Gestern habe ich mit meinem Bruder telefoniert. Es war sehr ermutigend für mich. Er liest regelmässig den Blog und verfolgt wohlwollend meine Wanderung.
Ich habe mein Ladegerät für meinen Laptop nicht mehr und der Strom reicht nicht mehr lange. Ich bin mitten in der Provinz und es war schon in Obernburg nicht möglich Zubehör zu kaufen. Heute morgen bin ich kurz davor mit der Westfrankenbahn nach Aschaffenburg über eine Stunde oder Crailsheim über 2 Stunden zu fahren, um dort eines zu kaufen und dann wieder an den E8 zu fahren. Der ganze Tag wäre mehr oder weniger vertrödelt. Ich suche im Internet, ob es vielleicht noch eine andere Möglichkeit gibt. Tatsächlich gibt es einen Elektronikladen im nächsten Ort, an dem die Bahn nur hält, wenn jemand das Stoppsignal drückt. Ich rufe um 8 Uhr an. Der Chef des Ladens meldet sich freundlich und hat erstaunlicherweise das Ladegerät auf Lager!
Beruhigt gehe ich los. Am Friedhof von Breitenbrunn begegnen mir zwei Männer vom Bauhof, die mit ihrem Fahrzeug etwas am Friedhof erledigen. Kurz denke ich darüber nach, ob sie mich das Stück nach Faulbach mit nehmen können. Aber ich lass es, der Morgen und der Weg nach Faulbach durch die Streuobstwiesen ist einfach zu schön. Und schon sehe ich wieder zwei der Milane von gestern.
In Faulbach begegne ich den Männern wieder. Diesmal leeren sie die Mülleimer am Mainufer. Ich begebe mich wieder auf den E8. An der nächsten Kreuzung: die Männer vom Bauhof. Einer der beiden trägt eine Sonnenbrille, wie sie damals zu Diskozeiten cool war. Er winkt mir. Ich winke zurück. Der Mann mit der Sonnenbrille spricht mich an, er denkt ich hätte mich verlaufen. Wir kommen ins Gespräch. Sie raten mir nach Hasloch nicht auf dem E8 zu wandern, sondern am Main entlang. Sie begründen die Empfehlung, dass der E8 nicht gemulcht und es am Main schöner sei. Ich lasse mich überreden. Sie fahren weiter. Und schon sehe ich sie an der nächsten Unterführung, deren Höhe sie ausmessen. Als ich dann am Mainfrankenweg aus Faulbach raus marschiere, kommen sie mir entgegen. Wenigstens meinen Rucksack hätte sie ja mitnehmen können. Sie winken mir wieder zu. Zum letzten Mal heute.
Ich wandere dann den Mainfrankenweg am Main entlang. Der Main ist schön. Die Fahrradfahrer nicht, sie fangen an mich zu nerven. Besonders diejenigen, die in größeren Gruppen fahren. Die meisten sind im Seniorenalter. Alle mit Funktionskleidung, Schutzbrillen und Helmen. Die Bikershop Mitarbeiter sind anscheinend gute Verkäufer. Ich bin der einzige Wanderer. Das nächste Mal werde ich die Wege mit Fahrradfahrern meiden.
In Hasloch finde ich den Elektronikladen. Der Laden ist modern eingerichtet. Der Chef ist nicht da, nur eine junge Verkäuferin. Am Anfang ist sie misstrauisch, später kommen wir gut ins Gespräch. Sie hat das Ladegerät da. Ich probiere es gleich aus. Netterweise darf ich das W-Lan benutzen. Ich lade meinen Blog vom gestrigen Tag hoch. Ich habe die ersten Rückmeldungen bekommen, Verwandte haben sich schon Sorgen gemacht, weil am Morgen nichts neues im Blog war. Ich bekomme eine Tasse Kaffee spendiert. Die Verkäuferin ist ursprünglich aus der Ukraine und nicht so jung wie ich ursprünglich dachte. Sie lacht, als ich sie darauf anspreche, und sagt, dass sie nachts immer im Kühlschrank übernachten würde, das hält frisch. Ich erzähle ihr von meiner Reiseroute. Sie rät mir eindrücklich davon ab, durch die Ukraine zu wandern. Bei der Einreise müsste ich 2 Wochen in Quarantäne und dann nochmal 2 Wochen, wenn ich nach Rumänien ausreisen würde. Da hat sie durchaus ein gutes Argument. Außerdem soll der E8 in der Ukraine nicht ausgeschildert sein.
Ich wandere weiter, diesmal wieder durch den Spessart. Es ist ein schöner Höhenwanderweg im Wald. Oben mache ich an einem Südhang Rast und wundere mich über terrassenförmige Anlagen, in denen aber alle möglichen Arten von Bäumen wachsen. Waren hier früher Weingärten, die später dann aufgegeben wurden und allmählich verwildern?
Ich komme aus dem Wald raus und laufe über Streuobstwiesen nach Wertheim. In Wertheim habe ich eine Unterkunft mitten in der Altstadt gefunden. Es liegt sehr idyllisch und ich kann hören, wie die Nachbarn sich über die Fenster auf fränkisch unterhalten. Die Stadt selber sieht aus wie aus dem Mittelalter und ist gut erhalten. Es sind viele Touristen da und auch die entsprechenden Geschäfte. Wertheim und seine Fußgängerzone in der Altstadt erinnern mich an die Drosselgasse in Rüdesheim, nur die Chinesen und Japaner fehlen. Dafür gibt es hier die Radfahrer.