Archive : Weinviertel

Vom Weinviertel nach Wien: Au/Ernstbrunn – Alte Donau – Wien

Österreich hat nach gutem Spiel knapp verloren und ich habe gut geschlafen. Nach dem Frühstück wandere ich nach Grossleis, dort soll es einen Aussichtsturm geben. Das Wetter ist sehr schön und ich bin nach kurzer Zeit schon dort. 

Es ist alles ruhig. Ein Schild sagt mir, dass der Turm erst ab 10 Uhr begehbar ist. Ich setze mich in den Schatten und freue mich schon auf die Aussicht. Kurz vor 10 Uhr kommt die Bergwacht. Die kleine Hütte mit Mini-Museum ist die tiefstgelegene Bergwachtshütte in Österreich. Nachdem ich das Eintrittsgeld bezahlt habe, besteige ich den Turm. Die Aussicht ist phänomenal. Wie mir versprochen wurde, kann ich sogar Hochhäuser in Wien sehen. Wien wartet!

Ich freunde mich mit den zwei Bergwachtsmännern: Manfred und Alexander an. Sie sind sehr hilfsbereit. Hier oben gibt es schützenswerte Pflanzen und es handelt sich nicht nur um ein Naturschutzgebiet, sondern auch um einen Ort, der vor ca. 6000 Jahren schon von Menschen besiedelt wurde. Die Lage auf dem Berg mit einem kleinen Hochplateau und einer sehr guten Weitsicht waren auch früher schon sehr attraktiv und strategisch günstig gelegen.

Alexander macht mit mir eine Rundtour. Schützenswerte Pflanzen finden wir leider keine mehr, Schafe haben diese aufgefressen. Alexander meint, wenn Menschen das gewesen wären, hätte es über 1000 € Strafe gekostet. So, kann er leider nichts machen.

Besonders die Maulwurfshügel interessieren Alexander. Die Tiere buddeln dabei immer wieder archäologische Fundstücke nach oben. Alexander hofft, irgendwann auch einmal eine Pfeilspitze zu finden. Einem 9-jährigen Jungen vor 6 Jahren war das geglückt. Wir finden aber „nur“ Tonscherben. Eine kleine Scherbe nehme ich mir mit und komme mir dabei ein wenig wie ein Jakobspilger vor. Die Jakobspilger nehmen traditionell auch einen Stein mit, den sie dann während ihrer Pilgerwanderung dann einem bestimmten Punkt mit den damit verbundenen Gedanken oder Sorgen ablegen. Meine Tonscherbe werde ich nach Wien zum Stephansdom tragen. Meine Tonscherbe ist klein und leicht.

Nach der Tour unterhalten wir uns noch. Dabei stellt sich heraus, dass Alexander mich gestern in Ernstbrunn schon wahrgenommen hatte, als ich im Café von den Damen Quartierhilfe bekommen habe. Nicht nur ich habe Ernstbrunn kennengelernt, auch Ernstbrunn kennt mich!

Ich wandere weiter und laufe zum Wildgehege von Ernstbrunn. Die Besucherzahlen sind noch überschaubar: vor allem Familien mit kleinen Kindern. Am besten gefällt es mir bei den Gämsen und Steinböcken. Ein schroffer Berghang gehört zum Gehege. Hier zeigen die Tiere, wie gut sie auch in Steillage klettern können. Beeindruckend. Die Wölfe dagegen sind müde und von der Hitze geschafft. Die Wildschweine sind da lebendiger. Zwei mächtige Keiler machen mir Respekt. Ein Glück, dass ich solchen Kalibern noch nicht in freier Wildbahn begegnet bin.

Ich wandere weiter nach Ernstbrunn. Kurz vor dem Ort erlebe ich noch einmal ein gut beleuchtetes Landschaftspanorama. Jetzt kann ich auch den Kalksteinbruch in seiner ganzen Größe gut erkennen.

In Ernstbrunn gehe ich dann etwas Essen. Ich fahre mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Wien. Wien wartet! Unterwegs werde ich von Wolfgang und seiner Frau Judith eingeladen, einen Zwischenstopp an der alten Donau zu machen. In Floridsdorf steige ich aus und nach 15 Minuten Fussmarsch bin ich an der alten Donau. Bekannte haben dort einen kleinen Garten direkt am Ufer gepachtet. Einfach toll. Ich werde herzlich begrüßt, sehe eine alte Bekannte (nach 20 Jahren!) wieder und werde zum Essen eingeladen. Aber zuerst springe ich in die Donau und schwimme. Das Wasser ist richtig warm. Die alte Donau ist hier eine richtige Freizeitanlage. Viele Menschen kommen hierher, um sich zu erholen. Traumhaft!

Später fahren wir nach Wien und lassen den Abend gemeinsam auf einer Terrasse im 17. Bezirk mit einem Glas Gin Tonic ausklingen. Ich fühle mich wie im Luxusurlaub! 

Ich werde hier meine Wanderung unterbrechen, da ich wieder nach Deutschland will, um meine 2. Impfung zu erhalten.

Im Weinviertel: Seefeld – Ernstbrunn

Am frühen Morgen bewege ich mich von Seefeld nach Groß-Harras, um wieder auf den E8 zu kommen. Alles entlang einer befahrenen Landstraße. Aber durch die reichlichen nächtlichen Regenfälle ist die Luft klar und frisch und ich komme gut voran. Von Groß-Harras aus wandere ich über die Felder nach … In der Gastwirtschaft „Zum Bikerschani“ kehre ich Mittags ein. Der Wirt und seine Mannschaft (seine Frau und ein junger Mann namens Lukas) sind angespannt, da sie in Kürze eine Trauergemeinde erwarten, die vom nahgelegenem Friedhof kommen werden. Für zwei Getränke reicht es aber noch, nur die Unterhaltung ist nicht so entspannt. Von meinem Platz aus, kann ich die angerichteten Salatteller und einen Monitor sehen, der den Vorplatz der Gasststätte zeigt. Lukas will wissen, wie schwer mein Rucksack sei. Er darf ihn einmal heben. Der Wirt vom Bikerschani trägt eine kurze Jeanshose im Trachtendesign und ein schwarzes T-Shirt auf dem „Zum Bikerschani“ steht. Lukas hat auch so ein T-Shirt. Die schwarze Farbe ist wahrscheinlich dem traurigen Anlass geschuldet. Bikerschani macht mich darauf aufmerksam, dass mein Wanderweg heute durch den größten zusammenhängenden Eichenwald Europas führen. wird. Endlich kommt die Trauergemeinde und der Wirt begrüßt sie mit dem Hinweis: Maske beim Eintreten ja, die 3 Gs ja (aber Zeigen muss keiner, hier gilt noch das Ehrenwort), 5 Meter weiter im Trauerraum kann die Maske dann abgenommen werden. Ich bezahle und ziehe weiter. Ich habe mir heute vorgenommen bis Ernstbrunn zu kommen in der Hoffnung auf eine einfache Quartiersuche.

Es geht eine langgezogene Steigung Richtung Wald hoch, vorbei an dem obligatorischem Kellertrifft. Dann kommt der Eichenwald. Ich freue mich schon, da Hirschkäfer Eichen als Lebensraum brauchen. Vielleicht habe ich ja heute die Chance einen Hirschkäfer in freier Wildbahn zu beobachten. Ich komme in den Wald. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Irgendwie hatte ich einen reinen Eichenwald erwartet, aber es ist ein Mischwald in dem es – zugegebnermassen – viele Eichen gibt. 

Die Wegmarkierungen sind sparsam und der Weg gabelt sich immer wieder. Ich schalte die Wanderapp und folge ihr. Hätte ich das mal lieber gelassen: der Weg wird immer undurchdringlicher und verwachsener. Schließlich erreiche ich eine Landstraße. Aber auf der anderen Straßenseite sind nur Zäune und ich kann der Wanderappführung nicht folgen. So ein Mist! Also wieder Landstraße kilometerlang. Ich begegne einem 87-jährigen, der Wildblumen gucken geht. Er zeigt mir einen Türkenbund und fährt mich 2-3 Kilometer die Landstraße hoch und lässt mich an einer Stelle raus, wo ich wieder auf den E8 gelange. 

Wieder geht es durch einen Wald, an einem Freigehege vorbei (Tiere sehe ich aber dort keine). Und auf einmal, auf dem letzten Stück Landstraße begegnet mir tatsächlich ein weiblicher Hirschkäfer (ich habe die Bilder gerade in Wikipedia miteinander verglichen). Wow! Ich bin ganz gerührt: das Krafttier der Familie Schröter. Und das hier, wo keine Eiche weit und breit ist.

Schließlich erreiche ich gegen 18 Uhr Ernstbrunn und gehe direkt zum Hauptplatz. Ich will jetzt möglichst schnell ein Quartier. Österreich spielt heute zum ersten Mal im Achtelfinale einer Fußball EM. Spätestens ab 19:30 ist kein Österreicher mehr für einen Wanderer zu erreichen. Ich erspähe zwei ältere Damen in einem Café. Die kennen sich bestimmt aus. Und tatsächlich sie können mir drei Unterkünfte nennen. Aber, wie verhext, alle sind ausgebucht. Ich komme frustriert wieder zum Café zurück. Die Damen erwarten mich schon. Ich darf mich zu Ihnen an den Tisch setzen. Sie sind sehr hilfsbereit und organisieren mir ein Zimmer in einem Ort, der 4 Kilometer weiter entfernt ist, aber leider nicht einfach zu finden. Frau G. bietet an, mich hinzufahren. Aber vor 19:30!!! Kein Problem, ich bestelle mir einen Eisbecher und wir unterhalten uns gut. Die zwei Hauptthemen sind die Unterschiede in der österreichischen und deutschen Sprache und allerlei Klatsch über Personen, die immer mal über den Platz gehen. Falls ich einen halben Tag mit dem Damen hier Kaffee trinken würde, wüsste ich wahrscheinlich über alle interessanten Personen in Ernstbrunn bescheid.

Gegen 19 Uhr fährt mich Frau G. zu meinem Quartier. Sie wartet sogar noch, bis die Wirtin die Türe öffnet und verabschiedet sich dann. Vielen Dank!

Im Weinviertel: Weinstadt Retz – Haugsdorf – Seefeld

In der Nacht hat es wieder gewittert und geregnet. Aber am nächsten Morgen ist es wieder schön. Eigentlich will ich heute einen Pausentag einlegen, aber irgendwie ist mir die Stadt unsympathisch. Als sich dann herausstellt, dass alle Führungen durch die Kellergewölbe ausgebucht sind, gehe ich kurzentschlossen wieder wandern. 

Bis zum Hauptplatz in Retz ist der E8 sehr gut beschildert. Aber ab diesem Punkt wird es sehr sparsam bzw. geizig. Die E8 Marken tauchen nur noch 2-3 mal auf und auch die Markierungen des Ostösterreichischen Fernwanderweges 07 sind eher selten. Immer öfter muss ich die Beschreibung von dem Weitwanderführer und den Kompass zu rate nehmen.

Nach einiger Zeit bin ich wieder in meinem Trott und komme gut vorwärts. Das Panorama überrascht mich positiv. Nach dem Thayatal hatte ich mit langweiligen Weinbergen gerechnet. Aber das Weinviertel hat eine gute Weitsicht mit einem interessanten Panorama. Ich bin zufrieden, dass ich losgegangen bin. 

Ich entdecke Felder mit Mariendisteln. Wozu baut man Mariendisteln an? Ich habe keine Idee. Bie den 3-5 Meter breiten Baumstreifen dagegen schon, sie dienen als Windbrecher. Ich wandere an einem vorbei, der mindestens 7-10 Meter hoch ist. Immer wieder höre ich es im undurchdringlichen Dickicht knacken. Große Tiere. Nicht nur Feldhasen, die ich immer wieder erspähen kann, sondern auch Hirsche. Eine Hirschkuh kann ich sehen, wie sie wieder in den Baumstreifen zurückgeht.

Es wird schwül. Ich sehe, wie sich wieder stärker Wolken bilden. Es ist ganz angenehm im Schatten der Wolken zu laufen. Ich nähere mich von einer Anhöhe Haugsdorf.  Eine sehr lange Straße führt direkt auf die Stadt zu. Auf der rechten Seite sind Keller, die Straße wird deshalb auch Kellertrift genannt. Eine Unzahl von kleinen und größeren Kellern. Viele Familien haben einen solchen Keller, in denen sie Wein und andere Lebensmitteln lagern können. In Mittelfranken gibt es etwas ähnliches: Bierkeller. Meine Ex-Schwiegereltern hatten auch einen in ihren Heimatdorf. Zwei- oder dreimal im Jahr gab es dann ein Kellerfest. So eine ähnliche Tradition gibt es hier auch, nur mit Wein.

In Haugsdorf kaufe ich mir etwas zum Trinken. Es ist stechend heiß geworden. Eine dunkle Wolkenwand nähert sich. In Haugsdorf ist kein Zimmer frei, alles ausgebucht von Touristen, die die „Weintouren“ machen wollen. Angeblich für das Wochenende, aber angereist wird schon am Donnerstag. Ich steuere die nächste Ortschaft an. Das Gewitter kommt schnell näher. Im Westen sieht es schon richtig schwarz aus. 

In einem Heurigen suche ich mit meine Handy nach Unterkünften. Ein Weinviertler am Nachbartisch bietet mir seine Hilfe an: Christian Aufgewekt.  Er telefoniert seine Bekannten nach Zimmern ab, die ich dann anrufe. Aber vergeblich. Wir vergrößern nach und nach den Suchradius. Es fängt inzwischen das Tröpfeln an und der Himmel ist dunkel. Schließlich erreiche ich den Wirt vom JUFA Hotel Weinviertel – Eselsmühle: er hat ein Zimmer für mich. Aber 8 Kilometer weiter weg und ohne Busverbindung! Das schaffe ich nicht ohne vom Gewitter erwischt zu werden. Der Wirt hat eine Lösung und schickt seinen besten Freund Karl mit dem Auto los. Ich verabschiede mich von Christian.

Karl ist 15 Minuten später bei mir. Er hat sogar meine Telefonnummer als Sticker auf der Brust. Kaum sitze ich im Auto erreicht uns das Gewitter. Es blitzt, donnert und regnet. Aber jetzt kann nichts mehr passieren. Wir fahren zur Eselsmühle und Karl erzählt mir, das er Pensionär ist und seitdem Führungen in Weinkellergewölben macht und von Zeit zu Zeit Kochseminare in der Eselsmühle gibt.

Wir erreichen das Hotel rechtzeitig und ich bedanke mich bei Karl und lade ihn auf einen Gespritzten ein. Dann beziehe ich mein Zimmer und mache mich frisch. Um 18 Uhr bin ich beim Essen.

Das Gewitter hat inzwischen Seefeld voll erwischt und es regnet in Strömen. Kaum habe ich das Essen bestellt, muss der Wirt auch schon – mit Wäschesäcken ausgerüstet – verhindern, dass die draußen entstandene Überschwemmung in das das Hotel eindringt. Ich kann Sirenen hören. Nach kurzer Zeit ist die Feuerwehr von Seefeld angerückt und pumpt Das Wasser ab. Ganz schön aufregend! Nach 20 Minuten haben sie das Schlimmste abgepumpt. An der Theke wird dann noch nachgelöscht. Die Feuerwehrleute bleiben noch knapp 2 Stunden vor Ort, da immer wieder mal abgepumpt werden muss. Kurz nach 20 Uhr ist es vorbei. Die Sirenen heulen wieder zur Entwarnung. Später erfahre ich, dass im nahegelegenen Tschechien sogar ein Tornado gewütet hat, der Todesopfer forderte.

Die einzigen Gäste im Hotel außer mir scheinen Arbeiter zu sein, wie im Waldviertel! So auch Benjamin, der als Maschinenbauingenieur arbeitet und eigentlich aus Kärnten kommt. Ich habe in der Zwischenzeit Abendessen bekommen und mich mit Benjamin angefreundet. Wir unterhalten uns angeregt und ich trinke einige Gespritzte.

Mir gefällt es hier gut. Ich lege morgen einen Pausentag ein.