Wie im Wetterbericht angekündigt ist es am Morgen noch trocken, nachdem es in der ganzen Nacht geregnet hatte. Ich besorge mir ein paar Lebensmittel und schon geht es los. Direkt nach dem Ort beginnt der Bayrische Wald, Deutschlands größter Nationalpark. Das Höhenprofil zeigt, dass ich heute den ganzen Tag mehr oder weniger bergauf wandern werde bis ich auf einer Art Hochplateau bin.
Der Wald glänzt noch von dem Regen und die Luft ist klar und frisch. Mir gefällt es und den Mücken auch. Ich reibe mich genervt nach einiger Zeit mit Autan ein und siehe da, heute zeigt es Wirkung. Der Weg geht mitten durch den Wald an einem Bach entlang. Der Boden ist vom Regen noch aufgeweicht. Dadurch ist er weich, aber auch schwer. Alles ist gut ausgeschildert und breit angelegt. Obwohl es stetig bergauf geht, komme ich gut voran. Einmal liegen umgestürzte Bäume auf dem Weg. Ein andres Mal begegne ich einem Mann mit seinem Hund. Ansonsten ist alles ereignislos. Nur das es dann doch schon ab 10 Uhr das Regnen anfängt.
Kurz bevor ich den höchsten Punkt des Tages die Hubhöhe erreiche, wird der Weg schmaler und immer schlechter. Ich bin irritiert. Es ist alles kühl und nass und ich habe keine große Lust, mich wieder zu verlaufen. Plötzlich taucht hinter mir ein Auto auf und hält. Ein Mann steigt aus, den ich gleich nach dem E8 frage. Er lacht und sagt, dass der Weg richtig sei, aber auch richtig schlecht. Ich soll mir keine Sorgen machen, der Weg würde nach ein paar Metern besser werden. Erst einmal wird er zu einem Pfad. Doch dann stoße ich tatsächlich auf einen Weg, der durch einen verfallenen Bauernhof führt. Schon ein bisschen gruselig. Der Regen wird stärker und ich beschließe beim nächsten Gasthof Rast zu machen.
Ich erreiche den Gasthof am Nachmittag. Es sind außer mir keine Gäste da. Ein paar ältere Frauen wuseln umher. Ich bekomme eine Tasse Kaffee und ein Stück Käsekuchen. Schlagermusik ist aus dem Radio zu hören, draußen plätschert der Regen. Will ich wirklich heute noch weiterwandern? Ich frage nach dem Preis für eine Übernachtung. Die Kellnerin antwortet mir, dass sie dass nicht wüsste, sondern nur die Chefin. Aber die würde erst wieder in einer Stunde da sein. Der Käsekuchen schmeckt mir gut, er wurde sogar extra warmgemacht. Zwischendurch lässt sich die Köchin blicken. Auch sie weiß nicht, wieviel eine Übernachtung kostet, aber sie vermutet 38 oder 40 Euro. Komisch, dass niemand außer der Chefin weiß, wie teuer das Zimmer ist. Ich überlege, ob ich noch eine oder zwei Stunden durch den Regen zum nächsten Ort laufen will oder hier in aller Ruhe übernachte. Zu lange will ich aber mit der Entscheidung auch nicht warten. Ich frage, ob man die Chefin nicht vielleicht anrufen könnte. Alle lachen und man erzählt mir, dass sie jetzt ihr Mittagsschläfchen halten würde. Das verstehe ich gut, ein Mittagsschläfchen ist heilig. Also warte ich. Allmählich kommen auch andere Gäste, die etwas essen wollen oder ein Zimmer beziehen. Ein junger Mann mit einem geschmacklosen T-Shirt taucht auch auf und tut sehr beschäftigt.
Auf einmal kommt er auf mich zu und hält mir einen Schlüssel entgegen: „Zimmer 12!“. Ich bin überrascht und entgegne: „Ich wüsste gerne erst einmal, wieviel kostet das Zimmer?“ Er antwortet: „65 Euro“. Ich ganz entsetzt: „65 Euro für ein Einzelzimmer?!“ Er: „Ein Einzelzimmer? Mit Frühstück?“ Ich nicke. Er: „44 Euro“ Inzwischen ärgere ich mich über den ganzen Vorgang. Erst heißt es, die Chefin, die Chefin und dann kommt dieser Mann. Ich komme mir von dem Mann irgendwie übervorteilt und überrumpelt vor. Dann gehe ich lieber durch den Regen und suche mir etwas in der nächsten Ortschaft. Ich sage: „das ist mir zu teuer“ Auf einmal ist auch die Chefin da, die mich fragt: „Wieviel wollte er für das Zimmer?“ Ich antworte: „44“. Das ist schon alles sehr komisch und ich bin froh als ich bezahlt habe und raus bin aus dem Gasthof.
Es regnet und ich laufe mit erhöhtem Adrenalinspiegel in Richtung von Wiesenfelden. Anfangs bin ich schnell bis ich mich wieder beruhigt habe und sehe: Der Weg ist richtig schön. An Feldern vorbei, durch einen Wald, schließlich an einer großen Weiherlandschaft vorbei, die unter Naturschutz steht. Den Regen spüre ich schon gar nicht mehr. Die Weiherlandschaft ist wirklich sehenswert, da verschiedene gut abgegrenzte Bereiche hier einen großzügigen Lebensraum für verschiedene Pflanzen- und Tiergemeinschaften bieten. Immer wieder sind Tafeln da, die auf verschiedene Aspekte hinweisen. Ein Rundweg führt um die Weiherlandschaften.
Weiherlandschaften Wiesenfelden
Ich komme an einem Seniorenheim vorbei und muss lachen, als ich entdecke, das für die Senioren direkt vor ihrem Heim ein Spielplatz aufgebaut worden ist. Also, damit mich jetzt auch alle richtig verstehen, kein Spielplatz für Kinder. Es sind verschieden Geräte, mit denen man spielerisch seine Kondition, Beweglichkeit und Gleichgewicht erhalten und verbessern kann. Ich probiere gleich zwei Geräte aus. Schon echt cool!
Ich gehe weiter am Weiher entlang und stoße auf einen überdachten Beobachtungssteg, der direkt auf die andere Uferseite führt. An dem Steggitter hängen Love Locks. Soviele Liebespaare scheint es in Wiesenfelden noch nicht zu geben oder der Steg ist noch neu. Es gibt sogar Friend Locks.
Ich bin in Wiesenfelden angekommen. Ein interessanter und ein bisschen skurriler Ort. Es wurde z.B. mit EU Fördermittel ein Wanderstützpunkt gebaut. D.h. es wurde eine echte Nobeltoilette am Weg aufgebaut direkt neben einem Bierkeller (der „Felsenkeller“), der auch als Fledermaushöhle dient. Ein Brunnen in der Form eines Bierfasses direkt daneben (leider kein Trinkwasser). Das Klohaus ist wirklich schick, bestimmt das Werk eines preisgekrönten Architekten. Die Damentoilette ist geöffnet, die Herrentoilette ist geschlossen. Ich verzichte darauf, in die Damentoilette zu gehen und mach es so, wie ich es im Wald gewohnt bin.
Nach einigen Suchen und Fragen komme ich in einer Ferienwohnung bei einer netten Dame unter. 28 Euro mit Frühstück! Das Universum hat schon gewusst, wo ich heute günstig übernachten kann. Jetzt habe ich eine ganze Wohnung allein für mich.