Archive : Liebnitzmühle

Im Waldviertel: Dobersberg – Karsten – Liebnitzmühle

Es verspricht heute sehr warm zu werden. Ich breche um 7 Uhr früh auf und muss nach 10 Minuten entnervt wieder umkehren. Habe ich tatsächlich eine Wegmarkierung übersehen? 10 Minuten später bin ich schlauer: die Wegmarkierung nebst Pfosten wurde abmontiert und ins hohe Gras geworfen. Ich ärgere mich über den Vandalismus, der mich 20 Minuten gekostet hat.

Ab dann kann ich wieder dem gut ausgeschilderten Weg folgen. Anfangs sehe ich einige Feldhasen und auch eine Ricke mit ihrem Kitz, die in hohen Sprüngen vor mir durch die Felder davon hüpfen. Insbesondere die Rehe erinnern mich so an die afrikanischen Antilopen. Es geht zuerst durch ein paar kleinere Dörfer und immer auf Landstraßen. Es fängt an richtig heiß zu werden. Eine Bäuerin, die auf dem Feld arbeitet, grüßt mich und beschließt, dass es heute zu warm sei, um weiterzumachen.

Zwei Wegstücke sind nicht so gut markiert. Dichter Brennnessel-, Brombeeren- und Springkrautbewuchs haben ein undurchdringliches Dickicht entstehen lassen. Fast hätte ich die Abzweige übersehen. Aber heute war schon jemand vor mir da und hat eine klar erkennbare Spur hinterlassen: das Großelternpaar aus dem österreichischen Rohrbach. Dankbar nehme ich den gebahnten Weg auf, ich kann sogar sehen, wo die Teleskopstöcke den Boden getroffen haben. Mit Sympathie denke ich an die beiden. Trotz der Bahnung werde ich immer wieder von Brennnesseln getroffen, so dass ich am Ende an allen freien Hautstellen rote Bläschen habe. Auch mein rechtes Auge hat etwas abbekommen und schwillt leicht an.

Im Ort Karlstein kaufe ich mir etwas zum Trinken im Supermarkt und mache Pause. Dann geht es wieder auf die Landstraße und durch das Dickicht. Immer wieder wechsle ich die Flußseite, es ist ein ständiges Auf und Ab. Endlich komme ich in Liebnitz an und erreiche die Liebnitzmühle. In einer Wohnanlage wohnt meine Kollegin mit ihrer dreijährigen Tochter, die gerade ihren Mittagsschlaf hält.

Wir begrüßen uns herzlich und ich staune, wie sie sich schon rein äusserlich verändert hat. Dann gibt es Wasser und Kaffee zu trinken. Wir nutzen die Zeit,  solange die Kleine schläft, und tauschen uns aus, was in den letzten 4 Jahren wichtiges im Leben des anderen passiert ist. Auch dem Zufall zollen wir Beifall: dass sie im letzten Jahr von Wien genau hierher gezogen ist nur 200 Meter vom E8 entfernt und genau heute auch Zeit für mich hat. In den nächsten Tagen fährt sie mit ihrer Tochter für drei Wochen weg.

Als die Tochter wach wird, gehen wir zusammen an die Thaya. Die Bewohner haben ein Floß gebaut und an einem über die Thaya gespannten Tau befestigt. Das finde ich natürlich als alter Wassermann toll! Ein Paar schwimmt bereits im Fluß. Wir steigen auf das Floß und bald unterhalten wir uns mit dem Paar. Ich kann nicht widerstehen und nach kurzer Rückfrage springe ich nackt in die Thaya. Das Wasser ist an der Oberfläche warm und erst tiefer erfrischend kalt. Wie schön ist doch Flussschwimmen. Die Thaya fließt hier sehr langsam und es ist gar kein Problem auch gegen den Strom zu schwimmen.

Später zeigt mir meine Kollegin ein kühles Gästezimmer. Super! Die Kleine und ich spielen dann ihr Lieblingsspiel Toitoi und später muss ich dann noch Bilder von meinem Handy zeigen. Am meisten interessieren sie die Tierfotos, wie Enten, Katzen und Hunde. Sie hat süsse Locken und ist total herzig, auch zeigt sie viel Geduld mit mir, wenn ich schon wieder schreckhaft zusammenzucken, wenn aus dem Spiel das Geräusch von fallenden Konservendosen ertönt.

Als wir hungrig werden, fahren wir mit dem Auto nach Raabs zum Essen. In einem schattigen Biergarten bestellen wir dann lokale Gerichte. Aber erzählen ist natürlich noch viel interessanter: Gruppendynamik ist das Hauptthema, dann Zukunftspläne. Zu meiner Überraschung kommt dann auch noch das Thema Kryptowährungen auf. 

Beim Essen mache ich dann eine unangenehme Überraschung: 2 Schrottkugeln haben den Weg in mein Essen gefunden und ich merke es erst als ich draufbeiße. Nach einer Reklamation bekommen wir dann die Desserts auf Kosten des Hauses. Wieder zurückgekehrt, sitzen wir noch mit ein paar sehr netten Hausbewohnern und Gästen (auch das Paar vom Fluß ist dabei) auf der Veranda und unterhalten uns bei Aperol Spritz und Bier über alles mögliche (leider auch wieder – aber nur kurz – über Kryptowährungen.) Es ist ein harmonischer Tagesausklang in einer idyllische Anlage mit Blick auf die Thaya. Hier lässt es sich aushalten!

Beim Zubettgehen entdecke ich, dass ich einen Sonnenbrand bekommen habe.