Heute mittag bin ich mit einem ehemaligen Kollegen und seiner Frau in Tauberbischofsheim zum Mittagessen mit anschließendem Wandern verabredet.
Der Himmel ist bewölkt und eine frische Brise weht. Ich durchquere das schöne Gamburg und verlasse es an der Stelle von Burg Gamburg, einer sehr gut restaurierten Anlage in Privatbesitz. Gamburg gefällt mir gut und ich beschließe irgendwann mal dort zu zweit ein Wochenende zu verbringen.
Zuerst geht es aus dem Taubertal raus auf die Höhe. Oben angelangt bin ich zum ersten Mal durchgeschwitzt. Die umliegenden Berge sind flacher als der Spessart oder Odenwald und nicht so dicht bewaldet. So wechseln sich Streuobstwiesen, Felder und Wald ab. Mir gefallen die Blühstreifen, die neben den Feldern von den Landwirten angelegt worden sind. Zur Zeit blühen diese und es summt und brummt darin gewaltig.
Heute habe ich eine Termin. Zuerst bin ich versucht, schneller zu wandern, um ja den Termin zu halten. Ich besinne mich. Und wenn ich nicht so schnell bin, dann wird mich mein Kollege halt vor Tauberbischofsheim an einer geeigneten Stelle mit dem Auto abholen. Ich gehe ruhig weiter und achte auf meine Umgebung. Heute sind mehr Leute auf den Wanderwegen, wahrscheinlich weil Sonntag ist.
In Tauberbischofsheim findet mich mein Kollege dank der modernen Kommunikation- und Navigationswerkzeuge so gut wie ohne Verzug. Wir freuen uns, uns wiederzusehen. Mein Kollege hat mehrere Jahre bei mir ein- zweimal im Monat übernachtet, um Wegzeit zu sparen. Das hat zu einer beständigen Freundschaft geführt und wir verstehen uns gut.
Als erstes gehen wir in einem Gasthof essen. Ich werde eingeladen. Ein herzliches Dankeschön dafür! Am Schluß schafft es sogar mein Kollege den Abschlußkaffee for free zu verhandeln, da wir lange warten mussten. Das Warten war mir aber gar nicht so unrecht, weil wir schön Zeit zum Austausch hatten.
Danach gehen wir gemeinsam auf den E8. Beide sind interessierte und gebildete Wanderer. Die Frau meines Kollegen ist sogar Biologielehrerin und kennt sich gut mit Pflanzen und Tieren aus. So nutze ich einige Gelegenheiten sie zu fragen, was gerade so am Wegesrand steht oder welcher Falter uns grade umflattert. Für mich vergeht die Zeit wie im Flug. Mal unterhalte ich mich mit ihr, mal mit ihm, mal haben wir ein Gespräch zu dritt. Nach 5 Kilometern müssen die beiden leider wieder umkehren, um zum Auto nach Tauberbischofsheim zu wandern. Schade! Wir verabreden uns, im Oberallgäu mal eine Wandertour oder einen Klammdurchstieg zu machen.
Ich überquere die Autobahn in östlicher Richtung und mache an einem Wetterkreuz Rast. Dort sitzt bereits ein seniores Ehepaar, die aus Dortmund nach Tauberbischofsheim gezogen sind. Wir kommen ins Gespräch und die Frau fragt mich relativ schnell und direkt nach den „Leistungsparamentern“ meiner Wanderung. Ich bin irritiert und frage ihren Gatten, ob seine Frau immer so neugierig sei. Er antwortet mir, sie sei nicht neugierig, sondern wissbegierig. Aha. Sie interviewt mich weiter und ich frage ihn, ob seine Frau immer so wissbegierig sei. Er lacht und schweigt dann. Endlich erklärt sich die Frau, was sie so an meiner Wanderung interessiert. Sie möchte selber mit dem Fahrrad von Tauberbischofsheim nach Köln fahren, aber sie traut sich noch nicht so recht, weil es ihr zu teuer erscheint. Aha! Ich mache den beiden Mut, was die Dauer und die Kosten einer solchen Unternehmung betrifft. Am Schluß gibt sie mir ihre Adresse. Wir haben einen Deal. Falls ich das Schwarze Meer erreiche, schreibe ich den beiden eine Postkarte, die sie dann in Ehren halten werden. Und das Paar wird mit dem Fahrrad nach Köln fahren und meinen Vater besuchen und ihm schöne Grüße ausrichten von mir. Das haben wir uns in die Hand versprochen.
Es geht weiter durch Felder, Wiesen und Waldstücke. Inzwischen ist es schon fast 18 Uhr. So spät war ich bisher noch nie ohne Quartier. Ich erreiche Oberlauda. Keine Unterkunft und keine Busverbindung heute, die mich vielleicht in eine nahegelegene Stadt bringen könnte. Ich muss zu Fuß weiter nach Lauda. Ich bin müde. Ich verlasse den E8 und laufe zuerst an einer Landstraße entlang, später durch einen Vorort. Lauda ist eine hübsche mittelalterliche Stadt, die hervorragend in Schuss ist. Ich komme an einer Eisdiele vorbei und hole mir einen Eisbecher. Die Besitzerin gibt mir Tipps, wo ich eine Unterkunft finden könnte. Am Schluß kriege ich noch einen Maxi-Bananen-Milchshake. Ich muss an der Theke stehen bleiben, weil sie noch dreimal nachschenkt.
Am Ende des Tages habe ich Glück und erwische das letzte freie Zimmer der Stadt. Der Wirt klärt mich auf, warum die Herbergen hier so gut ausgelastet sind. Diesmal sind es nicht die Touristen, sondern Mitarbeiter der Deutschen Bahn, die hier regelmässig übernachten und 90% der Übernachtungsgäste stellen. So konnte die Gastronomie in Lauda bisher gut die Coronakrise überstehen. Alles ist voll ausgebucht bis Ende des Jahres. Ich bin froh, dass ich noch etwas gefunden habe.