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Im Bayrischen Wald: Wiesenfelden – Pilgramsberg – Stallwang

Heute morgen ist es bewölkt, aber trocken. Es ist kühl. Einer meiner Lehrer hat uns auf dem Gymnasium beigebracht: „Der Bayrische Wald: Dreiviertel Jahr Winter, Einviertel Jahr kalt“. Bis jetzt stimmt es.

Nach einem Abstecher in die Bäckerei mache ich mich wieder auf den Weg. Der E8 läuft hier nicht nur parallel zum Jakobsweg, sondern auch zum „Goldsteig“. Die Erfinder des Goldsteigs waren schwer aktiv beim Marketing und haben sich einen besonderen Gag ausgedacht und die Rastbänke in Form und Farbe des Wanderweglogos gestaltet.

Goldsteig

Es geht zuerst bergauf und schon nach einer Viertelstunde habe ich den ersten Aussichtspunkt seit langem erreicht. Die Luft ist herrlich klar und frisch und das Laufen geht wie von selbst. Bald bin ich mitten im Wald und es ist bereits so hoch, dass die Wolken wie Nebel wirken und alles geheimnisvoll und dunkel machen.

In Wiesenfelden hatte ich ein Plakat gesehen, dass zum Waldbaden einlädt. Ich fange an zu überlegen, wie und wann das vonstatten gehen soll. Im Sommer? Wenn die ganzen Mücken unterwegs sind? Ist man dann nackt oder hat minimum eine Badehose an? Verläuft das eher ruhig oder ist es wie Kinderplantschen mit viel Geschrei? Die Japaner versprechen sich eine Menge gesundheitlicher Vorteile. Ich dagegen fange an, misstrauisch zu werden. Am Ende des Tages hat man viele Mücken gefüttert und dann?

Heute sind keine Mücken unterwegs, nur ein paar Schwammerlsuchern begegne ich. Die Wegorientierung ist manchmal verwirrend, aber irgendwie schaffe ich es heute, mich nicht größer zu verlaufen.

Vor einer Woche hatte ich ein Gespräch mit einer Bekannten, die kürzlich ihren Bootsführerschein Klasse C gemacht hat. Für sie ist Wandern uninteressant. Sie reduzierte das Wandern auf das Statement: „und dann siehst du schon ein, zwei Kilometer im voraus, wohin du läufst und es dauert ewig bis du dann dort ankommst.“ Jetzt habe ich Zeit darüber nachzudenken. Diese Reduktion finde ich irritierend, vor allen Dingen weil es von jemanden kommt, der gerne Boot fährt. Beim Bootsfahren auf dem offenen Meer beispielsweise hat man oft überhaupt keinen Orientierungspunkt ausser der Sonne. Überall Wasser. Und trotzdem kam diese Reduktion. Ich vermute, hinter diesem Satz steckt mehr. Vielleicht die Anstrengung des Wanderns und das Bewusstsein, das es 15 bis 30 Minuten dauern kann bis man den entfernt liegenden Orientierungspunkt erreicht hat. Vielleicht die Erfahrungsgewohnheit des Autofahrens, die uns suggeriert, dass man diesen Punkt in ein, zwei Minuten erreicht hat und dann kommt was Neues. Vielleicht die Ungeduld, es nicht schneller dorthin zu schaffen. Oder vielleicht noch etwas ganz anderes.

Ich kenne das Gefühl, auf einen Punkt zuzuwandern. Schlimmer finde ich es einen langen, geraden Weg auf der Ebene zu gehen. Ein Weg, der den ganzen Tag und länger dauert. Das mag ich auch nicht. Das ist der Grund, warum ich die ungarische Puzta vermeiden möchte. Das stelle ich mir auch nur anstrengend, mühselig und langweilig vor. Das ist der Inbegriff des „Kilometer machen“ für mich oder „den Forrest Gump machen“. Einfach nur stumpf, ohne nach Links oder Rechts zu schauen, zu laufen.

In Mitteleuropa, insbesondere auf den Wegen, die ich bisher gewandert habe, erlebe ich es als anders. Die gefühlte Anstrengung ist letztendlich eine Geduldsübung, da ich mein Tempo und die Pausen selber bestimme. Wenn es für mich zu anstrengend wird, werde ich langsamer. Wenn es noch anstrengender wird, mache ich eine Rast. Dann geht es auch wieder.

Die Sehgewohnheit des Autofahrers verändert sich beim Wandern, da man auf einmal Dinge in der Natur sieht, die man als Autofahrer oder Radfahrer einfach übersieht, weil man zu schnell ist. Es ist dann nicht mehr die Fixierung auf einen Punkt, der ein oder zwei Kilometer vor einem liegt, sondern die Entdeckung, was liegt am Wegesrand. Außerdem hat ich es bisher nicht oft, soweit voraus meinen Weg sehen zu können. Die Blickweite ist normalerweise – insbesondere im Wald – wesentlich kürzer. Manchmal sogar nur ein paar Meter weit.

Ansonsten Wandern entschleunigt mich ungemein und das ist gut so. Es gibt keinen Zwang schnell oder weit zu laufen. Erst am Nachmittag, wenn ich abschätzen kann, wieviel Lust ich noch habe, entscheide ich mich für einen Punkt auf dem Weg, um dort eine Unterkunft zu finden. Ansonsten fühle ich mich frei von irgendwelcher Ungeduld.

Gegen Mittag verlasse ich den Wald und komme an einzelnen Gehöften mit umliegenden Weiden vorbei. Eine große Wiese gefällt mir besonders. Es gibt eine Goldsteigparkbank, eine schöne Aussicht und eine große Herde Schafe.

Bei Pilgramsberg gehe ich vom Weg runter, um einen Gasthof zu finden. In Pilgramsberg gibt es eine große Fabrik für Heiztechnik, Klima, usw., viele Wohnhäuser, eine Tankstelle, aber keinen offenen Gasthof. Der Hubertushof erregt meine Neugierde: ein Hotel mit großer Terrasse und Parkplatz, auf dem auch ein paar Autos stehen. Aber alles sieht verlassen und wüst aus. Des Rätsels Lösung, es ist ein Hotel für Selbstversorger. Auf der Terrasse mache ich eine Rast und bei den ersten Sonnenstrahlen des Tages ein kleines Nickerchen.

Danach geht es weiter. Im Wechsel Wiesen, Wald und einzelne Bauernhöfe. Überall stehen Obstbäume am Weg. Die Zwetschgen sind reif und schmecken frisch vom Baum richtig toll. Ich muss aufpassen, dass ich nicht zuviele davon esse.

Am Ende des Nachmittags erreiche ich Stallwang und bekomme ein Zimmer in einem wandererfreundlichen Gasthof. Der Gasthof wird von einem Oberpfälzer, einem Tschechen und dessen Freundin betrieben. Ich bin der einzige Gast und komme mit dem Tschechen ins Gespräch. Sie haben bisher die Coronazeit überstanden, weil die Bürger fleissig bei ihnen Essen bestellt haben. Seine Freundin ist 24 Jahre jünger als er. Anfangs dachte ich, sie wäre seine Tochter, welch ein Irrtum! Seit einem Jahr sind die beiden ein Paar. Eine menschliche Tragödie hat sie zusammengebracht. Sie sind ein schönes Paar.

Im Bayrischen Wald: Wörth – Schiederhof – Wiesenfelden

Wie im Wetterbericht angekündigt ist es am Morgen noch trocken, nachdem es in der ganzen Nacht geregnet hatte. Ich besorge mir ein paar Lebensmittel und schon geht es los. Direkt nach dem Ort beginnt der Bayrische Wald, Deutschlands größter Nationalpark. Das Höhenprofil zeigt, dass ich heute den ganzen Tag mehr oder weniger bergauf wandern werde bis ich auf einer Art Hochplateau bin.

Der Wald glänzt noch von dem Regen und die Luft ist klar und frisch. Mir gefällt es und den Mücken auch. Ich reibe mich genervt nach einiger Zeit mit Autan ein und siehe da, heute zeigt es Wirkung. Der Weg geht mitten durch den Wald an einem Bach entlang. Der Boden ist vom Regen noch aufgeweicht. Dadurch ist er weich, aber auch schwer. Alles ist gut ausgeschildert und breit angelegt. Obwohl es stetig bergauf geht, komme ich gut voran. Einmal liegen umgestürzte Bäume auf dem Weg. Ein andres Mal begegne ich einem Mann mit seinem Hund. Ansonsten ist alles ereignislos. Nur das es dann doch schon ab 10 Uhr das Regnen anfängt.

Kurz bevor ich den höchsten Punkt des Tages die Hubhöhe erreiche, wird der Weg schmaler und immer schlechter. Ich bin irritiert. Es ist alles kühl und nass und ich habe keine große Lust, mich wieder zu verlaufen. Plötzlich taucht hinter mir ein Auto auf und hält. Ein Mann steigt aus, den ich gleich nach dem E8 frage. Er lacht und sagt, dass der Weg richtig sei, aber auch richtig schlecht. Ich soll mir keine Sorgen machen, der Weg würde nach ein paar Metern besser werden. Erst einmal wird er zu einem Pfad. Doch dann stoße ich tatsächlich auf einen Weg, der durch einen verfallenen Bauernhof führt. Schon ein bisschen gruselig. Der Regen wird stärker und ich beschließe beim nächsten Gasthof Rast zu machen.

Ich erreiche den Gasthof am Nachmittag. Es sind außer mir keine Gäste da. Ein paar ältere Frauen wuseln umher. Ich bekomme eine Tasse Kaffee und ein Stück Käsekuchen. Schlagermusik ist aus dem Radio zu hören, draußen plätschert der Regen. Will ich wirklich heute noch weiterwandern? Ich frage nach dem Preis für eine Übernachtung. Die Kellnerin antwortet mir, dass sie dass nicht wüsste, sondern nur die Chefin. Aber die würde erst wieder in einer Stunde da sein. Der Käsekuchen schmeckt mir gut, er wurde sogar extra warmgemacht. Zwischendurch lässt sich die Köchin blicken. Auch sie weiß nicht, wieviel eine Übernachtung kostet, aber sie vermutet 38 oder 40 Euro. Komisch, dass niemand außer der Chefin weiß, wie teuer das Zimmer ist. Ich überlege, ob ich noch eine oder zwei Stunden durch den Regen zum nächsten Ort laufen will oder hier in aller Ruhe übernachte. Zu lange will ich aber mit der Entscheidung auch nicht warten. Ich frage, ob man die Chefin nicht vielleicht anrufen könnte. Alle lachen und man erzählt mir, dass sie jetzt ihr Mittagsschläfchen halten würde. Das verstehe ich gut, ein Mittagsschläfchen ist heilig. Also warte ich. Allmählich kommen auch andere Gäste, die etwas essen wollen oder ein Zimmer beziehen. Ein junger Mann mit einem geschmacklosen T-Shirt taucht auch auf und tut sehr beschäftigt.

Auf einmal kommt er auf mich zu und hält mir einen Schlüssel entgegen: „Zimmer 12!“. Ich bin überrascht und entgegne: „Ich wüsste gerne erst einmal, wieviel kostet das Zimmer?“ Er antwortet: „65 Euro“. Ich ganz entsetzt: „65 Euro für ein Einzelzimmer?!“ Er: „Ein Einzelzimmer? Mit Frühstück?“ Ich nicke. Er: „44 Euro“ Inzwischen ärgere ich mich über den ganzen Vorgang. Erst heißt es, die Chefin, die Chefin und dann kommt dieser Mann. Ich komme mir von dem Mann irgendwie übervorteilt und überrumpelt vor. Dann gehe ich lieber durch den Regen und suche mir etwas in der nächsten Ortschaft. Ich sage: „das ist mir zu teuer“ Auf einmal ist auch die Chefin da, die mich fragt: „Wieviel wollte er für das Zimmer?“ Ich antworte: „44“. Das ist schon alles sehr komisch und ich bin froh als ich bezahlt habe und raus bin aus dem Gasthof.

Es regnet und ich laufe mit erhöhtem Adrenalinspiegel in Richtung von Wiesenfelden. Anfangs bin ich schnell bis ich mich wieder beruhigt habe und sehe: Der Weg ist richtig schön. An Feldern vorbei, durch einen Wald, schließlich an einer großen Weiherlandschaft vorbei, die unter Naturschutz steht. Den Regen spüre ich schon gar nicht mehr. Die Weiherlandschaft ist wirklich sehenswert, da verschiedene gut abgegrenzte Bereiche hier einen großzügigen Lebensraum für verschiedene Pflanzen- und Tiergemeinschaften bieten. Immer wieder sind Tafeln da, die auf verschiedene Aspekte hinweisen. Ein Rundweg führt um die Weiherlandschaften.

Ich komme an einem Seniorenheim vorbei und muss lachen, als ich entdecke, das für die Senioren direkt vor ihrem Heim ein Spielplatz aufgebaut worden ist. Also, damit mich jetzt auch alle richtig verstehen, kein Spielplatz für Kinder. Es sind verschieden Geräte, mit denen man spielerisch seine Kondition, Beweglichkeit und Gleichgewicht erhalten und verbessern kann. Ich probiere gleich zwei Geräte aus. Schon echt cool!

Ich gehe weiter am Weiher entlang und stoße auf einen überdachten Beobachtungssteg, der direkt auf die andere Uferseite führt. An dem Steggitter hängen Love Locks. Soviele Liebespaare scheint es in Wiesenfelden noch nicht zu geben oder der Steg ist noch neu. Es gibt sogar Friend Locks.

Ich bin in Wiesenfelden angekommen. Ein interessanter und ein bisschen skurriler Ort. Es wurde z.B. mit EU Fördermittel ein Wanderstützpunkt gebaut. D.h. es wurde eine echte Nobeltoilette am Weg aufgebaut direkt neben einem Bierkeller (der „Felsenkeller“), der auch als Fledermaushöhle dient. Ein Brunnen in der Form eines Bierfasses direkt daneben (leider kein Trinkwasser). Das Klohaus ist wirklich schick, bestimmt das Werk eines preisgekrönten Architekten. Die Damentoilette ist geöffnet, die Herrentoilette ist geschlossen. Ich verzichte darauf, in die Damentoilette zu gehen und mach es so, wie ich es im Wald gewohnt bin.

Nach einigen Suchen und Fragen komme ich in einer Ferienwohnung bei einer netten Dame unter. 28 Euro mit Frühstück! Das Universum hat schon gewusst, wo ich heute günstig übernachten kann. Jetzt habe ich eine ganze Wohnung allein für mich.

Im Donautal: Hammermühle – Wörth a.d. Donau

Die Wettervorhersage kündigt für heute Nachmittag starken Regen an. Ich breche früher auf als sonst und nehme diesmal den richtigen Weg. Erst geht es durch das Gelände des Regensburger Golfclubs und ich sehe die ersten Golfer ihre Schläge machen. Überraschenderweise fängt es jetzt schon an zu regnen. Ich ziehe mir die Regenkleidung über. Das Golfplatzgelände geht in den fürstlichen Tierpark über. Der Tierpark ist durch einen Zaun abgegrenzt, doch führt ein befahrbarer Weg rein und raus. Der Übergang ist mit einem Rost ausgestattet, um zu verhindern, dass die Wildtiere den Park verlassen. Ich muss an die Warnung des Wirtes vor den Wildschweinen denken. Tatsächlich ist sogar vor dem Tierpark ein Hinweisschild zum Umgang mit diesen Tieren angebracht. Ein bisschen mulmig ist mir dabei schon, als ich den Tiergarten betrete. Das letzte Mal hatte ich Glück und die Wildschweine haben mich ignoriert.

Der Tiergarten hat eine abwechslungsreiche Waldlandschaft und ich fange an mich zu entspannen. Mitten im Park sehe ich einen Gedenkstein für Franz-Josef Strauß, der in der Nähe bei einer Jagdveranstaltung gestorben war. Der Fürst von Thurn und Taxis war ein Bewunderer von dem umstrittenen Ministerpräsidenten Bayerns gewesen. Ich war Student in Erlangen gewesen, als er starb und kann mich gut an die unterschiedlichen Reaktionen auf seinen Tod erinnern: von einem der längsten Trauerzüge, die es jemals in München gegeben hatte bis zu spontanen Feiern der alternativen Szene, die freudig sangen: „Last Sekt und Korken knallen, die Sau ist endlich umgefallen!“. Einer echten Wildsau begegne ich im Tiergarten glücklicherweise heute nicht.

Nach dem Tierpark passiere ich verschiedene Waldstücke und Feldfluren. Der Sommer scheint zu Ende zu gehen. Die Eicheln fallen bereits zu Boden und die Brombeeren am Wegrand sind überreif. Irgendwie schade und ich werde ein bisschen melancholisch.

Der Regen ist inzwischen Sonnenschein gewichen. Trotzdem beeile ich mich, um dem angekündigten Starkregen möglichst zu entgehen. Ich erreiche Ettersdorf, die einen tollen Kinderspielplatz haben. Es sind sogar Sandspielsachen vorhanden und für den Gründer des Spielplatzes ist eine Gedenkplatte aufgestellt worden. Das nenne ich mal Gemeinsinn und Dankbarkeit.

Nach Ettersdorf kommt der Ort Wisent, der am Flüsschen Wisent liegt. Gut gefällt mir das Schloß. Im Schlosspark trainiert ein Mann Boule mit ganz großen Kugeln. Er trifft immer. Ich applaudiere. Nach Wisent kommt der Ort Wörth an der Donau. Ursprünglich wollte ich ja gestern schon hier sein. Ich finde am Nachmittag eine Unterkunft und bin im Trocknen als es wirklich stark zu regnen anfängt.

Ich bin der einzige Gast im Haus und habe – inzwischen mein Standardzimmer – die Nummer 1 wieder bekommen. Der Gasthof hat das Prädikat „pilgerfreundlich“ und so sieht mein Zimmer auch aus. Es ist schlicht und als Lektüre steht das Neue Testament und die Broschüre „Bete Gott an und lebe im Sieg“ zur Verfügung. Irgendwie muss ich an meine Großmutter denken, die gerne in die Kirche gegangen und eine Zeitlang sogar Küsterin in Ihrer Gemeinde war.

Am Abend gehe ich in die Gaststube, um etwas zu essen. In der Gaststube ist der Stammtisch bereits versammelt. Dazu gehören hier nicht nur Männer, sondern auch eine alte Frau. Später kommt noch eine Schafkopfrunde dazu. Alle sprechen so stark oberpfälzischen Dialekt, dass ich fast nichts verstehe. Das stört mich nicht. Es ist wie ein Geräuschteppich im Hintergrund, wie eine lokale Hintergrundmusik der Eingeborenen und ich entspanne mich ohne von den lautstark besprochenen Themen abgelenkt zu werden. Das Essen schmeckt gut und frisch und ist preiswert. Ich lese die SZ. Ich fühle, weit weg von der Hauptstadt der Oberpfalz Regensburg bin ich wieder in der Provinz angekommen.

Im Donautal: Donaustauf – Hammermühle – Otterbachtal – Hammermühle

Der Sturm hat heute aufgehört und bei schönstem Wetter verlasse ich Donaustauf durch den Fürstengarten. Donaustauf wurde Anfang des 19. Jahrhunderts dem Fürsten von Thurn und Taxis als Kompensation für die Postrechte in Bayern übertragen. Dort haben sie dann ein schönes Schloß gebaut.

Vom Fürstengarten mit chinesischem Turm aus geht es durch den Wald auf die Anhöhe der Walhalla. Ein Tempel der deutschen Nationalhelden mit einem fantastischen Blick auf die Donau und Regensburg. Der Blick ist sensationell.

Walhalla

Das Innere der Walhalla ist allerdings eine Ansammlung von Büsten deutscher Militärs, Fürsten und Kulturschaffender. Schon seltsam, dass die Walhalla von den Frauen- oder Friedensbewegten in diesem Land bisher verschont wurde. Es sind nur FÜNF Frauen und kaum einer der sich für Frieden eingesetzt hatte vertreten: Katharina die Große, Maria Theresia, Sophie Scholl, Edith Stein und eine Nonne namens Theresia Gerhard. Unglaublich! Katharina war die längste Zeit ihres Lebens Russin, Maria Theresia Österreicherin, dafür haben sie den Hans Scholl weggelassen. Ich würde mich gerne mit den Leuten unterhalten, die auswählen, wer in diese Halle reinkommt und nach welchen Kriterien ausgewählt wird. Meine persönliche Heldenhalle wäre jedenfalls anders bestückt. Auch der Name Walhalla hat für mich eine Bedeutung, die eher in Richtung militärischer Weltuntergang gehen würde.

Aber der Aussichtspunkt für die Walhalla ist hervorragend ausgewählt worden. Ich setze mich auf eine der Stufen und staune. Man kann die funkelnde Donau sehen, wie sie von Regensburg kommt und nach Osten fließt. Es sind Boote auf dem Fluß und man kann weit ins Land schauen.

Inzwischen sind viele Tagestouristen da, die wie ich die Aussicht erleben mit und ohne Handy. Neben mir nimmt ein älterer Herr mit seinem Hund Platz. Den Hund finde ich interessant: ein Bull-Terrier! Ich spreche den Herrn an und er erzählt mir, dass es sich um einen Mini-Bull-Terrier handelt, so fällt er nicht unter die Kampfhundverordnung der verschiedenen Bundesländer. Der Hund heißt Gaudi und ist ein ganz ruhiger. Sein Ernährer ist dafür umso gesprächiger. So erfahre ich von seinem „Lebenseinbruch“ als seine ehemalige Ehefrau ihn mit einem Golfclubbetreiber betrogen hat und er daraufhin seinen Lebensmittelpunkt schließlich in Cuxhaven gesucht hat. Den Ausdruck „Lebenseinbruch“ finde ich spannend. Ist es so gemeint, dass er – wie auf einem zugefrorenen See – im Eis des Lebens eingebrochen ist oder dass jemand – z.B. ein Golfclubbetreiber – in seinem Leben eingebrochen ist wie ein Einbrecher und etwas sehr wertvolles gestohlen hat? Egal wie es zu verstehen ist, er ist jetzt ein glücklicher Mann mit einer sympathischen Partnerin und einem selbstbewussten Hund. „Not willing to please“ berichtet mir das Paar, das finden sie an ihrem Hund so gut. Für ein Leckerli werden hier keine Kunststückchen gemacht und so machen die beiden das auch in ihrem Leben.

Wir gehen gemeinsam zum Autoparkplatz und er erzählt uns noch ein paar lustige Geschichten. Der Parkplatz ist sehr voll, viele Leute besuchen heute die Walhalla. Der E8 führt über den Parkplatz. Ich verabschiede mich von den dreien, die am nächsten Tag wieder nach Cuxhaven fahren wollen.

Heute ist ideales Wanderwetter und ich bin wieder alleine und das schon 50 Meter hinter dem Parkplatz. Der Unterschied könnte nicht größer sein. Es geht am Wald entlang, der hier sehr abwechslungsreich ist, immer wieder habe ich einen guten Blick auf die Donau und es macht mir Spaß zu wandern.

Zur Mittagszeit erreiche ich den Gasthof Hammermühle im Otterbachtal. Im Biergarten gibt es gutes typisch bayrisches Essen. Hinter der Hammermühle geht der Weg dann weiter.

Ich folge den grünen Dreiecken, die stellvertretend für die E8 Zeichen stehen sollen. Es geht den Bach entlang. Netzzugang ist die ganze Zeit Fehlanzeige. So verlasse ich mich auf die Wegmarkierungen grünes Dreieck vollständig. Es ist ein idyllisches Bachtal. Wald wechselt sich mit Wiesen ab, die ich für Teil des fürstlichen Tiergartens halte. Heute sind viele Spaziergänger aus der Oberpfalz unterwegs: ganze Familien mit kleinen Kindern, ein Paar trägt sogar ein kleines Baby vor dem Bauch, ein Betriebsausflug, mehrere Paare und natürlich auch Radfahrer.

Es bewölkt sich und ich komme gut voran. Schließlich erreiche ich eine Gaststätte, die lustigerweise „Zum Koreawirt“ heißt, zu der auch eine Straße führt, die dort endet. Allmählich zweifle ich dran, dass ich noch auf dem richtigen Weg bin. Eigentlich müsste ich wieder die Donau sehen, aber ich sehe nur den Otterbach und Wald. Mir begegnet ein Mann mit zwei großen Hunden und ich frage ihn nach dem Weg. Bald muss ich erkennen, dass ich im falschen Tal gewandert bin. Es gibt auch keinen anderen Weg als in Richtung Donau umzukehren. An der Straße versuche ich noch eine halbe Stunde mein Glück. Aber alle Autos sind schon voll und keiner nimmt mich mit. Also wieder dem Bachlauf entlang abwärts zur Hammermühle, wo ich wahrscheinlich falsch abgebogen bin. So sehe ich heute das Otterbachtal auch von der anderen Seite, diesmal mit Wiedererkennungswert. Ist auch ganz schön.

Ich kehre zum zweiten Mal in der Hammermühle ein und bekomme dort auch ein Zimmer. Morgen versuche ich es dann nochmal, nach Wörth an der Donau zu kommen.

Back on the Trail: Im Donautal von Regensburg nach Donaustauf

In aller Frühe stehe ich auf und schreibe noch einen Willkommensbrief für meine Tante, die noch in England Enkelkinder hütet und nächste Woche wieder nach Bad Kreuznach kommen wird. Ich verlasse das Haus zum zweiten Mal mit voller Wanderausrüstung, nur diesmal 2 Kilogramm leichter. Ich habe ein paar Dinge, wie das Fernglas, weggelassen. Dafür sind neu dabei: Fersensocken, auf Anraten meiner Fußpflegerin für den rechten Fuß.

Mit dem Regionalzug geht es nach Mainz und dann mit 29 Minuten Verspätung im IC nach Regensburg. Zugfahren in Coronazeiten ist für mich immer noch ungewohnt. Alle tragen Maske und versuchen versetzt zu sitzen oder einen Platz Abstand zu halten. Das gelingt nicht immer, da zuviele Passagiere mitfahren. Ich bin immer gerne Zug gefahren, weil es immer wieder zu Begegnungen gekommen ist, die ganz besonders waren. Heute sind alle eher für sich, beschäftigen sich mit ihren Handys, Gespräche mit den anderen kommen eher nicht zustande. Nur der junge Mann, der mir schräg gegenüber sitzt, spricht mich an. Ihm wird gerade übel, weil er mit dem Rücken zur Fahrtrichtung sitzt. Wir tauschen die Plätze und es geht ihm schnell wieder besser, aber ein Gespräch kommt nicht zustande. Ich stelle mir kurz vor, wie das Gespräch mit ihm sein könnte. In der Phantasie gebe ich im sogar einen Namen: Julius, der sich auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch ist und der einen nervösen Magen besitzt. Jetzt kann ich aber die junge Frau, die mir schräg gegenüber sitzt, besser sehen. Eine schöne, dunkelhaarige, große Frau, die nach Wien fährt, um dort mit ihrer Familie Urlaub zu machen. Auf ihrem Handy steht „Paulina“.

In Regensburg fällt mir schon am Bahnhof auf: hier gibt es viele schöne Frauen. Ein ehemaliger Kollege von der Postbank Systems würde jetzt sagen: „Die Schnittendichte ist hier sehr hoch!“. Der Eindruck bestätigt sich, als ich durch die bereits gesehene Altstadt wandere. Eine der schönen Frauen darf ich sogar kennenlernen. Ich treffe eine dreissigjährige Moldawierin namens Eva, die als Physiotherapeutin in Regensburg arbeitet. Sie fährt regelmässig nach Hause, indem sie von Memmingen aus für 40-50 Euro nach Moldawien fliegt. Ich staune, dass ist wirklich günstig. Sie spricht kaum Deutsch, aber sehr gut Englisch. Für ihre Arbeit reicht es und es gefällt ihr hier gut. Keine Korruption und alles so schön sauber. Dabei lacht sich mich mit ihren grünen Augen an.

Ich wandere über die Donaubrücke. Der Weg ist gut ausgeschildert. Es geht an der Donau entlang flussabwärts. Auf der Donau kann ich Ausflugsboote erkennen. Die Stadt selber ist hier vor allen Dingen Gewerbe- und Neubaugebiet. Hier gefällt mir Regensburg gar nicht. Inzwischen hat ein starker Wind angefangen zu blasen. Glücklicherweise kommt er von der Seite oder von hinten.

Ich erreiche die Stadtgrenze. Der Weg ist fast eben und gleichzeitig auch ein Radweg. Zu meiner Linken kommt ein Naturschutzgebiet. Vor allen Dingen alte Obstreuwiesen. Ich freue mich wieder richtig auf dem Weg zu sein.

Der Wind wird immer stärker. Trotz des starken Winds bleibt mein Hut auf dem Kopf. Ich bin überrascht. Den Hut muss ich noch nicht einmal mit der Hand festhalten, der Strohhut sitzt auf meinem Kopf wie festgeklebt. Der Weg ist gut zu laufen und prima zum Einlaufen nach drei Wochen Pause. War in der Stadt die „Schnittendichte“ hoch, ist es hier die „Sitzbankdichte“. Ich könnte alle 200 Meter Sitzpause machen.

Ich erreiche am späten Nachmittag den Ort Donaustauf. Der alte Stadtkern ist gut erhalten und die Hauptstraße ist charakterisiert durch eine einzige fast geschlossene Häuserfassade auf jeder Straßenseite. Eine preisgünstige Unterkunft kann ich nicht finden. Der Wind ist immer stärker geworden und ein älterer Mann erzählt mir, dass ein Föhnsturm über die Nacht aufziehen soll. Vielleicht ist es keine gute Idee, gerade heute mit dem Übernachten in der freien Natur zu beginnen. Ich kriege dann noch ein Zimmer in einem teuren Vier-Sterne-Hotel. Die freundliche Empfangsdame macht mir sogar einen Sonderpreis. Ich kriege die Standardpauschale für einen Seminarteilnehmer. Wie passend. Die Sauna ist inklusive.

Im Donautal: Kelheim – Schneckenbach – Regensburg

Ab Kelheim ist der E8 wieder gut markiert, das beginnt schon direkt im Ort. Es ist mir ein Rätsel, wann es gut markiert ist, wann weniger und wann überhaupt nicht. Heute ist der Weg gut markiert. Wir brechen am frühen Morgen auf, überqueren den Main-Donau-Kanal und direkt nach Kelheim geht es durch den Wald auf die Höhe. Wir wandern die ganze Zeit im Wald und schnell erkennt auch Aloha: auf dem E8 bist du wirklich alleine, uns begegnet nur noch ein anderer Mensch. Na, ganz alleine sind wir nicht, die Mücken und Bremsen sind unsere ständigen Begleiter…

Manchmal unterhalten wir uns intensiv und manchmal gehen wir ruhig unseres Weges. Aloha ist eine gut durchtrainierte Ausdauersportlerin, die leichtfüßig immer mal wieder das Tempo anzieht und dann aus meinen Blick entschwindet. Aber das stört mich nicht, ich bleibe in meinem Rhythmus. Bei Wegmarken finden sind wir aber spätestens immer zusammen und das ist gut so. Zwei Augenpaare sehen halt doch mehr als eins. So kommt es, dass wir uns heute nicht verlaufen und das trotz der fehlenden Netzverbindung und Wanderkarten.

Es ist immer noch schwül und wir kommen durch einen schönen Buchenwald zur Mittagszeit im Örtchen Schneckenbach an. Leider gibt es hier keinen Gasthof, nur eine kleine Kapelle, ein paar Wochenendhäuser und einen Bochumer Zugereisten. Es gibt für mich – überraschenderweise – in dem kleinen Dorf zwei Bushaltestellen und ein Bushäuschen. Aloha liest den Fahrplan und meldet: „da fahren Busse heute“. Echt? An einem Sonntag? In einem Schlafdorf in der bayrischen Provinz? Das gibt es doch niemals! Tatsächlich, es fahren Busse und der nächste kommt in 15 Minuten. Mir fällt auf, wie eine grauschwarze Regenfront aus Richtung Westen auf uns zukommt. Huh, die vom Wetterbericht angekündigte Regenfront naht! Und nach Regensburg sind es noch mehr als 20 Kilometer und die nächste Zugstation ist auch noch 10 Kilometer weit weg von uns. Wenn uns der Regenguss ohne Gasthof trifft, dann kann unsere gute und entspannte Stimmung schnell umkippen. Spontan entschließen wir uns den Bus nach Regensburg zu nehmen und uns den Dom dort anzugucken.

Und das ist eine gute Entscheidung. Wir fahren mit dem Bus nach Osten und uns erreicht die Regenfront schon nach einer halben Stunde. Es kommt so richtig viel Wasser runter. Jetzt weiß ich, woher Regensburg seinen Namen hat.

In Regensburg gehen wir Italienisch essen (natürlich teste ich dort die Spagetti Bolognese, mein Rezept ist besser) und besuchen den gotischen Dom von Regensburg. Der gefällt mir besser als der Kölner Dom. Die berühmten Domspatzen singen heute nicht. Es regnet immer noch und wir beschließen ins Rhein-Main-Gebiet mit Alohas Auto zu fahren.

Die Fahrt über die Autobahn A3 ist geprägt von dem dichten Reiseverkehr, obwohl heute kaum LKWs unterwegs sind. Die Zeit vergeht wie im Flug, weil wir immer noch genug zum gegenseitigen Erzählen haben.

Am Fernbahnhof des Flughafens Frankfurt werde ich abgesetzt in der „Kiss and Park“ Zone. Einen Kuss gibt es nicht, dafür eine Umarmung und dann husch, husch fährt Aloha schon wieder weiter. So schnell, dass ich mein iphone in ihrem Auto vergesse. !Mala Suerte! Einmal nicht aufgepasst! D.h. heute gibt es leider keine aktuellen Fotos im Blog.

Ich nehme dann einen Zug und bin kurz vor 21 Uhr in Bad Kreuznach, wo ich von meiner Tante herzlich begrüßt werde. Innerhalb von fünfeinhalb Stunden bin ich wieder nach Bad Kreuznach gekommen, nachdem ich fast sieben Wochen gebraucht habe, um nach Regensburg zu gelangen. Zeit beim Wandern ist relativ: für mich sind die sieben Wochen wie im Nu vergangen.

Ich unterbreche für die nächsten zwei Wochen meine Wanderung auf dem E8 und fahre mit meinem jüngsten Sohn am Dienstag zur südlichsten Stadt Deutschlands, um dort unsere Verwandten zu besuchen und Ferien zu machen. Danach werde ich mich wieder melden. Seid mir bitte weiterhin gewogen und wünscht uns eine schöne Zeit im Oberallgäu!

An der Donau: Weltenburg – Kelheim

Am Morgen gehe ich als allererstes wieder zum Kloster an die Donau. Ich will mit einem Boot durch den Donaudurchbruch fahren. Doch schon erlebe ich die erste Enttäuschung: die Donau hat einen so niedrigen Wasserstand, dass die großen Ausflugsschiffe heute nicht fahren dürfen. Doch die Frau an der Schifffahrtskasse gibt mir einen Tip: Es gibt kleine Boote, die man buchen kann, und manchmal an der Donau warten, keine 200 Meter von dem Kloster entfernt. Und tatsächlich ich finde ein Boot mit seinem Steuermann an der Donau. Für 15 Euro würde er mich durch den Donaudurchbruch fahren. Falls noch andere Passagiere dazukommen, wird es entsprechend billiger. Ich beschließe zu warten und tatsächlich nach 10 Minuten ist unser Boot voll und es geht los. Jetzt kostet die Passage für mich 4 Euro.

Es ist wunderbar am Morgen auf der Donau zu fahren. Donaudurchbruch heißt die Stelle, weil die Donau hier am engsten und tiefsten in ganz Bayern ist. Über 100 Meter hohe Felsen ragen am Ufer hervor, an denen sogar geklettert wird. Der Schiffsführer erzählt, dass hier die längsten Kletterfelsen nördlich der Alpen in Bayern seien. Alles ist noch herrlich frisch, ruhig und die Sonne brennt noch nicht so. Einige Menschen schwimmen schon in der Donau.

Nach 20 Minuten verlasse ich das Boot und wandere der Donau entlang bis nach Kelheim, wo ich mit Aloha verabredet bin. Als ich in Kelheim an der Bootsanlegestelle ankommen, traue ich meinen Augen nicht ganz. Die Großfamilie mit den Windhunden von gestern steht auf dem Weg und erkennt mich auch gleich wieder. Eigentlich wollten sie einen Schiffsausflug nach Weltenburg machen, aber die Schiffe fahren ja heute bekanntermaßen nicht. Ich versuche ein paar Tips zu geben und nutze die Gelegenheit, auch ein paar gute Fotos von den Hunden zu machen. Auf einmal stehe ich mitten in der Großfamilie und jeder versucht mit mir ein paar Worte zu wechseln. Eine richtig nette Familie, die entweder Sommer oder Herbst mit Nachnamen heißen. Das Familienoberhaupt schüttelt mir ganz am Schluss auch noch ganz uncoronamässig die Hand. Ich bin gespannt, ob mir diese sympathische Familie noch einmal begegnen wird.

Ich versorge mich in Kelheim mit Getränken und verbringe die Wartezeit mit dem Beobachten von Menschen. Heute ist Markt in Kelheim und das Standesamt hat offen und das an einem Samstag. Zwei Hochzeiten! Und eine Hochzeit ganz in Tracht.

Ich hole Aloha vom Bus ab. Sie hat schon eine aufregende Anreise aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Kelheim erlebt und ist einem Bilderbuchmenschen begegnet, der ihr das Busticket spendiert hat, weil sie nicht genügend Bargeld mit dabei hatte. Jetzt hat sie Hunger und wir gehen echt bayrisch Weisswürste mit Brezeln und Bier (ja schon wieder) essen und trinken.

Danach ist uns erst mal richtig warm geworden und wir beschließen, in der Donau baden zu gehen. Herrlich! Die Donau hat die Wasserqualität Stufe 2. Stufe 1 ist Trinkwasserqualität. Nur aufpassen muss man, dass einen die Strömung in der Mitte des Flusses nicht einfach mitreißt. Wieder an Land, beobachten wir die Menschen, die vorbei flanieren. Highlight ist eine Dame mit gelben Kleid und pinkem Sonnenschirm. Der Kontrast zum blauen Himmel und dem grünen Pflanzen könnte nicht schöner sein. Aloha wird nach einiger Zeit auf ein gutaussehendes Pärchen aufmerksam, die flussaufwärts in die Donau springen und nach kurzer Zeit flussabwärts wieder an Land gehen. Flussschwimmen!!! Ich hatte das schon in der Schweiz gesehen und bin auf die Schweizer ganz neidisch, weil inzwischen Städte wie Basel oder Genf ihre Flüsse so gestaltet haben, dass man wunderschön dort im Fluss schwimmen kann. Auf einmal taucht sogar ein Mann bei uns auf und kommt ans Ufer. Er ist von Weltenburg in der Donau bis Kelheim geschwommen.

Sofort folgen wir dem Pärchen und probieren es aus. Es ist super! Der Fluss nimmt uns mit und wir lassen uns treiben. Wir müssen nur aufpassen, dass wir wieder an unserer Landestellen ans Ufer schwimmen. Unterwegs können wir uns an einen festgemachten Kahn hängen und lassen uns von der Donau langziehen. Sofort wiederholen wir das ganze und beschließen, nach Basel zu fahren und dort dann im Rhein zu schwimmen. Unsere Entdeckung des Tages.

Es ist so spät inzwischen geworden, dass sich ein Weiterwandern heute nicht mehr lohnt. Wir suchen uns ein Quartier, legen dort die Rucksäcke ab und besuchen die Befreiungshalle auf der Anhöhe bei Kelheim. Ein furchtbarer klassizistischer Bau, der von überall in der Stadt aus gut zu sehen ist. Es fängt das Regnen an und wir gehen in unseren Gasthof. Spanferkel, Wildschweinpflanzerl und schon wieder dunkles Weltenburger Bier warten auf uns. Wieder echt bajuwarisch. Und ich bin schon wieder betrunken. Soviel Bier wie ich in den letzen 36 Stunden getrunken habe, habe ich in den letzten 10 Jahren nicht.