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Im Bayrischen Wald durch das Ilztal nach Passau

Um sechs Uhr werde ich von der bayrischen gemeinen Hausmücke geweckt. Ich spüre die zahlreichen juckenden Stiche, sie war offensichtlich schon ein paar Mal in der Nacht bei mir gewesen. Ich bin zu müde, um auf Mückenjagd zu gehen, aber schon zu wach, um gleich wieder einzuschlafen. Das Notzimmer hat keine Vorhänge und ich kann die Morgenröte sehen. Dann schlafe ich doch noch einmal ein.

Heute ist ein schöner und sonniger Tag. Ich verlasse Fürsteneck und wandere wieder zur Ilz runter. Der Weg geht immer auf der linken Seite der Ilz flussabwärts. Auf dem Goldsteig begegnen mir immer Tageswanderer, meistens Paare. Es scheint zu stimmen, was die Wirtin gesagt hat, September ist der beste Monat für die Gastronomie im Bayrischen Wald. Die Ilz und das Ilztal wird immer breiter, es ist wirklich ein wunderschönes naturbelassenes Flusstal. Der Weg läuft größtenteils durch Auwald immer in der Nähe des Flusses.

Heute habe ich Glück und sehe eine Wasseramsel, die immer wieder auf Steinen in der Ilz landet und sich dann ins Wasser stürzt. Die Wasseramsel macht den Fischen Konkurrenz um ihr Futter und wärmt sich immer mal wieder auf großen Flöussteinen in der Sonne auf. Auch drei Gänsesäger sehe ich, die pfeilschnell gegen den Strom mit dem Schnabel im Wasser auf Futterjagd gehen. Sie sind um einiges größer als Stockenten, die auch immer mal wieder auf dem Fluß zu sehen sind.

Der Goldsteig verläuft parallel zu Eisenbahngleisen. Ich erreiche den Ort Kalteneck und sehe einen Bahnhof. Der Zug verkehrt im Ilztal nur am Wochenende und wird mit ehrenamtlichen Mitarbeitern betrieben. Es hängt ein Fahrplan aus. Schade, heute ist Dienstag. Ich wär jetzt echt gern ein bisschen mit der Bahn gemütlich durch das Ilztal gefahren. Das ist bestimmt total romantisch. In Kalteneck bin ich mir unsicher, was den richtigen Weg betrifft. Netz habe ich auch keines mehr. Geht es jetzt rechts oder links an der Ilz nach Passau? Ich entscheide mich, weiter auf der linken Seite zu bleiben.

Nach ein paar hundert Metern stehe ich vor einer Wegsperre. Schon wieder Holzfällarbeiten! Ich drehe um und will zurückgehen. Dann fällt mir ein, dass der Weg ja parallel zur Bahnlinie verläuft. Wenn ich jetzt einfach die Bahngleise langlaufen würde und die Wegsperrung umgehe? Ich zögere, wegen der mögliche Gefahr. Aber dann: Die Bahn fährt ja schließlich nur am Wochenende. Und schon laufe ich auf den Gleisen flussabwärts. Jetzt komme ich mir ein bisschen vor wie ein amerikanischer Hobo; Wanderarbeiter, die an den Gleisen entlanggelaufen und schwarz mit Güterzügen kreuz und quer durch die Staaten gefahren sind. Bald wechsle ich wieder auf den Wanderweg und bleibe aufmerksam, falls die Holzfäller noch vor mir sind. Ich laufe weiter bis ich wieder auf ein Hindernis stosse. Bäume liegen quer über den Weg. Jetzt ist wirklich kein Wunder mehr, dass mir niemand begegnet. Dieses Hindernis kann ich einfach umgehen.

Es wird Nachmittag und allmählich kriege ich Appetit. Ich bin bisher ohne Pause gelaufen. Im nächsten Ort verlasse ich den Weg, weil ich einen Wegweiser zu einer Pizzeria sehe. Ich überquere den Fluß über eine Brücke. Aber der Gasthof hat heute Ruhetag und ich muss wieder umkehren. Dabei komme ich an einer Bushaltestelle vorbei. Eine Frau sitzt dort. Ich frage sie, auf welchen Bus sie wartet. Sie antwortet, nach Passau, wenn der Bus denn endlich käme. Ich denke kurz an meine Tante, sie würde jetzt sagen: „Was will dir das Universum sagen?“ Ich verstehe die Botschaft so, dass ich mit dem Bus den Rest der Strecke nach Passau fahren, einen Herberge finden und in aller Ruhe meinen Pausentag starten soll. Kaum ist meine Überlegung fertig, kommt auch schon der verspätete Bus und ich steige ein.

Im Bayrischen Wald durch das Ilztal: – Schloß Fürsteneck

Heute sehe ich früher auf als sonst. Heute habe ich einen Termin für eine Videokonferenz mit meiner experimentellen virtuellen Trainingsgruppe. Wann? 15 Uhr Wo? Weiß ich noch nicht, irgendwo an der Route, wo es ein W-Lan gibt. Ich breche auf. Zuerst geht es die Anhöhe hoch durch den Ort Saldenburg. Alles ist ruhig. Ich begegne in dem Ort keine Menschenseele. Saldenburg hat einen kleinen See, wo man schön baden kann. Heute nicht. Ich habe einen Termin. Der größte Teil der Strecke geht leicht bergab.

Zuerst wandere ich durch den Wald immer den Markierungen des südlichen Goldsteigs entlang. E8 und Goldsteig laufen ab den Saldenburger See gemeinsam. Sonst wäre ich echt aufgeschmissen. Kurz hinter Saldenburg habe ich schon keinen Empfang mehr und das bleibt so bis zu meinem Tagesziel. Es geht solange durch Wald, Felder und kleine Ortschaften bis ich den Ursprung der Ilz erreicht habe. Drei Bäche fließen zusammen und bilden die Ilz, die „schwarze Perle“ unter den Flüssen Deutschlands. Die Ilz ist eines der letzten Wildwassergebiete in Deutschland. Der Wanderweg geht mehr oder weniger dem Fluß entlang. Es soll hier Flussotter geben. Das wäre schon toll, wenn ich eines dieser seltenen Tiere sehen könnte.

Kurz darauf sehe ich ein Schild: Gasthof Schrottbaummühle hat am Montag Ruhetag. Mist! Das wäre der erste Gasthof gewesen, wo ich versuchen wollte, ein Zimmer mit W-Lan zu kriegen. Jetzt haben die Ruhetag. Kein Wunder, dass ich heute morgen niemand telefonisch erreicht habe. Ich ziehe das Tempo a,n ohne dabei die Schönheit des Flusstales ausser Acht zu lassen. Gar nicht so einfach, obwohl ich heute quasi wie von selbst laufe. Der Boden ist schön weich, fast federnd, da viele Fichten- und Tannennadeln auf dem Boden liegen. Es macht Spaß.

Ich erreiche die Schrottbaummühle. Ein paar Camper sehe ich, sonst niemanden. Der Gasthof hat tatsächlich Ruhetag. Ich schaue auf die Uhr. Fürsteneck ist meine nächste Möglichkeit. Hoffentlich haben die nicht auch heute Ruhetag. Ich schaue mir die Wanderkarte an und überlege, ob es vielleicht noch andere Alternativen gibt. Inzwischen ist es 13 Uhr. Eine Familie mit Hunden kommt um die Ecke gebogen und warnt mich vor Baumfällarbeiten, die auf dem Weg gerade geschehen. Ich überlege, wenn ich da auch noch aufgehalten werde, dann kann ich mir das virtuelle Treffen heute abschminken.

Ich versuche es trotzdem. Kurz nachdem ich wieder auf dem Weg bin, sehe ich drei Vögel flußaufwärts schwimmen. Ich vermute, dass es Gänsesäger sind. Auf jeden Fall habe ich diese Vogelart noch nie gesehen. Es sind zwar keine Fischotter, ich bin trotzdem glücklich, diese Vögel beobachten zu können.

Jetzt aber weiter. Tatsächlich komme ich schon bald an eine Wegsperrung, die vor Baumfällmaßnahmen warnt. Ich kann die Kettensäge hören und tatsächlich kracht gleich daran ein Baum am Hang hinunter. Ich überquere die Absperrung und schaue nach dem Baumfäller. Ich kann ihn relativ schnell sehen, da er eine auffällige Schutzkleidung trägt. Nach ein paar mal Hallo rufen, wird er aufmerksam auf mich und winkt mich durch. Schnell durchquere ich den abgesperrten Wegbereich.

Gegen halb zwei bin ich nur noch einen halben Kilometer von Fürsteneck entfernt. Bisher ging es immer schön an der Ilz entlang. Jetzt geht es auf einmal steil den Hang hoch. Mist, auch das noch! Ich versuche, den Weg hochzugehen ohne viel an Tempo zu verlieren. Um 13:45 bin ich oben angelangt und sehe das Schloß Fürsteneck vor mir.

Ein Schild meldet mir: „Dienstag Ruhetag“. Ok, also offen haben sie, ich betrete das Schloß über die Brücke und finde über den Schloßplatz den Gasthof. Zuerst beachtet mich niemand und ich frage mich zur Rezeption durch. Das Mädchen an der Rezeption gibt mir dann die Auskunft, dass alle Zimmer belegt seien, sie aber noch die Chefin fragen könnte. Ein paar Minuten später ist die Chefin da und ich erläutern ihr meinen Wunsch: Ein Bett – W-Lan – Dusche. Auch sie erklärt mir, dass alle Zimmer belegt seien. Aber sie hat noch ein Zimmer für Notfälle, das direkt hinter der Rezeption und neben der Waschküche liegt. Ich sage sofort zu.

Jetzt bin ich erleichtert, es scheint doch noch mit meinem Termin pünktlich zu klappen. Die Wirtin zeigt mir das Zimmer. Auf einem Bett steht ihr schwarzer Schmuckkoffer. Ich muss lachen und sie zeigt mir ihren Schmuck. Ein – oder zweimal hat sie sogar schon was aus diesem Kasten auf Märkten verkauft. Sie packt den Koffer weg und beauftragt einen der Angestellten, dass Zimmer sauber zu machen. Ich muss solange warten und beschließe etwas zu essen, solange die Küche auf hat.

Im Speisezimmer funktioniert das W-Lan nicht und es gibt auch keinen Empfang. Echt jetzt?! Ich frage bei der Wirtin nach. Die Wirtin erklärt mir, dass die Mauern im Schloß so dick sind, dass das W-Lan nur in einigen wenigen Zimmer funktioniert würde. Die gute Nachricht: Das Notzimmer hätte sogar mit den besten Empfang. Na, hoffentlich stimmt das. Ich esse in Ruhe und gehe danach das W-Lan auf meinem Zimmer ausprobieren. Es funktioniert. Ufff!! In aller Ruhe gehe ich in der Waschküche duschen und bin 5 Minuten vor dem Termin in der Konferenz.

Das Treffen mit meinen Gruppenmitgliedern ist dann sehr kurzweilig, spannend und interessant. Um 18 Uhr beenden wir das virtuelle Treffen.

Ich schaue mir das Schloß ein bisschen an, das in seiner Geschichte noch niemals eingenommen wurde und als „unbesiegbar“ gilt. Die Lage hoch über der Ilz ist auf jeden Fall traumhaft. In meinem Zimmer kann ich den Fluß rauschen hören.

Morgen geht es nach Passau und dann lege ich einen Pausentag ein.