Archive : Rote-Flieger-Weg

Auf der Frankenhöhe: Wachsenberg – Windelsbach – Hornau – Marktbergel

Heute Nacht hat es stark geregnet. Als ich loslaufe ist es bewölkt, frisch und die Luft ist klar. Nach gestern eine echte Wohltat. Zuerst geht es parallel zur A7. Ich kann die Autobahn nicht sehen, aber das Hintergrundgeräusch begleitet mich eine Zeitlang.

Ich bewege mich auf einem breiten Berg: der Frankenhöhe. Es geht schnurgerade durch den Wald und ich kann den Weg relativ weit voraussehen. Es kommen immer wieder Radfahrer vorbei.

Weg auf der Frankenhöhe

Aber auf einmal sehe ich am Ende des erkennbaren Weges eine Gestalt auf mich zukommen. Zuerst noch klein und dann immer größer werdend. Schon bald kann ich die Gestalt erkennen: ein Weitwanderer kommt mir entgegen. Leicht zu erkennen an einem großen Rucksack, der Isomatte und einer Art Laken oder Handtuch, das zum Trocknen am Rucksack gebunden ist. Er ist der erste einzelne Weitwanderer, der mir auf meiner Tour begegnet. Ich begrüße ihn und wir tauschen uns kurz über Ziel und mögliche Unterkünfte aus. Er kommt ursprünglich aus Berlin und hat einen Familienurlaub in Franken genutzt, um von dort aus wandern zu gehen. Sicher ist er sich über sein Wanderziel noch nicht. Er verabschiedet sich auch relativ schnell wieder von mir. Er möchte gerne alleine sein und weiterwandern.

Als ich den Ort Windelsbach erreiche, kann ich die Autobahn nicht mehr hören. In Windelsbach gibt es ein erstaunlich großes Schloß für die kleine Größe des Dorfes. Mein verstorbener Schwiegervater hat immer gesagt: „Wo es große Schlösser gibt, gibt es nur arme Bauern.“ Hier scheint das nicht zu stimmen. Die anderen Häuser im Dorf sind auch sehr groß und sehen sehr gut aus. Immer wieder komme ich an kleinen Teichen und Seen vorbei. Beim Verlassen von Windelsbach komme ich an einem größeren See vorbei.

Schloß Windelsbach

Von oben auf der Frankenhöhe habe ich einen sehr weiten Panoramablick, der leider immer wieder von einzelnen Bäume gestört wird (siehe Beitragsbild).

Nach der Frankenhöhe geht es steil runter ins Tal der Aisch nach Marktbergel, wo ich Unterkunft finde. Auf dem Weg runter finde ich kurioserweise frische Hähnchenschenkel. Wer die da bloß hingelegt hat? Und wozu?

Hähnchenschenkel am Roten-Flieger-Weg

Vom Taubertal ins Frankenland: Schonach – Rothenburg ob der Tauber – Wachsenberg

Als ich Schonach verlasse und die Straße vor mir sehe, muss ich – wie fast jeden Morgen – an das Lied „That Lonesome Road“ von James Taylor denken. Dann summe ich oder singe es teilweise so 500 bis 600 Meter weit.

Heute vormittag laufe ich an der Wetterscheide entlang in Richtung Südosten. Links von mir kann ich eine geschlossene Wolkendecke sehen, rechts von mir ist es sonnig und leicht bewölkt. Es geht wieder durch kleine landwirtschaftlich geprägte Ortschaften, Felder, Streuobstwiesen und kleinere Waldstücke. Inzwischen ist es leicht hügelig geworden, kein Vergleich mit den Höhenunterschieden wie im Spessart oder Odenwald, es wird immer flacher. Nur wenn ich in das Taubertal absteigen und danach wieder aufsteigen muss, habe ich eine nennenswerte Steigung. Ich komme gut voran. Mittags mache ich Rast an einer Bank mit schöner Aussicht ins Taubertal. Ich bin auf der sonnigen Seite, aber heute weht ein sehr kräftiger, ja fast stürmischer Wind, so macht mir die Hitze nichts aus.

Blick ins Taubertal

Ich nähere mich Rothenburg ob der Tauber. Zuerst durch ein neues Wohngebiet, dann stehe ich vor der alten Stadtmauer. An dieser Stelle wurde eine Kirche als Teil der Stadtmauer gebaut. Ich gehe durch den Torbogen in die Stadt. Rothenburg ist eine sehr gut erhaltene mittelalterliche Stadt und dafür weltweit sehr bekannt.

Kirche als Teil der Stadtbestigungsanlage

Ich begegne vielen Touristen und sehe zum ersten Mal seit Corona wieder asiatische Besucher, wie z.B. Indern. Kurz überlege ich, ob das schon Touristen aus den Herkunftsländern sind oder ob es sich um welche handelt, die in Europa leben und arbeiten. Wahrscheinlich eher letztere.

Ich merke, dass ich so viele Touristen nicht mehr gewöhnt bin. Vor 40 Jahren hatte ich mal per Zufall Rothenburg besucht. Das war damals alles noch sehr beschaulich gewesen und wir waren fast alleine als Fremde in der Stadt. Inzwischen ist die Stadt eine einzige große Touristenfalle geworden. Dort sind die Gläser in den Gastwirtschaften kleiner als sonst in Franken üblich, dafür dann aber doppelt so teuer. Das Stück Torte, das ich mir kaufe, ist von der Größe her eher ein Probierstück. Es schmeckt gut, aber in Bad Kreuznach schmeckt die Torte auch sehr gut, dafür sind die Stücke aber doppelt so groß.

In einem schönen Café am Marktplatz lerne ich eine sehr sympathische holländische Familie aus Delft kennen. Sie machen eine Woche Urlaub in Deutschland. Drei Tage in Rotenburg und Umgebung, um die Romantik zu finden, und drei Tage im Schwarzwald, um wahrscheinlich die Ruhe zu bekommen. Die holländische Familie ist voller angefachter Konsumfreude, wie unsere heimische Wirtschaft bestimmt schon festgestellt hat. Heute sind sie u.a. einem begabten Trachtenverkäufer in die Hände gefallen. Zuerst hat er die 18 Monate alte Tochter eingekleidet. Sie sieht wirklich supersüß damit aus! Als nächstes war dann die Mutter dran. Auch sie ist im Dirndl ein echter Hingucker! Last man Standing war der Vater, der sich schließlich auch seinem Schicksal ergab. Eine Lederhose aus feinstem und weichem Ziegenleder und ein weißblaues Hemd sind das Ergebnis. Ob er damit auch so fantastisch aussieht wie seine weiblichen Familienmitglieder, kann ich leider nicht feststellen. Er hat beide Kleidungsstücke nicht angezogen und diese in einer Einkaufstüte dabei, die er mir dann auch zeigt.

In einem Café in Rothenburg

Ich fliehe aus Rothenburg durch das Galgentor. Hier verlasse ich den E8 für ein paar Tage und wechsele auf den Roten-Flieger-Weg. Dieser Weg wird mich nach Neustadt an der Aisch führen. In einem kleinen Dorf in diesem Landkreis werde ich am Montag meinen jüngsten Sohn treffen und ein oder zwei Tage mit ihm verbringen. Mein Sohn hilft seinem Onkel in der Landwirtschaft für eine Woche.

Nach dem Galgentor beginnt wieder die neuere Stadt. Ich folge der Straße geradeaus. Die Häuser entlang der Straße werden schnell einfacher und kleiner. Bald bin ich auf einem Weg, der durch Felder führt bis zur Autobahn A7. Dabei komme ich an der europäischen Wasserscheide vorbei.

Europäische Wasserscheide

Nach einer Unterführung gelange ich zum Ort Neusitz. In einer Gastwirtschaft bekomme ich etwas zu Essen und kann dabei mithören, wie der Wirt mit einem jungen Mann bespricht, wie seine Zimmer neu eingerichtet werden sollen. Endlich mal ein Gastronom der den gesenkten Mehrwertsteuersatz zur Ankurbelung der heimischen Wirtschaft zu nutzen weiß.

Von Neusitz aus geht es noch einmal die Anhöhe hoch nach Wachsenberg. Dort finde ich Quartier für die Nacht. Entfernt kann ich die A7 hören. Ansonsten ist der kleine Ort sehr idyllisch gelegen mitten im Wald. Ich bin der einzige Gast.