In der Nacht hat es wieder gewittert und geregnet. Aber am nächsten Morgen ist es wieder schön. Eigentlich will ich heute einen Pausentag einlegen, aber irgendwie ist mir die Stadt unsympathisch. Als sich dann herausstellt, dass alle Führungen durch die Kellergewölbe ausgebucht sind, gehe ich kurzentschlossen wieder wandern.
Bis zum Hauptplatz in Retz ist der E8 sehr gut beschildert. Aber ab diesem Punkt wird es sehr sparsam bzw. geizig. Die E8 Marken tauchen nur noch 2-3 mal auf und auch die Markierungen des Ostösterreichischen Fernwanderweges 07 sind eher selten. Immer öfter muss ich die Beschreibung von dem Weitwanderführer und den Kompass zu rate nehmen.
Nach einiger Zeit bin ich wieder in meinem Trott und komme gut vorwärts. Das Panorama überrascht mich positiv. Nach dem Thayatal hatte ich mit langweiligen Weinbergen gerechnet. Aber das Weinviertel hat eine gute Weitsicht mit einem interessanten Panorama. Ich bin zufrieden, dass ich losgegangen bin.
Ich entdecke Felder mit Mariendisteln. Wozu baut man Mariendisteln an? Ich habe keine Idee. Bie den 3-5 Meter breiten Baumstreifen dagegen schon, sie dienen als Windbrecher. Ich wandere an einem vorbei, der mindestens 7-10 Meter hoch ist. Immer wieder höre ich es im undurchdringlichen Dickicht knacken. Große Tiere. Nicht nur Feldhasen, die ich immer wieder erspähen kann, sondern auch Hirsche. Eine Hirschkuh kann ich sehen, wie sie wieder in den Baumstreifen zurückgeht.
Es wird schwül. Ich sehe, wie sich wieder stärker Wolken bilden. Es ist ganz angenehm im Schatten der Wolken zu laufen. Ich nähere mich von einer Anhöhe Haugsdorf. Eine sehr lange Straße führt direkt auf die Stadt zu. Auf der rechten Seite sind Keller, die Straße wird deshalb auch Kellertrift genannt. Eine Unzahl von kleinen und größeren Kellern. Viele Familien haben einen solchen Keller, in denen sie Wein und andere Lebensmitteln lagern können. In Mittelfranken gibt es etwas ähnliches: Bierkeller. Meine Ex-Schwiegereltern hatten auch einen in ihren Heimatdorf. Zwei- oder dreimal im Jahr gab es dann ein Kellerfest. So eine ähnliche Tradition gibt es hier auch, nur mit Wein.
In Haugsdorf kaufe ich mir etwas zum Trinken. Es ist stechend heiß geworden. Eine dunkle Wolkenwand nähert sich. In Haugsdorf ist kein Zimmer frei, alles ausgebucht von Touristen, die die „Weintouren“ machen wollen. Angeblich für das Wochenende, aber angereist wird schon am Donnerstag. Ich steuere die nächste Ortschaft an. Das Gewitter kommt schnell näher. Im Westen sieht es schon richtig schwarz aus.
In einem Heurigen suche ich mit meine Handy nach Unterkünften. Ein Weinviertler am Nachbartisch bietet mir seine Hilfe an: Christian Aufgewekt. Er telefoniert seine Bekannten nach Zimmern ab, die ich dann anrufe. Aber vergeblich. Wir vergrößern nach und nach den Suchradius. Es fängt inzwischen das Tröpfeln an und der Himmel ist dunkel. Schließlich erreiche ich den Wirt vom JUFA Hotel Weinviertel – Eselsmühle: er hat ein Zimmer für mich. Aber 8 Kilometer weiter weg und ohne Busverbindung! Das schaffe ich nicht ohne vom Gewitter erwischt zu werden. Der Wirt hat eine Lösung und schickt seinen besten Freund Karl mit dem Auto los. Ich verabschiede mich von Christian.
Karl ist 15 Minuten später bei mir. Er hat sogar meine Telefonnummer als Sticker auf der Brust. Kaum sitze ich im Auto erreicht uns das Gewitter. Es blitzt, donnert und regnet. Aber jetzt kann nichts mehr passieren. Wir fahren zur Eselsmühle und Karl erzählt mir, das er Pensionär ist und seitdem Führungen in Weinkellergewölben macht und von Zeit zu Zeit Kochseminare in der Eselsmühle gibt.
Wir erreichen das Hotel rechtzeitig und ich bedanke mich bei Karl und lade ihn auf einen Gespritzten ein. Dann beziehe ich mein Zimmer und mache mich frisch. Um 18 Uhr bin ich beim Essen.
Das Gewitter hat inzwischen Seefeld voll erwischt und es regnet in Strömen. Kaum habe ich das Essen bestellt, muss der Wirt auch schon – mit Wäschesäcken ausgerüstet – verhindern, dass die draußen entstandene Überschwemmung in das das Hotel eindringt. Ich kann Sirenen hören. Nach kurzer Zeit ist die Feuerwehr von Seefeld angerückt und pumpt Das Wasser ab. Ganz schön aufregend! Nach 20 Minuten haben sie das Schlimmste abgepumpt. An der Theke wird dann noch nachgelöscht. Die Feuerwehrleute bleiben noch knapp 2 Stunden vor Ort, da immer wieder mal abgepumpt werden muss. Kurz nach 20 Uhr ist es vorbei. Die Sirenen heulen wieder zur Entwarnung. Später erfahre ich, dass im nahegelegenen Tschechien sogar ein Tornado gewütet hat, der Todesopfer forderte.
Die einzigen Gäste im Hotel außer mir scheinen Arbeiter zu sein, wie im Waldviertel! So auch Benjamin, der als Maschinenbauingenieur arbeitet und eigentlich aus Kärnten kommt. Ich habe in der Zwischenzeit Abendessen bekommen und mich mit Benjamin angefreundet. Wir unterhalten uns angeregt und ich trinke einige Gespritzte.
Mir gefällt es hier gut. Ich lege morgen einen Pausentag ein.