Ausbildungsheim für Berufsschüler zu übernachten. Das kann ja auch ganz interessant werden…

Schließlich erreiche ich kurz vor 19 Uhr die Adresse. Komisch, alles scheint geschlossen zu sein. Der Personaleingang ist zu, der Lieferanteneingang ist dicht, ein seltsames Holzrondell scheint eine Art Verkaufsraum für Schuhe und Möbel zu sein. Vielleicht von den Berufsschülern? Aber auch geschlossen. Ich rufe noch einmal Marianne an. Marianne hilft mir wieder sehr freundlich: „Einfach weitergehen, dann kommen Sie auf einen Hinterhof“ Bei der Erklärung gehe ich mit dem Handy in der Hand gleich weiter. Tatsächlich ein schön bewachsener Hinterhof erscheint. „Sehen Sie die Frauen auf der Veranda? Dann sehen Sie auch gleich mich!“ Und tatsächlich, ich kann die Frauen erkennen und dann eine Gestalt, die aus dem Gebäude heraus winkend erscheint. Marianne. Zufrieden komme ich näher und begrüße sie. Dann bemerke ich, dass ich die Neugierde der Frauen auf der Veranda auch auf mich gezogen habe. Zwei gucken mich interessiert an, die ältere schaut mich mit weitaufgerissenen Augen sehr intensiv an. Ich schaue intensiv zurück. Sie kommt mir sehr bekannt vor. Aber das kann eigentlich nicht sein. Ich komme ein Stück näher. Wir schauen uns immer noch direkt an. Kann das …, aber nein das gibt es doch nicht. Schließlich erlöst sie uns und sagt: „Martin?“

Und ich antworte: „Gundi?!“ Gundi und ich kennen uns schon seit Jahren, aber immer nur per Telefon oder Zoom. Seit Corona treffen wir uns sogar regelmässig via Zoom, da wir beide zu einer experimentellen T-Gruppe der ÖGGO gehören. Gerade letzten Samstag hatten wir noch ein längeres Treffen gehabt und jetzt treffen wir uns ZUFÄLLIG im Waldviertel. Wir freuen uns total und klären die anwesenden Damen auf, die schon ein bisschen eifersüchtig und befremdet waren, dass ich ihnen so gar keine Beachtung geschenkt habe. Gundi und ich erleben uns zum ersten Mal dreidimensional und sind überrascht über den anderen Eindruck voneinander: farbiger, jünger… Wir freuen uns total!

Gundi ist im Waldviertel um mit anderen Frauen an einem Jodelseminar teilzunehmen. Ich beschließe den Ruf (bzw. das Jodeln) des Universums zu hören und einen Tag in Schremps zu bleiben. Zudem stellt sich heraus, das ich bei einer sehr interessanten karitativen Organisation Herberge gefunden habe: GEA steht für „Gast Auf Erden“ und hat in Österreich und Deutschland Niederlassungen. Es gibt also heute noch einiges zu entdecken neben dem bekannten Moor- und Naturbädern, die ich natürlich auch besuchen werde.

Im Donautal: Hammermühle – Wörth a.d. Donau

Die Wettervorhersage kündigt für heute Nachmittag starken Regen an. Ich breche früher auf als sonst und nehme diesmal den richtigen Weg. Erst geht es durch das Gelände des Regensburger Golfclubs und ich sehe die ersten Golfer ihre Schläge machen. Überraschenderweise fängt es jetzt schon an zu regnen. Ich ziehe mir die Regenkleidung über. Das Golfplatzgelände geht in den fürstlichen Tierpark über. Der Tierpark ist durch einen Zaun abgegrenzt, doch führt ein befahrbarer Weg rein und raus. Der Übergang ist mit einem Rost ausgestattet, um zu verhindern, dass die Wildtiere den Park verlassen. Ich muss an die Warnung des Wirtes vor den Wildschweinen denken. Tatsächlich ist sogar vor dem Tierpark ein Hinweisschild zum Umgang mit diesen Tieren angebracht. Ein bisschen mulmig ist mir dabei schon, als ich den Tiergarten betrete. Das letzte Mal hatte ich Glück und die Wildschweine haben mich ignoriert.

Der Tiergarten hat eine abwechslungsreiche Waldlandschaft und ich fange an mich zu entspannen. Mitten im Park sehe ich einen Gedenkstein für Franz-Josef Strauß, der in der Nähe bei einer Jagdveranstaltung gestorben war. Der Fürst von Thurn und Taxis war ein Bewunderer von dem umstrittenen Ministerpräsidenten Bayerns gewesen. Ich war Student in Erlangen gewesen, als er starb und kann mich gut an die unterschiedlichen Reaktionen auf seinen Tod erinnern: von einem der längsten Trauerzüge, die es jemals in München gegeben hatte bis zu spontanen Feiern der alternativen Szene, die freudig sangen: „Last Sekt und Korken knallen, die Sau ist endlich umgefallen!“. Einer echten Wildsau begegne ich im Tiergarten glücklicherweise heute nicht.

Nach dem Tierpark passiere ich verschiedene Waldstücke und Feldfluren. Der Sommer scheint zu Ende zu gehen. Die Eicheln fallen bereits zu Boden und die Brombeeren am Wegrand sind überreif. Irgendwie schade und ich werde ein bisschen melancholisch.

Der Regen ist inzwischen Sonnenschein gewichen. Trotzdem beeile ich mich, um dem angekündigten Starkregen möglichst zu entgehen. Ich erreiche Ettersdorf, die einen tollen Kinderspielplatz haben. Es sind sogar Sandspielsachen vorhanden und für den Gründer des Spielplatzes ist eine Gedenkplatte aufgestellt worden. Das nenne ich mal Gemeinsinn und Dankbarkeit.

Nach Ettersdorf kommt der Ort Wisent, der am Flüsschen Wisent liegt. Gut gefällt mir das Schloß. Im Schlosspark trainiert ein Mann Boule mit ganz großen Kugeln. Er trifft immer. Ich applaudiere. Nach Wisent kommt der Ort Wörth an der Donau. Ursprünglich wollte ich ja gestern schon hier sein. Ich finde am Nachmittag eine Unterkunft und bin im Trocknen als es wirklich stark zu regnen anfängt.

Ich bin der einzige Gast im Haus und habe – inzwischen mein Standardzimmer – die Nummer 1 wieder bekommen. Der Gasthof hat das Prädikat „pilgerfreundlich“ und so sieht mein Zimmer auch aus. Es ist schlicht und als Lektüre steht das Neue Testament und die Broschüre „Bete Gott an und lebe im Sieg“ zur Verfügung. Irgendwie muss ich an meine Großmutter denken, die gerne in die Kirche gegangen und eine Zeitlang sogar Küsterin in Ihrer Gemeinde war.

Am Abend gehe ich in die Gaststube, um etwas zu essen. In der Gaststube ist der Stammtisch bereits versammelt. Dazu gehören hier nicht nur Männer, sondern auch eine alte Frau. Später kommt noch eine Schafkopfrunde dazu. Alle sprechen so stark oberpfälzischen Dialekt, dass ich fast nichts verstehe. Das stört mich nicht. Es ist wie ein Geräuschteppich im Hintergrund, wie eine lokale Hintergrundmusik der Eingeborenen und ich entspanne mich ohne von den lautstark besprochenen Themen abgelenkt zu werden. Das Essen schmeckt gut und frisch und ist preiswert. Ich lese die SZ. Ich fühle, weit weg von der Hauptstadt der Oberpfalz Regensburg bin ich wieder in der Provinz angekommen.

Im Altmühltal: Eichstätt – Gungolding

Es ist schon beim Start in den Tag warm. Aus Eichstätt geht es erst einmal mit einem steilen Anstieg auf die Höhe. Einmal oben bin ich schon vollkommen nass geschwitzt. Ich komme an abgeernteten Getreidefeldern vorbei, in der Nähe von Eichstätt gibt es kaum schattenspendende Wälder. Ich komme mir ein bisschen wie ein Tramp im Mittleren Westen der USA vor. Die müssen sich ähnlich gefühlt haben: heiß und der Weg und Horizont haben kein Ende. Der Höhenwanderweg geht hier in einer weiten Schlaufe von der Altmühl weg, so dass ich auch keine interessanten Talblicke habe.

Gegen Mittag wird es bewölkter, aber es ist auch schwül geworden. Inzwischen bin ich auf Waldwegen unterwegs. Buchenwald wechselt sich mit Fichtenwald immer wieder ab. Die Wälder sind hier aufgeräumt und werden wahrscheinlich wirtschaftlich gemanagt.

Am frühen Nachmittag erkenne ich, dass die Wolkenwand immer dichter und dunkler wird. Ich fange an, mich zu beeilen. Ich möchte nicht schon wieder in ein Unwetter kommen. Gestern sind auch nicht alle Sachen richtig trocken geworden. Die Schuhe waren heute morgen innen immer noch feucht.

Auf dem Weg ist es ereignisarm und ich bin mal wieder in einem Funkloch. Ich muss aufpassen, dass ich keine Wegmarkierungen verpasse. Wenn ich einfach so dahin wandere, falle ich manchmal in eine Art Trancezustand. Ihr kennt das vielleicht, wenn ihr mit eurem Auto tagein, tagaus die gleiche Strecke fahren müsst. Ihr seid so automatisiert, dass ihr gar nicht mehr bewusst wahrnehmt, wie ihr eigentlich gefahren seid. Der Unterschied zu mir ist, dass ich die Strecke, die vor mir liegt, noch nie gegangen bin. Ein weiterer Unterschied ist, dass ich manchmal ins Tagträumen komme und dann nicht mehr richtig weiß, habe ich mir das jetzt eingebildet oder ist es wirklich passiert.

Sowas passiert mir heute wieder. Ich sehe, wie mir eine weiße Gestalt entgegenkommt. Beim Näherkommen stelle ich fest, dass es sich um eine junge Frau handelt, in einem weißen Kleid, mit hellem sommerlichen Hut mit breiter Krempe und einem leichten Schal, den sie um den Hals gewickelt hat. Beim Vorbeigehen schaut sie mich kurz an und lächelt. Ich bin irritiert: Einbildung oder Wirklichkeit? Ich drehe mich um, aber sie ist schon nicht mehr zu sehen.

Jetzt muss ich aber schleunigst weiter. Erste Tropfen Regen spüre ich schon. Die letzten Kilometer machen mir keinen Spaß, da ich versuche vor der Gewitterfront davon zu laufen.

Endlich erreiche ich meinen heutigen Zielort: Gungolding. Ich gehe wieder ruhiger, jetzt sind es vielleicht noch 500 Meter bis zum Gasthof. Ich komme an die Brücke über die Altmühl. Vor mir sehe ich einen alten Mann im Rollstuhl, der mühsam versucht die Steigung hochzukommen. Mit den Worten „darf ich schieben?“ nehme ich die Griffe in die Hände und schiebe ihn auf die Brücke. Er will nur bis zur Brückenmitte. Er bedankt sich bei mir und erklärt, dass von hier aus der Blick auf die Altmühl am schönsten sei und er das jeden Abend so machen würde. Befriedigt gehe ich weiter. Jetzt fühle ich mich gut.

Blick auf die Altmühl in Gungolding

Ich erreiche den Gasthof. Ich werde in oberbayrischer Mundart begrüßt. Ich habe heute die Sprachgrenze vom Fränkischen ins Oberbayrische überquert. Im Hintergrund höre ich das Gewitter. Heute erreicht es mich nicht und zieht einfach nur vorüber.

Im Aischgrund: Marktbergel – Burgbernheim – Bad Windsheim

Heute morgen fühle ich mich schlapp, obwohl ich lange geschlafen habe. Ich ändere meinen ursprünglichen Plan und gehe nicht zurück auf die Frankenhöhe, sondern bleibe im Aischgrund. Ich wandere entlang der Landstraße zum nahegelegenen Burgbernheim. Hier suche ich mir ein Zimmer und lasse dort meinen Rucksack zurück. Das nächste Ziel ist Bad Windsheim. Dort angekommen schaue ich mir den Kurpark und die Altstadt an. Bad Windsheim war bestimmt früher eine bedeutende Stadt in der Region gewesen. Die alten, gut restaurierten Gebäude zeugen noch davon. Inzwischen ist die Stadt vor allen Dingen für ihren international bekannten Knabenchor bekannt und als Ausflugsziel für Großstädtern aus dem Raum Nürnberg – Fürth. Ich treffe heute auf viele Sonntagsausflügler. An ihren fränkischen Dialekt erkenne ich die Herkunft. Die Tristesse der fränkischen Provinz umfängt mich. Ich fühle mich weiter müde und schlapp. Schließlich kaufe ich mir eine Zeitung und setze mich in den Kurpark und lese.

Am Abend bin ich wieder im Gasthof in Burgbernheim. Der Blick aus meinem Fenster verstärkt bei mir den Eindruck der Provinzialität: ein Schwarm Tauben hat es sich auf dem Nachbardach gemütlich gemacht und im Hinterhof stehen drei Autowracks.

Das Abendessen im Gasthof ist bodenständig gut, reichlich bemessen und hat sogar den gewissen Pfiff. Am Nachbartisch ist der versammelte Stammtisch, die das letzte Relegationsspiel des Nürnberger Fußballklubs bei einem Glas Bier lautstark diskutieren.

So ist es auf dem Land in Franken halt.

Morgen werde ich nach Oberhöchstadt reisen und mich mit meinem jüngsten Sohn treffen. Dann bin ich hoffentlich wieder fitter.

Dannenfels – Bolanden – Albisheim – Zellertal – Zell

Nach einem sehr guten Frühstück, zu dem viel nachgeschenkt wurde, breche ich von Dannenfels aus. Der ganze Ort Dannenfels liegt quasi in Hanglange. Wer von der Unterstraße zur Oberstraße geht, macht richtig viele Höhenmeter. Jeder Bürger, der dir wohlgesonnen ist, rät deshalb die höhere Straße nur dann zu verlassen, wenn es unbedingt notwendig ist. In dem Ort gibt es richtige schöne Esskastanien in unterschiedlichen Altersstufen. Richtig alte Bäume mit mächtigen Stämmen und dann auch noch echte Jungbäume. Alle blühen sie.

Ab Dannenfels geht es mit 2 Unterbrechungen immer leicht bergab. Man kommt zuerst durch Felder. Hier sehe ich zum ersten Mal fliegende Heuschrecken, immerhin 6 Exemplare. Ob es schon immer fliegende Heuschrecken in Deutschland gegeben hat oder ob diese Art wegen der Klimaerwärmung jetzt in die Pfalz eingewandert ist, weiß ich nicht.

Nach den Feldern geht es wieder links in den Wald. Alles ist schön grün. Man kommt durch den Ort Bolanden. Am Anfang sieht man einen Sportplatz, dann kommen die Neubausiedlungen mit vielen großen Häusern. Je näher ich dem alten Ortskern komme, desto älter und kleiner werden die Häuser. Ich sehe kaum Menschen auf der Straße, alle Geschäfte haben zu.

Danach geht es in Richtung Bolanderhof. Nach dem Hof muss man aufpassen, da die Karte kurz wieder die falsche Richtung anzeigt. Anstelle von links muss man rechts gehen und kommt dann zu einer Unterführung der Autobahn A63. Nach der A63 Unterführung geht es auf einen flachen Berg den Galgengewanne, der später in den Wartberg übergeht. Der Berg ist ein kleines Hochplateau, auf dem zahlreiche Windräder und viele Felder stehen. Der Aufstieg lohnt sich, es gibt einen fantastischen Rundblick, der einen auf den nächsten Kilometern begleitet.

Am Ende des Wartberges geht es rechts nach Albisheim. In dem Ort gibt es leider keine Gasthäuser mehr, dafür aber ein Edeka Markt, einen fantastischen Kinderspielplatz und ein tolles Biotop um einen Weiher herum. Warum mir der Kinderspielplatz gefällt? Es gibt tolle fast schon natürliche Spielgeräte, wie eine Hangrutsche, ein Atrium im Hang und eine Reihe von Baumstämme (siehe Beitragsbild), die übereinander liegend eine herrliche Herausforderung für Kinder sind. Dementsprechend gut ist der Spielplatz gut besucht. Das Feuchtbiotop ist durch einen Elektrozaun geschützt. Mit meinem Fernglas kann ich trotzdem einige Tiere gut beobachten. Gut, die Frösche hört man auch so sehr deutlich, aber ich sehe 5 Reiher, 4 Nilgänse, 3 Blesshühner, 5 Stockenten und ich möchte nicht wissen, was mir alles entgangen ist. Eine Brücke zum Beobachten hat der Nabu aufgestellt und dabei auch eine Liste einer Biologin aufgehängt. Diese Liste zeigt über 76 verschiedene Vogelarten auf, die von ihr beobachtet wurden. Aktuell war die Liste auch: Juni 2020.

Es ist schwülwarm und ich beschließe im nächsten Ort Zellertal nach einer Unterkunft zu suchen. Meine Beine werden müde und ich gehe bewusst ein bisschen langsamer. In Zellertal sind aber leider alle Gasthäuser zu oder wegen Corona geschlossen. Ich fange schon an, Autofahrer anzusprechen, ob sie in den nächstgelegenen Ort Wachenheim fahren und mich mitnehmen können. Aber keiner oder keine will nach Wachenheim. Am Ortsausgang fällt mir ein Schild auf: Hotel Kollektur in Zell. Ganz in der Nähe. Ich rufe an und kriege tatsächlich die freundliche Auskunft, das ein Bett frei ist, der Restaurantbetrieb leider geschlossen hat. Es wird sogar noch besser, Zell liegt auf dem Berg und ich stehe im Tal. Aber ich muss nicht abgekämpft die Steigung hochlaufen, sondern werden mit dem Auto abgeholt. Das Hotel ist in einem schön renovierten historischem Kollekturhaus aus dem 18. Jahrhundert. Die Aussicht von der Dachterrasse ist abwechslungsreich und ich kann mit viel Muße dort sitzen und mich einfach freuen, angekommen zu sein. Es gibt sogar – trotz geschlossenem Restaurant – einen Flammkuchen und ein belegtes Brot für mich zu essen. Der Gastgeberin sei Dank! Mit mir sind noch 6! weitere Gäste da: ein Ehepaar aus Niedersachsen und 4 Freundinnen, die ihre Freundschaft mit Sekt feiern. Mit dem Ehepaar komme ich in ein gutes Gespräch, da sie auch wanderbegeistert sind. Nach einem Tag alleine auf dem Weg ist das jetzt genau das richtige für mich.

Morgen plane ich nach Worms zu wandern. Ich möchte dann einen Tag Pause einlegen, mich mit einem ehemaligen Mitarbeiter treffen, der in Worms lebt. Am Abend kommt mein jüngster Sohn aus Frankfurt. Wir werden dann am Montag gemeinsam Worms erobern. Ich freue mich schon auf die Sohn-Vater-Zeit.