Archive : Hesselberg

Vom Hesselberg in das Altmühltal: Hesselberg – Wassertrübingen – Heidenheim

Heute morgen steige ich vom Bildungszentrum direkt auf den höchsten Punkt des Hesselberges (689 Meter N.N.). Es gibt dort sogar ein Gipfelkreuz und Gipfelbuch, in das ich mich eintrage. Die Aussicht ist wirklich phänomenal. Sie geht rundum, also eine 360 Grad Ansicht des Vorlandes und der benachbarten fränkischen Alb. Ich bin begeistert. Die Alpen kann ich nicht sehen, dazu ist das Wetter im Alpenbereich zu diesig und bewölkt. Es lohnt sich trotzdem auf dem Gipfel zu sein. Vom Gipfelkreuz aus überquere ich eine große Wiese, fühle mich wie auf einer Almwiese in den Alpen und habe begleitend den Panoramablick nach allen Seiten. Liebe Leser, falls es euch mal in das ländliche Mittelfranken verschlagen sollte, besucht diesen Berg!

Von da ab geht es zuerst durch den Wald und dann über die Felder nach Wassertrübingen. Hier hole ich mir etwas zu trinken und zu essen. Der Ort selber gefällt mir nicht. Auf dem Weg sehe ich eine Fabrik von Schwarzkopf. Tatsächlich werden hier viele Haarpflegeprodukte hergestellt. Eine Straße ist sogar nach Martha Schwarzkopf benannt worden.

Nach der Stadt marschiere ich wieder durch den Wald, der mal licht und dann wieder sehr eng und dicht ist. Manchmal kommen dazwischen Felder. Einmal führt der Wanderpfad durch ein mehr als mannshohes Maisfeld, was mir das Gefühl eines amerikanischen Farmers gibt.

Wanderweg durch ein Maisfeld

Den ganzen Nachmittag lang komme ich an keiner menschlichen Behausung vorbei.

Drei Kilometer vor meinem Tagesziel lichtet sich der Wald und ich wandere über Wiesen und Feldern. Auf einmal sehe ich sieben Rotmilane. So viele dieser Vögel auf einmal habe ich noch nie gesehen. Ich phantasiere und stelle mir vor, dass sich zwei Milanfamilien treffen, um ihren Jungvögel -nach getaner Arbeit – das Rumfliegen beizubringen. Manche der Vögel kann ich von Nahem sehen.

Kurz bevor ich nach Heidenheim reinkomme, begegne ich einer Frau beim Nordic Walking. Wir kommen ins Gespräch und sie wird mein Sherpa für den Rest meines heutigen Weges. Sie führt mich direkt zum frisch renovierten Kloster in Heidenheim. In der Klosterschänke werde ich schon erwartet. Mein Sherpa ist keine gebürtige Fränkin, sondern kommt ursprünglich aus Wilhelmshafen und ist über den Umweg Köln in das Altmühltal gekommen, hat ihren Ehemann kennengelernt und lebt jetzt seit 16 Jahren in diesem idyllischen Ort.

Sherpa in Heidenheim

In der Klosterschänke werde ich schon erwartet und herzlich begrüßt. Eigentlich ist heute Ruhetag. Ich habe heute morgen angerufen und mir ein Zimmer reserviert. Auch mit der Empfangsdame komme ich gut ins Gespräch. Auch sie ist keine Einheimische, sondern kommt ursprünglich aus Sachsen und ist wegen ihrem Ehemann in Heidenheim geblieben.

Ich dusche mich und ziehe mir ein paar leichte Sachen an. Ich höre nebenan, dass die Pizzeria geöffnet hat. Ich gehe ziemlich ungelenk und wie auf rohen Eiern rüber und bestelle mir mein Lieblingsgericht. Die Bedienung ist sehr nett, duzt mich gleich und ich komme mit ihr gut ins Gespräch. Das hört sich jetzt schon ein bisschen bekannt an, gell? Auch sie ist nicht von hier, sondern kommt ursprünglich aus Thüringen. Auch sie hat hier einen Mann kennengelernt und lebt seitdem in Heidenheim. Heidenheim hat anscheinend einen Männerüberschuß, der sehr attraktiv auf auswärtige Frauen wirkt.

Echt originale Einheimische habe ich heute nicht kennengelernt. Aber vielleicht wird das morgen noch. In Heidenheim scheint die Welt in Ordnung zu sein und ich beschließe morgen einen Pausentag einzulegen.

Von der Romantischen Straße ins Vorland der südlichen Frankenalb: Dinkelsbühl – Obermichelbach – Hesselberg

Heute morgen durchquere ich Dinkelsbühls Altstadt und sehe überall Aktivitäten wegen der Kinderzeche in Coronazeiten. Ein Teil der Altstadt ist abgesperrt und man kommt nur mit vorreservierten Karten rein. Es findet ein Gottesdienst statt und viele Dinkelsbühler Erwachsene und Kinder kommen in Tracht zusammen. Schade, dass ich nicht mit dabei sein darf. Ich sehe überall Familien in Tracht, die in Richtung Altstadt laufen. Ich nehme mir vor, nächstes Jahr die Kinderzeche mit meinen Kindern zu besuchen. Vielleicht kaufe ich meinen Kindern auch Trachten, so wie die holländische Familie in Rothenburg. Ich freue mich schon auf das Gesicht meines Jüngsten, der das bestimmt voll uncool finden wird.

Ich verlasse die mittelalterliche Stadt und kann auf dem Wassergraben eine Entenfamilie beobachten. Ein wenig später sehe ich sogar einen Eisvogel. Auch der neue Teil der Stadt, den ich durchlaufe, ist sehr ansehnlich. In der 12.000 Einwohner Stadt ist anscheinend die Lebensqualität hoch.

Sobald ich die Häuser hinter mir habe, ist es schlagartig ruhig. Ich komme durch einen Buchenwald und staune. Mitten im Wald wird der Weg beidseitig von hohen und bestimmt 90-jährigen Buchen eingerahmt. Es wirkt wie eine Allee. Ich bin fasziniert von dieser Idee, im Wald eine Allee mit Bäumen zu gestalten und das vor ca. 100 Jahren! Die Erschaffer haben ihr Werk – so wie ich es heute sehe – nie selber erleben können.

Buchenallee bei Dinkelsbühl

Im Wald treffe ich einen Rentner, der auf einer Bank sitzt. Er wechselt seine Brille, als er mich nahen sieht. Er möchte mich genau sehen und bietet mir die Bank an. Ich verzichte und wir kommen ins Gespräch. Er kommt ursprünglich aus dem Münsterland und dem Ruhrgebiet und ist vor 24 Jahren nach Dinkelsbühl gekommen und geblieben. Schnell will er meine Leistung abfragen, wieviel Kilometer, wohin, wielange schon, etc. Ich lache und drehe den Spieß um und lasse ihn schätzen. Er kann anfangs richtig gut schätzen. Die Länge meines bisherigen Weges: 450 km. Als er mein Tagespensum mit 70 bis 80 Kilometer einschätzt, muss ich laut lachen. Es kommt raus, dass er das früher anscheinend geschafft hatte. Auch 300 Kilometer am Tag mit dem Fahrrad hatte er geschafft. Da war er schon am Limit, wie er gesteht. Ich denke mir still, kein Wunder, dass er irgendwann auch einen Herzinfarkt bekommen hatte. Seit seinem Infarkt macht er regelmässig am Vormittag einen Spaziergang durch den Wald und am Nachmittag dreht er eine Runde mit seinem e-Bike.

Ich muss leider den Wald verlassen. Heute ist es drückend warm und ich habe nur Landstraße vor mir und das kilometerlang. Ich habe nichts zu Trinken dabei und hoffe in Obermichelsbach etwas kaufen zu können.

In dem Ort werde ich von in Deutschland seltenen Tieren begrüßt: Alpakas! Eine Frau in Mittelfranken züchtet Alpakas, verkauft deren Wolle und macht Alpakaführungen. Alleine in diesem Dorf sehe ich fast 30 Tiere. Insgesamt hat sie anscheinend schon Hunderte, die an verschiedenen Standorten weiden. Die Alpakas sehen richtig süß aus, am Anfang halte ich sie noch für Jungtiere. Aber inzwischen denke ich, dass das nur so wirkte, weil sie frisch geschoren wurde. Vielleicht ist das eine Idee für meinen Ex-Schwager, seine Schafe gegen Alpakas einzutauschen.

Obermichelsbach wirkt sehr dörflich, hat aber 2 Gasthöfe. Einer hat am Montag sogar offen und ich bekomme meine Johannisbeersaftschorle. Für mich alleine will die Wirtin aber nichts kochen.

Es geht weiter, und schon wieder Landstraße. Ich mag die endlosen Landstraßen in der Sonne nicht. Immer wenn Bäume Schatten spenden, werde ich langsamer. Östlich von Dinkelsbühl im Vorland der südlichen Frankenalb ist es merklich flacher geworden und die Waldstücke verschwinden fast ganz. Mein Tagesziel der Hesselberg ist die ganze Zeit gut sichtbar vor mir. Der Hesselberg ist ca. 600 Meter hoch und ein Solitär in dieser Gegend. In der Gaststätte hat man mir erzählt, dass man von dort aus an einem klaren Tag die Alpen sehen kann. Heute jedenfalls nicht, aber vielleicht habe ich morgen früh ja Glück.

Der Anstieg auf den Hesselberg ist heute die letzte Anstrengung des Tages. Die letzten Kilometer des E8 laufen parallel zu einem geologischen Pfad. Der Berg bietet sich an, die verschiedenen Gesteinsschichten der letzten 12 Millionen Jahre zu veranschaulichen.

Heute habe ich eine besondere Unterkunft: Das evangelische Bildungszentrum Hesselberg. Für mich hat die Leitung netterweise eine Ausnahme gemacht und ich darf als Einzelgast übernachten. Die Einrichtung liegt sehr schön und man hat eine tolle Aussicht. Ich habe ein einfaches Zimmer mit Dusche und Bad, das reicht mir voll. Kein Fernseher, aber W-Lan. Passt, wie sie in Franken sagen. Um 18 Uhr bekomme ich sogar – zusammen mit einer Gruppe aus Bundespolizei und der Evangelische Seelsorge – ein warmes Abendessen. Ich werde separiert und eine Hälfte des Speisesaals ist nur für mich. Ich bin der einzige der vom Personal mit Namen angesprochen wird. Wie der Hesselberg im Vorland der Frankenalb bin ich heute auch ein Solitär der Coronazeiten im evangelischen Bildungszentrum.

Evangelisches Bildungszentrum Hesselberg