Heute ist der fast 80-jährige Wirt wieder derjenige, der alles macht: Service – Empfang – Rezeption -Küche. Wie schon gestern Abend. Ein Gast fragt ihn, ob er alles allein machen muss. Er antwortet mit: „Nein, manchmal mache ich auch eine Pause.“ Später erzählt er mir, dass seine deutsch-brasilianische Ehefrau eine Woche vor dem Lockdown nach Brasilien gereist ist und nicht mehr zurückkommen darf. Seitdem macht er den Laden alleine.
Am Anfang laufe ich durch die Altstadt von Wertheim quer über den Marktplatz. Überall sind Andenken- und Kunst-Stände aufgebaut und es sind schon einige Touristen da, die in den verschiedenen Cafés ihr Frühstück einnehmen. Es geht hoch in Richtung Burg Wertheim. Die ursprüngliche Route des E8 kann ich nicht gehen, da auf dem Weg liegende Terassenbauten baufällig sind. Ich muss einen Umweg laufen, direkt an der Burgruine vorbei. Sobald ich Wertheim verlasse, bin ich wieder allein. Es geht steil den Berg hinauf durch den Wald. Als ich auf der Berghöhe angekommen bin, geht es auf einem Höhenweg weiter. Der Bergrücken ist schon fast wie ein Hochplateau, eben und breit. Ich komme durch Wiesen und Felder an einem Hof vorbei. Vor 12 Uhr steige ich in den Ort Reicholzheim an der Tauber ab. Hier kaufe ich mir eine Brotzeit. Danach geht es wieder hoch auf den Bergkamm. Es geht an einen Wald vorbei. Das Wetter ist sonnig, aber immer wieder kommt eine frische Brise auf. Der Wald ist abwechslungsreich und teilweise verwildert.
Der E8 führt an dem Kloster Bronnbach vorbei, einem ehemaligen Zisterzienserkloster, das jetzt für Schulungen und Seminaren genützt wird. Ich finde es gut, dass der E8 solche Sehenswürdigkeiten auf der Route berücksichtigt. In den Biergarten der Klosterschänke gehe ich nicht, fast alle Tische sind mit Radlern besetzt. Ich besichtige das Kloster. Es ist ein altes Kloster, das in der gotischen Zeit gebaut wurde, dann im Barock und Rokoko seine Ausgestaltung erlebte. Alles ist großzügig angelegt. Das Kalefaktorium gefällt mir. Die Wärmestube der Mönche ist jetzt ein Kaminzimmer, in dem verschiedene Sitzgelegenheiten, Couchtische und Sofen stehen. Ich setze mich auf einen der überraschend bequemen Sitzgelegenheiten. Es ist angenehm kühl und ich werde schläfrig. Ich schlafe ein. Später weckt mich eine Mitarbeiterin, die etwas aus dem Raum holt. Sie beruhigt mich und empfiehlt mir, mich nicht stören zu lassen.
Nach dem Kloster geht es wieder auf die Berghöhe in den Wald und ich erreiche am Ende des Nachmittages mein Tagesziel Gamburg an der Tauber. Ein sehr idyllischer Ort mit Gänsen, die den Rasen vom Fußballplatz kurz halten und Kindern, die im Fluß baden. Die Gänse rufen auch Nachts immer wieder, ansonsten ist alles ruhig.
Ich habe Glück und kriege im ersten Gästehaus „Haus Martin“ das gelbe Zimmer. Eigentlich war das Zimmer reserviert, wurde aber heute vormittag kurzfristig storniert wegen Corona. Die Wirtin bietet mir Kirschen an. Bald ist die Kirschenzeit in der Region vorbei. Immer wieder habe ich in den letzten Tagen von Kirschbäumen am Wegesrand genascht. Heute waren sie besonders süß und überreif. Ich freue mich über die angebotenen Süßkirschen und esse sie alle auf.
Ich tausche mich mit einem ehemaligen Kollegen aus. Wir verabreden uns morgen zum Mittagessen und planen dann mit seiner Frau gemeinsam ein Stück des Weges zu laufen. Ich bin schon gespannt, wie das gemeinsame Wandern wird.