Es hat sich ein Sponsor für meine Wanderung gemeldet und mir bereits eine ordentliche Summe überwiesen. Hurra! Ich freue mich riesig und danke dem edlen Spender herzlich!
Heute morgen bin ich in der Römerstraße in Obernburg gestartet, dann an der Kirche St. Peter und Paul vorbei. Der mittelalteriliche Kirchturm ist gut erhalten, aber das Kirchenschiff ist aus der Mitte des letzen Jahrhunderts und hat ein 12-giebliges Dach mit großen bunten Fenstern, ein gepflasterter Weg führt in dieses Gebäude. Die Architektur finde ich sehr angenehm und erinnert mich an die Werke der Familie Böhm aus Köln und Neviges. Bei dem Namen der Kirche fällt mir immer wieder ein, dass mein Vater katholisch getauft, aber evangelisch konfirmiert wurde.
Von dort aus geht es auf eine Brücke über den Main. Es ist frisch und bewölkt. Das ist mir inzwischen das liebste Wanderwetter. Zuerst geht es durch einen Ort bis zum Beginn des Spessarts und von da ab durch den Wald. Fand ich die Beschilderung für den E8 im Odenwald schon gut, finde ich die in Mainfranken noch besser. An fast jeder Weggabelung finde ich das Zeichen. So komme ich gut voran. In Bayern sind auch viel mehr Wanderer unterwegs: alleine, in Paaren oder in Wandergruppen. Die meisten begegnen mir freundlich und interessiert und es kommt zu kurzen Begegnungen. So viele Wanderer habe ich in den letzten 12 Tagen insgesamt nicht gesehen.
Eine Begegnung möchte ich teilen: ein 82-jähriger Mann kommt mir entgegen. Mir fällt auf, dass er einen richtigen Wanderhut trägt und auch sonst gut ausgerüstet ist, er hat aber keinen großen Rucksack bei sich. Er mustert mich aufmerksam und nach einer kurzen Begrüßung fragt er mich, ob ich weiter wandern würde als nur einen Tag. Wir kommen ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass er nach seiner Verrentung zwei Fernwanderungen durch Europa alleine unternommen hatte. Einmal von Polen auf dem Jakobsweg nach Santiago di Compostella und ein zweites Mal von Schleswig-Holstein nach Rom. Seine Augen sind wach und funkeln und am liebsten würde er mit mir auf den E8 nach Osten wandern. Aber er fühlt sich körperlich zu schwach. Inspiriert ziehe ich weiter.
Der Mainfrankenweg und der E8 laufen teilweise parallel und sind hier ein Höhenwanderweg. Ich komme auf die bisher schönste Strecke. Ein Höhenwanderweg entlang des Mains bis Klingenberg. Die Aussicht ist fantastisch und begleitet mich den ganzen Weg. Ich kann den Main, die anliegenden Ortschaften, den Odenwald und das Umland sehen. Ich kann das Maintal hören. Laute Motorengeräusche erfüllen das ganze Tal. Alles wirkt sehr lebendig und emsig. Am Weg entlang sind immer wieder modern gestaltete Aussichtsplattformen und es geht durch die Weinberge. Immer wieder zeigen Schilder, was es alles interessantes zu sehen und zu wissen gibt. Offenbar verkaufen auch die Winzer immer wieder ihren Wein an diesem Weg. Ein echter Luxuswanderweg mit lokaler Weinversorgung! Das würde meinem Vater bestimmt gut gefallen.
An der Ruine Clingenberg mache ich Rast. Der dortige Gasthof hat heute Ruhetag. Es gibt eine Terrasse von der man aus gut in das Maintal gucken kann. Ich esse ein bisschen was, lege mich dann auf eine Bank, mache ein Nickerchen und lasse mich von den relativ vielen Touristen nicht stören.
Von dort aus geht es wieder durch den Spessart zuerst runter ins Tal, über eine Landstraße und dann bergan durch den Spessart dem Main aufwärts folgend. Die letzten Kilometer sind immer diejenigen, die mich am meisten anstrengen.
Ich erinnere mich daran, dass ein ehemaliger Kollege in Kleinheubach auf der anderen Mainuferseite wohnt. Ich frage ihn per email, ob er Lust hat, sich mit mir heute Abend zu treffen. Er hat Zeit und Lust!
Kurz vor Oberheubach werde ich noch einmal mit einem tollen Panorama auf Großheubach, Main und Kleinheubach belohnt. Komisch, aus den Erzählungen meines Kollegens hatte ich immer geschlossen, dass es sich um ein kleines verschlafenes fränkisches Bauerndorf handeln müsste, in dem sich eine Firma für Patisserie angesiedelt hatte. Was ich sehe, ist aber viel größer, es gibt ein Schloß, viele Firmen, es ist viel Verkehr und die ganze Stadt brummt und lärmt, so lebendig ist sie.
Mein Kollege muss später herzhaft lachen als ich ihm von meinen enttäuschten Phantasien über seinen Heimatort erzähle.