Archive : Spinne

Im Bayrischen Wald: Lemming – Brotjacklriegel – Zenting

Heute morgen komme ich schwer aus dem Bett. Frühstück gibt es aber im Gasthof nur bis 9 Uhr. Also stehe ich auf. Das Frühstück ist besser als gedacht. Frisches Obst und selbstgemachter Apfelsaft.

Beim Aufräumen verliere ich eine meiner Socken. Jetzt habe ich noch anderthalb Paare. In Passau werde ich mir ein neues Paar kaufen.

Das Wetter ist schön als ich losgehe. Die Wegmarkierungen sind nicht so gut wie gestern. Immer wieder muss ich umkehren und neu ansetzen. Ich bin gereizt. Die Wegmarkierungen verschwinden außerhalb der Ortschaft ganz. Es geht steil in den Wald hinauf. Es wird wärmer und ich schwitze ordentlich. Mein Hemd ist klitschnass. Immer noch keine Wegmarkierung. Allmählich bekomme ich das Gefühl, dass ich den total falschen Weg gewählt habe. Hätte ich bloß einen Pausentag heute gemacht. Ich orientiere mich an der Kompassapp, aber auch die ist nicht richtig hilfreich, wenn überhaupt keine Wegmarkierungen mehr da sind. Auf dem Weg, auf dem ich gerade wandere, ist schon lange keiner mehr gelaufen. Ich denke an das sächsische Ehepaar, die vor mir auf den Goldsteig aufgebrochen sind. Ich bemerke ein Spinnennetz, das direkt über den Weg gespannt ist. Wenn die beiden vor mir hier langgekommen wären, würde das Spinnennetz hier nicht sein. Ich sehe die Spinne. Mann, ist die groß! Und der Spinnenfaden ist richtig fest und zerreißt nicht einfach als ich hindurchgehe. Ich kann regelrecht drübersteigen. Auch einen Frosch sehe ich, der in aller Ruhe den Weg langhüpft und sich von mir fotographieren lässt.

Auf einmal höre ich ein lautes Knacken im Wald. Ein Schwammerlsucher! Ich frage ihn nach dem Weg. Er kennt weder den E8 noch den Goldsteig. Er zeigt mir einen Schleichweg, der zur nächsten Ortschaft führt. Auf dem Schleichpfad erreiche ich schließlich den Ort und ein großes Hotel. Ein verlassenes Winterhotel direkt am Skilift, wie so viele in dieser Gegend. Ein großer Parkplatz vor und hinter dem Hotel. Aber ab hier ist der Goldsteig wieder gut beschildert und Schönwetterwanderer sind unterwegs, ganz alte und ganz junge.

Auf einer Bank mit Blick auf das Hotel mache ich erschöpft Rast. Schade, dass das Hotel geschlossen hat. Ich hätte mir dort ein schönes Mittagessen bestellt und mal nach den Preis für ein Einzelzimmer gefragt. Aber es ist zu und sieht schon ein bisschen verwildert aus. Ich sehe verschiedene Gruppe an mir vorbeigehen Richtung Brotjacklriegel. Eine Familie fällt mir auf, die flott den Hang hochlaufen. Zwei Chihuahuas und zwei schwarzhaarige Töchter in modernen Klamotten.

Eine halbe Stunde später breche ich auch auf. Es geht den Skilift hoch, es stehen sogar Schneekanonen herum. Danach geht es – immer weiter bergauf – über Wiesen wieder in den Wald hinein. Auf einmal sehe ich die Familie mit den Chihuahuas, die gerade eine Pause einlegen. Ich glaube es kaum, es sind die ersten, die ich seit Wochen eingeholt habe und das noch mit Vorsprung! Als ich näherkomme, sehe ich auch warum. Die beiden Mädchen sind erschöpft und frustiert und sehen aus als ob, Weihnachten und Ostern die Geschenke ausgefallen sind. Ich wechsele mit den Eltern ein paar lustige Bemerkungen und laufe weiter. Der Gipfel ist bereits nach 100 Metern erreicht. Auf dem Gipfel steht ein großer Sender, der digital sendet und ein sehr große Reichweite hat. Zusätzlich ist ein Aussichtsturm mit kleiner Gastwirtschaft errichtet worden. Der Blick von da oben ist ein echter Rundblick. Der beste, den ich bisher auf meiner Wanderung hatte. Die Alpen liegen leider wieder im Dunst bzw. in den Wolken. Ich trinke noch etwas auf der kleinen Veranda.

Dann geht es wieder los. Diesmal nur noch bergab. Zuerst durch den Wald, wo es ziemlich steil runter geht. Dann stoße ich auf eine schmale Straße. Verflixt, die Wegmarkierung sind schon wieder so mehrdeutig. Ich habe keine Lust auf so eine Orientierungslosigkeit wie heute morgen. Ein älterer Radfahrer kommt die Straße entlang und fragt mich, ob ich einen Radfahrer gesehen hätte. Ich verneine. Auf einmal kommt der gesuchte Radfahrer hinter ihm dem Berg hoch. Welch Überraschung, anscheinend hat er ihn unbeabsichtigt sogar überholt. Ich muß schmunzeln. Die beiden kommen aus Dortmund und Unna und wir sind sofort im Gespräch. Beide sind schon im Rentenalter und fahren jetzt mit e-Bikes begeistert durch den Bayrischen Wald. Es stellt sich heraus, dass der jüngere den älteren gestern versucht hat zum Wandern zu überreden. Ich bin für die zweite Botschaft des Universums, dass sein Freund mit ihm versuchen soll. So unterhalten wir uns über das Wandern, insbesondere auf dem Goldsteig. Mit den beiden ist es lustig sich zu unterhalten. Ich merke, dass die Fragen, die sie mir stellen nach wie und wo übernachten, wienlange laufen usw., Fragen sind, wo sie ihre eigenen Bedenken und Grenzen haben. Das finde ich spannend. Ich mache sie darauf aufmerksam und sie lachen.

Schließlich laufe ich weiter durch Daxstein, dann durch den Wald und kleiner Ortschaften bis kurz vor Zenting. Immer wieder ein schönes Panorama vor mir. Inzwischen hat das Wetter umgeschlagen, es ist bewölkt und ich spüre die ersten Regentropfen. Ich spute mich. Auf einmal höre ich Schritte hinter mir. Eine Frau mit ihrem Hund zieht an mir vorbei, als ob ich stehen würde. Ich laufe weiter auf Zenting zu. Und schon wieder höre ich Schritte hinter mir und werde überholt. Ein Schwammerlsucher. Bestimmt noch mal 15 Jahre älter als ich. Und schneller!!! Das gibt es doch nicht. Wir kommen trotzdem ins Gespräch. Er spricht so stark Niederbayrisch, das ich nur die Hälfte verstehe. Es ist schon fast wie eine Fremdsprache. Englisch ist einfacher für mich zu verstehen. Er bringt die Schwammerl genau zu dem Gasthof, wo ich noch ein Zimmer ergattert habe. Ich brauch ihm nur hinterher zu hecheln.

Ich schaffe es den Gasthof zu erreichen bevor das Gewitter anfängt. Morgen werde ich auf jeden Fall gar nicht oder viel weniger laufen.

Im Taubertal: Creglingen – Schonach

Heute Nacht um 2:40 Uhr werde ich von einer blutsaugenden Mücke geweckt.

Heute Morgen um 5:45 Uhr gelingt es mir – nach vielen vergeblichen Versuchen – diese blutsaugende Mücke mit einem nassen weißen Handtuch zu erschlagen.

Ich bin sehr müde und schlafe nach dieser Heldentat ein.

Heute Morgen um 5:50 Uhr werde ich von drei eifrigen Radlern geweckt, die es so eilig haben auf die Piste zu kommen, daß sie sogar auf Frühstück verzichten.

Ich bin sehr müde und schlafe nach dem Weggang der drei Radler ein.

Heute Morgen um 6:00 Uhr werde ich von den Kirchenglocken geweckt. Wieso so früh? Warum jeder Glockenschlag doppelt? Warum so laut?

Ich bin sehr müde und schlafe glücklich um 6:05 Uhr ein.

Wach werde ich erst wieder um 9 Uhr, ein bisschen später als ich beabsichtigt habe. Beim Frühstück bin ich der vorletzte Gast heute. Der letzte Gast ist ein Jäger, mit dem ich ins Gespräch komme. Er rät mir bei den streunenden Hunden in Rumänien zu Pfefferspray und Haselnussstecken mit Klinge an einem Ende. Bei Wildschweinen soll ich ruhig stehen bleiben und laut mit ihnen reden. Wildschweine seien so intelligent, dass sie einen menschlichen Spaziergänger von einem menschlichen Jäger unterscheiden können. Letztere tragen in so einem Begegnungsfall am liebsten Carbongeschützte Beinkleider, da die Wildschweine mit ihren Hauer tiefe Schnittwunden verüben können.

Gestärkt mit diesem Wissen starte ich in den neuen Wandertag. Kurz nach Creglingen mache ich einen Abstecher in das Fingerhutmuseum, das in einem Keller liegt. Das Museum ist vielleicht doppelt so groß wie mein Zimmer in Bad Kreuznach. Größer muss es aber auch gar nicht sein. Die ausgestellten Fingerhüte aus vielen verschiedenen Ländern und Epochen sind sehr klein und allerliebst. Es gab eine Zeit, da wurden 80% der Rohfingerhüte hier in der Gegend hergestellt und dann weltweit exportiert, wo die Fingerhüte regional noch veredelt wurden. Man kann auch heute noch sehr besondere Fingerhüte in diesem Museum erwerben, das zur Fabrik gehört. Es ist anscheinend auch gar nicht so einfach einen passenden Fingerhut zu finden.

Im Fingerhutmuseum

Danach besuche ich die Herrgottskirche. Hier ist ein Tilmann-Riemenschneider-Altar die Attraktion. Er ist vollkommen aus Birnenholz geschnitten und alles wirkt sehr plastisch und lebendig. Mich beeindruckt auch, dass es sich der Künstler verkniffen hat, die Figuren – wie die Maria oder den Jesus – anzumalen. So spricht das Material für sich. Das finde ich wunderschön in seiner Reduktion rein auf die Formen und den Aufbau.

Tillman-Riemenschneider-Altar

Danach geht es den Mühlbach entlang weiter. Ich befinde mich wieder im idyllischen Bilderbuchdeutschland. Nach einiger Zeit komme ich durch den Ort Münster. Es ist inzwischen warm geworden. Ich werde auf die Münsterseen aufmerksam gemacht. Da kann ich nicht widerstehen. Wieder mache ich einen Abstecher und gehe zum Badesee. Es ist schon wieder alles tiptop! Es gibt sogar verschiedene Einstiegsleitern, Umkleidekabinen, terrassierte beschattete Liegenflächen, eine Absperrung für Nichtschwimmer, usw. Es liegt kein Abfall rum und die Krönung ist, es gibt sogar direkt neben dem See eine Kneippanlage. Schwäbisch Perfektion der Umgestaltung eines Naturwassers zu einem Badesee.

Einstieg in den Badesee auf schwäbisch

Ich steige über eine der Leiter in den See. Herrlich kalt! Ich schwimme 10 Minuten lang und drehe mich auf den Rücken und lasse mich dann einfach treiben. Mein Körperfett trägt mich auf dem Wasser ohne dass ich mich bewegen muss. Die warme Sonne scheint mir auf den Bauch, das Wasser kühlt den Rücken, ich schließe die Augen. Das ist pure Entspannung!

Nach der Badepause nehme ich den „Barfußpfad“ direkt durch den Wald und gelange wieder auf den E8. Es geht wieder durch Wald, Felder und kleinere Ortschaften. In einem Waldstück habe ich Glück und entdecke eine Spinne mit ihrem Nest und vielen kleinen geschlüpften Babyspinnen! Ich bin fasziniert, dass so ein Schatz der Natur einfach am Wegesrand steht.

Inzwischen ist es heiß geworden. Ich merke, dass ich letzte Nacht nicht viel geschlafen habe und mein rechter Fuß schmerzt. Ich beschließe heute nicht so weit zu wandern, Rothenburg ob der Tauber kann ich mir auch morgen noch angucken. In Finsterlohr frage ich vergeblich nach einer Unterkunft. Aber schon einen Ort weiter in Schonach finde ich eine Herberge mit einem tollen Biergarten.

Selbstbedienung-Biergarten in Schonach in Coronazeiten