Heute ist ein guter Tag. Das Wetter ist schön und ich habe einen „guten Fuß“. Gungolding scheint sehr katholisch zu sein. Obwohl sehr klein, hat es zwei Kirchen. Die eine Kirche hätte ich fast nicht erkannt, weil sie aussieht wie ein Mehrfamilienhaus. Aber welches Mehrfamilienhaus hat schon einen eigenen Glockenturm? Ab dieser Kirche ist der Weg mit Stationen des Kreuzweges ausgestattet bis zu der anderen Kirche, die am oberen Ende des Dorfes beim Friedhof steht.
In Oberbayern finde ich bis jetzt keine E8 Wegmarkierungen mehr. Auch meine Kompass App zeigt den E8 nicht mehr an. Ich orientiere mich an den Plänen im Internet und merke mir den Weg. Dann sehe ich nach den lokalen Panoramawegen, die meistens zum europäischen Fernwanderweg parallel verlaufen. Schade, in Mittelfranken bin ich, was Wegmarkierungen betrifft, echt verwöhnt worden.
Nach dem Friedhof geht es von der Straße ab und rechts hoch auf die Gungoldinger Wacholderweide. Die Wacholderbeeren sind inzwischen reif. Ich probiere eine. Pfui, sie sind hart und schmecken zwar wacholderig, aber auch bitter. Vielleicht doch eher als Gewürz zu gebrauchen. Der Weg ist gut zu laufen und ich habe eine tolle Panoramansicht. Es stehen auch immer wieder Sitzbänke rum und laden zum Verweilen und Gucken ein.
Es geht wieder talabwärts durch den Ort Arnsberg und über die Altmühl. Arnsberg hat oben auf der Höhe eine Burg stehen. Dort ist ein Hotel. Das muss schon cool sein, dort mal zu übernachten und dann mit dem Blick auf Arnsberg den Tag zu beginnen. Es geht den Wanderweg steil hoch, glücklicherweise gut beschattet. Von oben habe ich eine tolle Aussicht. Sogar der Aufstieg fällt mir heute leicht. Obwohl es schon warm ist, schwitze ich sogar weniger.
Es geht wieder abwärts ins Tal. Ich komme durch den Ort Böhming. Irgendjemand hier im Dorf hat sein Poesiealbum auf die Straße verlegt. Immer wieder tauchen Tafeln mit positiv gestimmten Texten auf. Heute brauche ich diese Art von Unterstützung nicht. Es ist ein guter Tag. Ich mache Rast an der Altmühl, schaue auf den Fluß und denke an den alten Mann von gestern.
Es geht wieder auf die Höhe. Ich folge dem sogenannten Limesweg und tatsächlich nach einiger Zeit taucht ein rekonstruierter Limesturm auf. Und wen sehe ich dort? Keine kriegsmüden römischen Legionäre auf der Wacht am Limes, sondern zwei echte Wandersmänner, die es sich dort im Schatten gemütlich gemacht haben und ihre Blessuren verarzten.
Ich bin in Redelaune und gesellen mich zu ihnen. Anfangs schauen beide noch ein bisschen skeptisch, aber wir kommen schnell ins Gespräch. Beide wandern schon seit 20 Jahren gemeinsam. Die beiden sind gestern gestartet und biwaken im Freien. Sie haben dafür alles dabei, inclusive Verpflegung. Das macht sich am Gewicht der Rucksäcke bemerkbar, die bestimmt noch mal 10 kg schwerer sind als meiner. Sie haben sogar ein paar überraschende Dinge dabei: Aquarellfarben und -papier und eine tolle Fotoausrüstung mit Objektiven und Stativ. Der kleinere hätte gern den Kometen damit fotografiert. Dem einem schenke ich ein Blasenpflaster für seinen Fuß. Beide sind gut entspannt. Für sie ist es Luxus, im Wald zu biwaken, dort wo sie es schön finden und keiner für Geld hinkommen kann. Dort kochen sie sich dann etwas leckeres.
Wir machen gemeinsame Fotos am Turm. Natürlich kommt da auch das Stativ zum Einsatz. Die Fotos kriege ich dann noch später.
Als wir uns verabschieden, wünscht mir der kleine: „Viel Erfolg!“. Ich frage nach, was Erfolg denn bedeuten würde? Die Antwort lautet: „Heil anzukommen!“ und ich führe fort „und gesund wieder zurück zu kommen!“. Der große nickt versonnen und sagt: „Was Schönes erleben.“ Den beiden traue ich zu, dass sie „viel Erfolg“ bei ihren Wanderungen haben.
Ich wandere weiter und komme nach Kipfendorf. Ein letztes Mal überquere ich die Altmühl Richtung Osten. Kipfendorf ist ein kleiner Ort, aber hat eine tolle Infrastruktur. Neben einem Freibad (nein, diesmal bin ich nicht ins Wasser gesprungen), einer riesigen Metzgerei (in der ich mir etwas zu essen geholt habe) gibt es eine netten Marktplatz. Der Marktplatz wird heute fast ausschließlich für die Sitzplätze von einem Café genutzt, die ein tolles Eis und Kuchen haben. Es gibt auch ein Schloß und ein Römer- und Bajuwarenmuseum. Also ein Besuch in Kipfendorf lohnt sich auf jeden Fall.
Gut gestärkt, nehme ich den steilsten Anstieg des Tages in Angriff. Ich komme an dem Schloß Kipfenberg und dem Museum vorbei. Der Limesweg führt mich auch an den geographischen Mittelpunkt Bayerns vorbei. In Sonthofen war ich damals ziemlich weit von diesem Mittelpunkt entfernt gewesen.
Ich folge dem Limesweg zuerst durch den Wald und dann an Feldrändern und Wäldern vorbei nach Denkendorf. Dabei begegnet mir ein ungarisches Paar, die gemeinsam Sport machen. Sie joggt und er begleitet sie auf dem Fahrrad. Wir unterhalten uns und ich erzählen ihnen von meinem Vorhaben. Sie empfehlen nach ein bisschen Überlegen – anstatt nach Polen – nach Ungarn zu wandern und über das Donauknie nach Budapest. Die Putza nicht zu Fuß passieren und dann am Eisentor über Serbien nach Rumänien zu gehen. Das hört sich interessant an. Den Vorschlag werde ich mir überlegen.
Am Abend erreiche ich Denkendorf. Die A9 kann man gut hören. Ansonsten ist kaum jemand unterwegs. Heute fühle ich mich nicht müde und hätte gut weitergehen können. Aber es fängt an dunkel zu werden und ich beziehe Quartier.