Category : Fremde Stadt entdecken

8. Suche die social hot Spots

Wo sind die zentralen Plätze, wann sind die Zeiten, wenn sich die Menschen in Galati treffen? Das hat ein bisschen gedauert, bis ich das rausgefunden habe. Schließlich habe ich vier Plätze gefunden, an denen sich Menschen in Galati regelmässig aufhalten. 1. Sonntagnachmittag in der großen Shopping Mall. 2. An einem sonnigen Tag der Promenadenweg am Donauufer zwischen der Fähre und dem Hafen. 3. Die Wochenmärkte in der Stadt zur Mittagszeit und 4. die Plätze wo die alten Männer Schach spielen („Sal de Sah“).

Meine zwei Lieblingsplätze in Galati sind die Shopping Mall und der Donaubulevard. Hier setze ich mich einfach in ein Cafe oder auf eine Parkbank. Dann beobachte ich die Leute. An diesen Plätzen kann man die unterschiedlichsten Menschen sehen. Die Schönen und Reichen, Schülerinnen, Familien, Roma, die entweder ihre Einkäufe machen, sich mit Freunden treffen, etwas essen oder in das Kino gehen. An der Donau vor allem Angler, Freizeitsportler, Rentner, Liebespaare oder Schüler.

7. Such dir einen englischsprachigen Führer

Die meisten großen Städte bieten geführte Stadttouren in verschiedenen Sprachen an. Galati hat über 200.000 Einwohner, ist also eigentlich groß genug. Ich erkundige mich in verschiedenen Reisebüros, aber Fehlanzeige. Mein Freund George hat Verwandte in Galati, die mir bei der Suche nach einem deutsch-/englischsprachigen Führer/Führerin helfen. Schließlich bekomme ich die Telefonnummer einer Englischlehrerin (so wird es mir jedenfalls gesagt). Beim Anruf stellt sich heraus, dass es sich um eine Dolmetscherin handelt. Die Dame bietet an, mir bei Behördengängen zu helfen, aber Stadtführung bietet sie nicht an. Ich muss lachen und gebe das Projekt Stadtführung auf.

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6. Lerne die Geschichte der fremden Stadt kennen

Meine erste Quelle ist Wikipedia. Daraus bestätigen sich vor allen Dingen meine ersten Eindrücke: die jüngere Stadtgeschichte mit Plattenbauten und große Industrieanlagen prägen das Stadtbild. Schwerindustrie, wie die größte Eisenhütte Rumäniens, Maschinenbau und der größten rumänischen Schiffswerft sind die Hauptarbeitgeber. Siderurgic heißt auf deutsch Stahl und Siderurgistilor Stahlhersteller. Wir wohnen in der Nähe des Bulevardul Siderurgistilor. Galati erinnert mich stark an eine Malocherstadt aus dem Ruhrgebiet in Deutschland.

Ich besuche zwei lokale Museen. Das Kunstmuseum als erstes. Als ich das Museum betrete, werde ich gefragt, was ich hier wolle. Eine für mich überraschende Frage, die ich mit, die Ausstellung besuchen, beantworte. Ich bin der einzige Besucher. Es ist ruhig und dunkel. Für mich wird das Deckenlicht eingeschaltet. Es sind Bilder von rumänischen Künstlern ausgestellt, einige auch mit deutschen Namen, aus dem 19. – 21. Jahrhundert. Die modernen Bilder gefallen mir am besten.

Das Geschichtsmuseum besuche ich als zweites. Auch hier werde ich am Eingang gefragt, was ich hier wolle. Immerhin bin ich diesmal nicht der einzige Besucher. Zwei ältere Damen und 2 Schulmädchen sind auch im Museum. Die Gegend von Galati wurden schon vor der Römerzeit besiedelt. Aus vielen Jahrhunderten sind Exponate vorhanden. Am interessantesten finde ich großformatige schwarz-weiß Fotografien aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, die Straßenbilder von Galati zeigen. Schulkinder haben eine Sonderausstellung vorbereitet: berühmte Frauen mit einer kurzen Biographie und dazu passenden Exponaten. Alle diese Frauen wurden mal mit einer rumänischen Briefmarke gewürdigt. Diese Briefmarken werden auch ausgestellt.

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5. Fahre mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Linien rauf und runter

Zuerst fange ich mit den Haltestationen an, die in meiner Nähe sind. In den vorhandenen Autobussen oder Straßenbahnen kann man die Tickets nicht direkt bei dem Fahrer kaufen. An den meisten Haltestellen stehen Automaten. Es ist dort möglich mit Kreditkarte oder bar zu bezahlen. Für eine Fahrt erhält man einen Zettel mit QR Code. Durch das Beobachten anderer Fahrgäste lerne ich, dass man den QR Code an Lesegeräte im Transportmittel halten muss, um sie zu entwerten. Schwierig für mich, da alles nur auf rumänisch geschrieben steht. Später lerne ich, dass eine Fahrkarte 60 Minuten lang gültig ist und 2,5 bis 3 Lei kostet, egal mit welchen Buslinien oder Straßenbahnen ich fahre. Auch dass es viel praktischer und günstiger ist mit einer eigenen Magenetkarte die Fahrkarten zu kaufen. Die Automaten bieten viele Möglichkeiten an und ich weiß heute noch nicht alle. Ich beobachte aufmerksam immer wieder die anderen Fahrgästen und lernen jedes Mal wieder etwas neues.Als erstes fahre ich mit der Buslinie 11 bis zur Endstation und wieder zurück. Parallel habe ich auf meine iPhone Google Maps aufgemacht und verfolge mit, wo ich gerade bin. Dabei versuche ich zu erkennen, ob irgendetwas interessantes zu besuchen gibt. Galati ist von breiten Straßen durchzogen, oft vierspurig und mit Mittelstreifen, auf dem die Straßenbahnen fahren können. Der Bus fährt am Justizpalast vorbei und erreicht schließlich den ältesten Teil von Galati, die Strada Domneasca. Hier stehen noch ältere Gebäude aus der Jugendstil- oder Gründerzeit. Diese Straße war früher die Prachtstraße der Stadt, jetzt ist hier nicht mehr viel los. Einige der alten Gebäude stehen leer und sind stark renovierungsbedürftig. Hier ist auch das Historische Museum in einer Nebenstraße, Universitätsgebäude, eine große Kirche und der Stadtpark. Der Bus hält schließlich an der Piata Centrala. Die Piata Centrala ist die Endhaltestelle für einige andere Buslinien und Straßenbahnen, aber vor allen Dingen der zentrale Marktplatz für regionale Erzeugnisse. Ich schlendere über den Markt: Gemüse, Obst, Fleisch, Milcherzeugnisse, Fisch, alles was man an Lebensmitteln braucht von regionalen Erzeugern und Händlern. Ich kaufe ein Pfund geschälte Walnüsse und laufe wieder zurück zum Bus. Mit der Buslinie 11 fahre ich wieder zurück bis zur andere Endhaltestelle. Überall ein ähnliches Bild, graue Plattenbauten mit Geschäften im Erdgeschoss, breite Straßen. Alle sauber und aufgeräumt.

Als nächstes fahre ich mit der Straßenbahnlinie 7. Ich entdecke, dass unterschiedlich alte Straßenbahnen in Galati fahren. Es gibt 8 sehr moderne Niedrigflurbahnen, die mit EU Fördermitteln angeschafft wurden. Es gibt aber auch ältere Straßenbahnen. Erstaunt stelle ich fest, dass deren Beschriftung in holländischer Sprache ist.  Anscheinend hat die Stadt Galati gebrauchte holländische Straßenbahnen gekauft oder gespendet bekommen. Schließlich gibt es noch sehr alte Straßenbahnen, wahrscheinlich noch aus der Ceausescu-Zeit. Ich komme an einem Fußballstadion mit Flutlichtanlage vorbei und dem lokalen Sportpalast. Am Ende ist ein Kreisverkehr. Ich bleibe sitzen und der Zugführer spricht mich an. Letzte Station. Ich weiß. Aber draußen kann ich nichts Interessantes sehen und das Wetter ist nicht gut. Sehr viele Wohnhäuser sind 5 Stockwerke hoch, alles Plattenbauten..  Auf dem Weg zur anderen Endhaltestelle kommen wir an einem großen Friedhof vorbei. Fast alle Passagiere in der Straßenbahn schlagen dreimal ein Kreuz. Ich kann das später immer wieder beobachten, die rumänischen Passagiere schlagen dreimal ein Kreuz vor der Brust, wenn der Bus oder die Straßenbahn an einem Friedhof oder an einer Kirche vorbeikommt. Rumänien ist das Land in der EU mit den meisten Kirchenmitgliedern, über 92% der Bevölkerung. Die orthodoxen Kirchen sind gut besucht und auf den Straßen kann man immer wieder Priester sehen, die hier Popa genannt werden. Die Straßenbahn Nummer 7 endet auch an der Piata Centrala. Ich kaufe mir ein Corvig, ein Gebäckstück, das noch warm verkauft wird und sehr lecker schmeckt. Anschließend fahre ich wieder nachhause.

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Frage ein Fremdenverkehrsbüro oder Reisebüro

3. Frage ein Fremdenverkehrsbüro oder Reisebüro

Ich suche ein Fremdenverkehrsbüro, um nach einer Straßenkarte mit Haltestellen zu fragen, nach geführten Stadtbesichtigungen oder mich nach den Highlights der Stadt zu erkundigen. In Galati bin ich leider damit gescheitert. Ein Tourist Information Office, wie ich es aus anderen Städten kenne, scheint es hier nicht zu geben. Nach Galati kommen anscheinend keine Touristen, sondern nur Geschäftsreisende oder ukrainische Flüchtlinge. Auch verschiedene Reisebüros, es gibt davon viele in Galati, konnten mir nicht weiterhelfen. Geführte Touren durch Galati gibt es anscheinend nicht. Die Stadt hat zwar Hotels, aber sonst kaum touristische Infrastruktur, jedenfalls nicht Ende Herbst und im Winter. Eine Internetseite der Stadt bietet unter architektonischen Sehenswürdigkeiten eine Liste mit allen Kirchen und den Museen.

4. Finde einen hohen Aussichtspunkt und betrachte die fremde Stadt von oben

Galati hat einen Fernsehturm. In ca. 60 Meter Höhe befindet sich dort ein fast kreisrundes Restaurant. Ich habe dort zu Mittag gegessen. Anfangs war ich der einzige Gast. Das habe ich ausgenutzt und mich auf verschiedenen Plätzen niedergelassen, um so immer wieder einen anderen Panoramablick zu bekommen. Man kann sehr gut Galati, die Donau und das Umland sehen. Einige Punkte habe ich mir gemerkt, als mögliche Ausflugsziele wie den Hafen, das Industriegebiet Siderugistilor und den Botanischen Garten. Andere bereits bekannte Orte habe ich versucht wiederzufinden. Mein Telefon meldet mir, dass ich kein rumänisches Netz mehr habe, sondern ein moldawisches. Ich beschließe wieder zu kommen und bei einem Drink den Sonnenuntergang von dort oben zu erleben.

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2. Lies die Internetseite Trip Advisor

Oft kann man hier eine Topliste der Sehenswürdigkeiten finden. Gerne lese ich auch die Kommentare anderer Touristen dazu und lasse mich dann davon leiten, ob sich ein Besuch lohnt oder nicht. In Galati sind die aufgelisteten Sehenswürdigkeiten mir entweder schon bekannt oder offensichtlich durch Werbung bezahlt. Schon ab Platz 9 sind bereits Spas und Läden für Glücksspiele auf der Liste. Auch die Empfehlung von den Restaurants betrachte ich mit Vorsicht. Die drei top bewerteten Restaurants probiere ich aus und werde nicht enttäuscht.

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1. Gehe in konzentrischen Kreisen um deinen Wohnort:

Ich gehe zum ersten Mal alleine aus der Wohnung und habe mir vorgenommen die nähere Umgebung zu entdecken. Als erstes fotografiere ich die Eingangstür der eigenen Wohnung und des Hauses mit der Adresse und schicke meinen Kindern den Standort via WhatsApp. Falls ich mich verlaufen sollte, kann ich so wieder zurückfinden. Mir fällt dabei auf, dass in Galati die Familiennamen nicht am Eingang stehen, sondern nur die Wohnungsnummern. Oft steht auch nicht die Haus- oder Blocknummer an dem Haus. Dies erschwert meine Orientierung. Ich versuche alles sehr bewusst wahrzunehmen und gehe langsam an der Hauswand entlang. Nach der ersten Hausecke erkenne ich große Mülleimer. In Galati wird Müll getrennt. Der Hausmüll wird in Tüten in drei großen nach oben offenen Behältern geworfen. Ein Container ist für PET und Plastikflaschen. Ein dritter Container für Papier und Pappe. Es riecht nur leicht unangenehm. Zwei Katzen streichen herum. Jemand hat ihnen eine kleine Schüssel mit Futter und Wasser hingestellt. Nur wenigen Personen begegne ich. Ich kann das Haus – oder soll ich besser schreiben den Block – nicht umrunden, da immer wieder andere Häuser als Hindernis im Weg stehen. Überall stehen Autos an der Straße, manchmal auch auf dem Gehweg. Ich gehe langsam weiter.

Der Geruch von warmen frisch gebackenen Brot steigt mir in die Nase. Eine Bäckerei? Ich sehe zwei weiße Lieferwägen mit einer Aufschrift, die ich noch nicht vollständig verstehe. Ein Wort „Paine“ kann ich lesen, d.h. Brot auf Rumänisch. An der Hausecke ist eine Art Verkauf. Ein Schaufenster und eine kleine Luke hinter der eine Verkäuferin steht. Man kann durch das Fenster verschiedene Brotsorten und süße Gebäckstücke erkennen. Patisserie ist auch vorhanden. Ich kaufe zwei Schokocroissants. Der Preis dafür ist glücklicherweise angeschrieben. Das Rumänisch der Verkäuferin verstehe ich nur sehr schwer. Am Schluss sage ich „La revedere“, d.h. „Auf Wiedersehen“, Sie antwortet lakonisch „La fel“, das gleiche.

Die Wohnblöcke sehen auf den ersten Blick gleichförmig aus. Kleinere Unterschiede, wie z.B. mal mit mal ohne Klimaanlage kann man von außen erkennen. Hier sind die Wohnblöcke nur bis zu 4 Etagen hoch, in anderen Stadtteilen können das aber auch schon mal 10-12 Stockwerke sein. Es gibt selten einzelstehende Häuser in Galati. In den Erdgeschossen der Plattenbauten sind kleinere Läden, Geldwechselstuben, Imbissstände, Friseure oder auch Arztpraxen. Mein erster Eindruck ist, dass das nähere Umfeld für mich nicht attraktiv, aber funktional ist. Es gibt viele Läden, wo ich den täglichen Bedarf für den Haushalt kaufen kann. Die Menschen wirken abweisend und unfreundlich. Vielleicht liegt es auch am Klima. Es ist Oktober und schon merklich früher dunkel und kälter als im Sommer.

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Wie erkunde ich eine fremde Stadt?

Mein Name ist Martin Schroetter und am 1. September 2022 musste ich mein Zimmer inmitten Deutschlands verlassen, da die Wohnung als einsturzgefährdet gilt und seitdem saniert wird. Seitdem wohne ich – mit meinen 59 Jahren – bei Freunden und Verwandten in verschiedenen Städten.

In jeder neuen und für mich fremden Stadt stellt sich für mich die gleiche Aufgabe: Wie erkunde ich eine fremde Stadt? Wie lebe ich mich ein? Wo kann ich alte Routinen oder Vorlieben wieder aufgreifen? Wo muss ich was Neues entdecken, weil das bisher Gewohnte nicht vorhanden ist?

Meine Freundin wohnt seit Oktober 2023 in Galati, Rumänien. Galati ist touristisch sehr schlecht erschlossen und liegt am unteren Lauf der Donau am Eingang des Donaudeltas im Südosten des Landes an der Grenze zu Moldawien.

Da Galati sich nicht mit seinen Sehenswürdigkeiten mir aufdrängte, musste ich diese selber entdecken. Ich habe dabei verschiedene Methoden und Techniken ausprobiert und möchte diese mit euch teilen. Vielleicht findet der eine oder die andere Leserin sie hilfreich. Parallel veröffentliche ich den Text in deutscher und rumänischer Sprache. Bei dem rumänischen Text hat mir mein rumänischer Freund aus Bukarest geholfen. Ihm danke ich hier noch einmal herzlichst!