Category : Fremde Stadt entdecken

13. Frage Einheimische, welches für sie das schönste in der Stadt ist

Es gibt nicht viele Galater mit denen ich mich unterhalten kann. Die wenigsten können Englisch oder Deutsch und mein Rumänisch ist noch zu schlecht. Bei einigen gelingt dann doch ein Gespräch. Meine Lieblingsfrage nach dem üblichen Smalltak ist: Was ist für Sie das schönste in Galati? Ich stelle ganz bewusst eine vergleichende Frage. Zu meiner Überraschung: sagen alle: „Nimic“. Es gibt nichts, gar nichts. Sogar wenn ich dann Orte, wie die Shopping Mall anführe, wird mir sofort gesagt, dass es in Bukarest schönere Malls geben würde. Nach längerem Nachdenken wird dann manchmal die Donau genannt. Die Donau gehört aber strenggenommen gar nicht zur Stadt. Ein Englischlehrer ist die Ausnahme, für ihn ist das Observatorium im Naturkundemuseum schön.

Was ist das für eine Stadt, deren Bewohner an ihr nichts Schönes finden? Warum sind diese Menschen dann noch hier? Was hält sie dann noch in Galati? Ich muss an Cesar Manrique denken, einem spanischen Architekten und Umweltschützer auf der Kanareninsel Lanzarote, der früh die Zersiedelung mit Ferienwohnungen und Hotelanlagen auf den kanarischen Inseln erkannt hatte. Mit viel Energie und ästhetischem Gefühl hatte er etwas dagegen unternommen und das Bild der Vulkaninsel entscheidend geprägt hat. Ich habe einen von Manrique erbauten Mirador auf El Hierro gesehen, der architektonisch mich beeindruckt, mit lokalen Baustoffen gebaut und an einem tollen Aussichtspunkt errichtet wurde. So etwas ist in Galati bisher noch nicht passiert und jeder sieht nur das Hässliche ohne etwas zu verändern.

12. Lass dich von der fremden Stadt überraschen

Mein erster Eindruck von Galati ist: eine hässliche Industriestadt am Arsch der Welt. Außer der Donau ist hier nichts Schönes oder interessantes. Eines Tages sehe ich Plakate hängen, die ein Volleyballspiel des örtlichen Clubs: Arcada Galati ankündigen gegen eine finnische Mannschaft. Ich gehe zum Spiel und bin positiv überrascht. Galati hat einen Erstligaclub im Männervolleyball, der in den zurückliegenden Jahren mehrfach rumänischer Meister geworden ist. Arcada Galati hat eine sehr gute Mannschaft und viele Zuschauer. Ich sehe ein gutes Spiel und erlebe eine begeisterte Stimmung in der Halle. Das hätte ich am Arsch der Welt wirklich nicht erwartet.

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11. Lies die Lokalzeitung

Ich entdecke die Lokalzeitung „Viata Libera“, eine täglich erscheinende Zeitschrift mit ca. 10-15 Seiten. Ich lese sie inzwischen fast täglich und übe damit meine Rumänischkenntnisse. Ich finde interessant über welche Themen berichtet wird. Teilweise werden meine Klischees bestätigt, teilweise werde ich auf neue Themen aufmerksam gemacht. Bestechungsfälle vor Gericht, langsam arbeitende Behörden bei Bauprojekten und ein Zugunglück im Bahnhof wegen mangelnder TÜV-Kontrollen bestätigen meine deutschen Vorurteile über Rumänien. Die Jubiläumsfeier der lokalen Universität, Baufortschritte bei Verkehrsmitteln und der Europabrücke, der Start einer 1,5 Milliarden Euro Investition für eine Batteriefabrik und der Wunsch das Hydrogen Valley Europas zu werden zeigen neue Entwicklungen und Verbesserungen der lokalen Infrastruktur und Wirtschaftsleistung. Immer wieder lese ich Hinweise und Ankündigungen von Veranstaltungen, wie im Sport und Kunstbereich. Für mich Anregungen, dort hinzugehen.

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10. Gehe Umwege

Am Anfang steht immer ein neuer Weg, neu für mich, weil ich ihn zum ersten Mal gehe. Beim zweiten und dritten Mal wird es schon zur Gewohnheit und ich erwische mich selber dabei, dann diesen Weg effizienter zu gehen, d.h. schneller ohne nach Rechts oder Links zu gucken. Zum Kennenlernen in einer fremden Stadt durchbreche ich dieses Muster und gehe bewusst Umwege. Dabei entdecke ich für mich weitere ungewohnte Dinge. Ein Beispiel ist die Wegführung in Galati. Am Bulevardul Siderurgistilor sind Plattenbauten 4-6 Stockwerke hoch gebaut, im Erdgeschoss sind oft Läden und Geschäfte. Von der Seite des Bulevarduls aus gibt es aber keine Eingangsbereiche für die Wohnungen in den Stockwerken darüber. Man muss also den ganzen Block umrunden, um an die Eingangsbereiche zu kommen, wo auch meistens die Parkplätze sind. Das können schon mal 500 – 800 Meter zu Fuß sein.  Zwischen den Blöcken sind aber schmale Gänge, gerade breit genug, dass eine einzelne Person durchgehen kann. Kein Licht, viel Taubenschiss. Man kann aber durchgehen, um zu den Eingangsbereich zu kommen für die darüberliegende Stockwerke. Diese Anordnung habe ich erst während eines Umweges entdeckt.

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9. Finde ein Souvenir in der fremden Stadt und bring es mit in die Heimat, d.h. was können die Menschen in Galati am besten? Probier es aus oder versuche es zu kaufen.

Mein erstes Souvenir sollte Braga sein. Braga (Boza auf Slawisch und Türkisch) ist ein süß-saures, braungefärbtes Getränk, das durch Kochen von gemahlener Hirse mit Wasser hergestellt wird. Es ist ursprünglich ein Getränk der nomadischen Türken Zentralasiens. In Galati gibt es einen Hersteller, bei dem ich direkt Braga kaufen konnte. Leider hatte der Hersteller keine Probefläschchen und so musste ich drei 2 Liter-Plastikflaschen kaufen für drei unterschiedliche Geschmackssorten. Zuhause habe ich es dann gekostet und es hat eigentümlich geschmeckt. Dann habe ich alle Flaschen ein paar Tage in der Küche stehen lassen. Das war ein Fehler. Irgendwann habe ich gemerkt, dass das fermentierte Braga Gasdruck in den Flaschen entwickelte. Ich wollte es dann in der Toilette entsorgen, beim Öffnen ist mir die Flasche in der Toilette explodiert. Ich war schließlich vollkommen durchnässt und habe stark nach Braga gestunken. Schmeckt mir Braga? Abschließend will ich das noch gar nicht sagen, da Braga als Erfrischungsgetränk beschrieben wird. Vielleicht ist es eher etwas für den heißen Sommer. Ich werde mich von meinen anfänglichen negativen Erfahrungen nicht abschrecken lassen und es im Sommer noch einmal probieren. Als Souvenir werde ich es erst einmal nicht mit nach Deutschland bringen.

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8. Suche die social hot Spots

Wo sind die zentralen Plätze, wann sind die Zeiten, wenn sich die Menschen in Galati treffen? Das hat ein bisschen gedauert, bis ich das rausgefunden habe. Schließlich habe ich vier Plätze gefunden, an denen sich Menschen in Galati regelmässig aufhalten. 1. Sonntagnachmittag in der großen Shopping Mall. 2. An einem sonnigen Tag der Promenadenweg am Donauufer zwischen der Fähre und dem Hafen. 3. Die Wochenmärkte in der Stadt zur Mittagszeit und 4. die Plätze wo die alten Männer Schach spielen („Sal de Sah“).

Meine zwei Lieblingsplätze in Galati sind die Shopping Mall und der Donaubulevard. Hier setze ich mich einfach in ein Cafe oder auf eine Parkbank. Dann beobachte ich die Leute. An diesen Plätzen kann man die unterschiedlichsten Menschen sehen. Die Schönen und Reichen, Schülerinnen, Familien, Roma, die entweder ihre Einkäufe machen, sich mit Freunden treffen, etwas essen oder in das Kino gehen. An der Donau vor allem Angler, Freizeitsportler, Rentner, Liebespaare oder Schüler.

7. Such dir einen englischsprachigen Führer

Die meisten großen Städte bieten geführte Stadttouren in verschiedenen Sprachen an. Galati hat über 200.000 Einwohner, ist also eigentlich groß genug. Ich erkundige mich in verschiedenen Reisebüros, aber Fehlanzeige. Mein Freund George hat Verwandte in Galati, die mir bei der Suche nach einem deutsch-/englischsprachigen Führer/Führerin helfen. Schließlich bekomme ich die Telefonnummer einer Englischlehrerin (so wird es mir jedenfalls gesagt). Beim Anruf stellt sich heraus, dass es sich um eine Dolmetscherin handelt. Die Dame bietet an, mir bei Behördengängen zu helfen, aber Stadtführung bietet sie nicht an. Ich muss lachen und gebe das Projekt Stadtführung auf.

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6. Lerne die Geschichte der fremden Stadt kennen

Meine erste Quelle ist Wikipedia. Daraus bestätigen sich vor allen Dingen meine ersten Eindrücke: die jüngere Stadtgeschichte mit Plattenbauten und große Industrieanlagen prägen das Stadtbild. Schwerindustrie, wie die größte Eisenhütte Rumäniens, Maschinenbau und der größten rumänischen Schiffswerft sind die Hauptarbeitgeber. Siderurgic heißt auf deutsch Stahl und Siderurgistilor Stahlhersteller. Wir wohnen in der Nähe des Bulevardul Siderurgistilor. Galati erinnert mich stark an eine Malocherstadt aus dem Ruhrgebiet in Deutschland.

Ich besuche zwei lokale Museen. Das Kunstmuseum als erstes. Als ich das Museum betrete, werde ich gefragt, was ich hier wolle. Eine für mich überraschende Frage, die ich mit, die Ausstellung besuchen, beantworte. Ich bin der einzige Besucher. Es ist ruhig und dunkel. Für mich wird das Deckenlicht eingeschaltet. Es sind Bilder von rumänischen Künstlern ausgestellt, einige auch mit deutschen Namen, aus dem 19. – 21. Jahrhundert. Die modernen Bilder gefallen mir am besten.

Das Geschichtsmuseum besuche ich als zweites. Auch hier werde ich am Eingang gefragt, was ich hier wolle. Immerhin bin ich diesmal nicht der einzige Besucher. Zwei ältere Damen und 2 Schulmädchen sind auch im Museum. Die Gegend von Galati wurden schon vor der Römerzeit besiedelt. Aus vielen Jahrhunderten sind Exponate vorhanden. Am interessantesten finde ich großformatige schwarz-weiß Fotografien aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, die Straßenbilder von Galati zeigen. Schulkinder haben eine Sonderausstellung vorbereitet: berühmte Frauen mit einer kurzen Biographie und dazu passenden Exponaten. Alle diese Frauen wurden mal mit einer rumänischen Briefmarke gewürdigt. Diese Briefmarken werden auch ausgestellt.

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5. Fahre mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Linien rauf und runter

Zuerst fange ich mit den Haltestationen an, die in meiner Nähe sind. In den vorhandenen Autobussen oder Straßenbahnen kann man die Tickets nicht direkt bei dem Fahrer kaufen. An den meisten Haltestellen stehen Automaten. Es ist dort möglich mit Kreditkarte oder bar zu bezahlen. Für eine Fahrt erhält man einen Zettel mit QR Code. Durch das Beobachten anderer Fahrgäste lerne ich, dass man den QR Code an Lesegeräte im Transportmittel halten muss, um sie zu entwerten. Schwierig für mich, da alles nur auf rumänisch geschrieben steht. Später lerne ich, dass eine Fahrkarte 60 Minuten lang gültig ist und 2,5 bis 3 Lei kostet, egal mit welchen Buslinien oder Straßenbahnen ich fahre. Auch dass es viel praktischer und günstiger ist mit einer eigenen Magenetkarte die Fahrkarten zu kaufen. Die Automaten bieten viele Möglichkeiten an und ich weiß heute noch nicht alle. Ich beobachte aufmerksam immer wieder die anderen Fahrgästen und lernen jedes Mal wieder etwas neues.Als erstes fahre ich mit der Buslinie 11 bis zur Endstation und wieder zurück. Parallel habe ich auf meine iPhone Google Maps aufgemacht und verfolge mit, wo ich gerade bin. Dabei versuche ich zu erkennen, ob irgendetwas interessantes zu besuchen gibt. Galati ist von breiten Straßen durchzogen, oft vierspurig und mit Mittelstreifen, auf dem die Straßenbahnen fahren können. Der Bus fährt am Justizpalast vorbei und erreicht schließlich den ältesten Teil von Galati, die Strada Domneasca. Hier stehen noch ältere Gebäude aus der Jugendstil- oder Gründerzeit. Diese Straße war früher die Prachtstraße der Stadt, jetzt ist hier nicht mehr viel los. Einige der alten Gebäude stehen leer und sind stark renovierungsbedürftig. Hier ist auch das Historische Museum in einer Nebenstraße, Universitätsgebäude, eine große Kirche und der Stadtpark. Der Bus hält schließlich an der Piata Centrala. Die Piata Centrala ist die Endhaltestelle für einige andere Buslinien und Straßenbahnen, aber vor allen Dingen der zentrale Marktplatz für regionale Erzeugnisse. Ich schlendere über den Markt: Gemüse, Obst, Fleisch, Milcherzeugnisse, Fisch, alles was man an Lebensmitteln braucht von regionalen Erzeugern und Händlern. Ich kaufe ein Pfund geschälte Walnüsse und laufe wieder zurück zum Bus. Mit der Buslinie 11 fahre ich wieder zurück bis zur andere Endhaltestelle. Überall ein ähnliches Bild, graue Plattenbauten mit Geschäften im Erdgeschoss, breite Straßen. Alle sauber und aufgeräumt.

Als nächstes fahre ich mit der Straßenbahnlinie 7. Ich entdecke, dass unterschiedlich alte Straßenbahnen in Galati fahren. Es gibt 8 sehr moderne Niedrigflurbahnen, die mit EU Fördermitteln angeschafft wurden. Es gibt aber auch ältere Straßenbahnen. Erstaunt stelle ich fest, dass deren Beschriftung in holländischer Sprache ist.  Anscheinend hat die Stadt Galati gebrauchte holländische Straßenbahnen gekauft oder gespendet bekommen. Schließlich gibt es noch sehr alte Straßenbahnen, wahrscheinlich noch aus der Ceausescu-Zeit. Ich komme an einem Fußballstadion mit Flutlichtanlage vorbei und dem lokalen Sportpalast. Am Ende ist ein Kreisverkehr. Ich bleibe sitzen und der Zugführer spricht mich an. Letzte Station. Ich weiß. Aber draußen kann ich nichts Interessantes sehen und das Wetter ist nicht gut. Sehr viele Wohnhäuser sind 5 Stockwerke hoch, alles Plattenbauten..  Auf dem Weg zur anderen Endhaltestelle kommen wir an einem großen Friedhof vorbei. Fast alle Passagiere in der Straßenbahn schlagen dreimal ein Kreuz. Ich kann das später immer wieder beobachten, die rumänischen Passagiere schlagen dreimal ein Kreuz vor der Brust, wenn der Bus oder die Straßenbahn an einem Friedhof oder an einer Kirche vorbeikommt. Rumänien ist das Land in der EU mit den meisten Kirchenmitgliedern, über 92% der Bevölkerung. Die orthodoxen Kirchen sind gut besucht und auf den Straßen kann man immer wieder Priester sehen, die hier Popa genannt werden. Die Straßenbahn Nummer 7 endet auch an der Piata Centrala. Ich kaufe mir ein Corvig, ein Gebäckstück, das noch warm verkauft wird und sehr lecker schmeckt. Anschließend fahre ich wieder nachhause.

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Frage ein Fremdenverkehrsbüro oder Reisebüro

3. Frage ein Fremdenverkehrsbüro oder Reisebüro

Ich suche ein Fremdenverkehrsbüro, um nach einer Straßenkarte mit Haltestellen zu fragen, nach geführten Stadtbesichtigungen oder mich nach den Highlights der Stadt zu erkundigen. In Galati bin ich leider damit gescheitert. Ein Tourist Information Office, wie ich es aus anderen Städten kenne, scheint es hier nicht zu geben. Nach Galati kommen anscheinend keine Touristen, sondern nur Geschäftsreisende oder ukrainische Flüchtlinge. Auch verschiedene Reisebüros, es gibt davon viele in Galati, konnten mir nicht weiterhelfen. Geführte Touren durch Galati gibt es anscheinend nicht. Die Stadt hat zwar Hotels, aber sonst kaum touristische Infrastruktur, jedenfalls nicht Ende Herbst und im Winter. Eine Internetseite der Stadt bietet unter architektonischen Sehenswürdigkeiten eine Liste mit allen Kirchen und den Museen.

4. Finde einen hohen Aussichtspunkt und betrachte die fremde Stadt von oben

Galati hat einen Fernsehturm. In ca. 60 Meter Höhe befindet sich dort ein fast kreisrundes Restaurant. Ich habe dort zu Mittag gegessen. Anfangs war ich der einzige Gast. Das habe ich ausgenutzt und mich auf verschiedenen Plätzen niedergelassen, um so immer wieder einen anderen Panoramablick zu bekommen. Man kann sehr gut Galati, die Donau und das Umland sehen. Einige Punkte habe ich mir gemerkt, als mögliche Ausflugsziele wie den Hafen, das Industriegebiet Siderugistilor und den Botanischen Garten. Andere bereits bekannte Orte habe ich versucht wiederzufinden. Mein Telefon meldet mir, dass ich kein rumänisches Netz mehr habe, sondern ein moldawisches. Ich beschließe wieder zu kommen und bei einem Drink den Sonnenuntergang von dort oben zu erleben.

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