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Im Naturpark Altmühltal: Heidenheim – auf dem Hahnenkamm – Treuchtlingen

In Heidenheim scheint mich fast jeder zu kennen. Dem Kellner von der Klosterschänke komme ich bekannt vor. Es stellt sich heraus, dass er Chef des Service im Café Mengin, Erlangen war. Ein Café, dass ich während meiner Erlanger Zeit manchmal besucht habe. Dem Geschäftsführer der Klosterschänke komme ich auch bekannt vor. Er war zuerst von Beruf Küchenmeister und hat dann das Metier gewechselt und ist Unternehmensberater für IT in der Optimierung von Produktionsanlagen geworden. Immerhin 30 Jahre lang, jetzt kümmert er sich als Geschäftsführer um Kloster und Klosterschänke. Mein Fünf-Minuten-Ei hat er heute gekocht. Aber nein, obwohl in beiden Fällen Gemeinsamkeiten zu Tage treten, kann es nicht sein, dass wir uns kennen. Aber als ich beim Frühstück sitze, kommt wirklich jemand, der mich kennt. Der Senior des Friseursalons Pfluff in Heidenheim. Er kommt extra rein, um sich von mir zu verabschieden und mir zu sagen, wie ich am besten auf den E8 komme. Meister Pfluff habe ich gestern kennengelernt. Er ist passionierter Wanderer und war jahrelang, derjenige der das lokale Wegenetz gepflegt hat u.a. die Wegmarkierungen für den E8. Am Schluß ruft er mich noch zu: „Einen guten Fuß!“

Mir gefällt Heidenheim. Vor allen Dingen gefällt mir, dass mich viele Leute schon zu kennen scheinen. Ich komme mir vor wie ein C-Promi, das hat schon was. Ich kriege nämlich immer mal wieder was geschenkt: z.B. ein Klosterbier, eine Orangenlimo, ein Flasche Kräuterlikör und ein Freiticket in das Klostermuseum.

Ich wandere aus dem Ort heraus und habe einen kleine Anstieg vor mir auf den Bergrücken namens Hahnenkamm. Es ist sonnig, aber noch früh genug, so daß es noch nicht so heiß ist. Auf dem Weg bin ich schnell wieder alleine. Die Landschaft ist nicht so spektakulär, die Wegmarkierungen reichlich vorhanden und gut gepflegt, so daß ich beim Wandern ins Nachdenken komme. Einen Gedanken möchte ich mit euch teilen:

Das Kloster in Heidenheim wurde im 8. Jahrhundert von drei englischen Geschwistern gegründet und geleitet. Alle drei waren Pilger gewesen, die damals von England aus nach Rom gepilgert sind. Der älteste hat dann sogar noch Pälästina und Konstantinopel besucht. Also für die damalige Zeit lange und gefährliche Reisen. Im Klostermuseum gibt es deshalb zu Pilgerreisen sogar eine eigene Station, die ich mir gestern angeschaut hatte.

Pilger kommt von dem lateinischen Wort Peregrinus = Fremder, was dann auch später ein Begriff im Römischen Recht wurde. Ich werde von den Menschen auf meinem Weg immer wieder für einen Pilger gehalten und so gesehen geht es mir auch wie einem Pilger: Als Gäste und Fremde sind Pilger aus ihrem gewohnten Umfeld herausgenommen. Mir begegnen Menschen, denen ich fremd bin, die noch keine Vorerfahrungen mit mir haben. Sie gehen anders auf mich zu, weil sie mit mir auf der einen Seite keine Vorgeschichte haben, auf der anderen Seite sich vollkommen auf ihre Stereotypen oder Vorurteile verlassen und diese (oder ihre eigenen Wünsche und Interessen) dann auf mich projizieren. Auch das wechselseitige Gefühl, dass diese Begegnung einmalig sein wird, führt dann schnell dazu, dass die Gespräche tiefergehen und mehr als nur Blabla und Smalltalk werden. Teilweise erzählen mir die Menschen sehr private Dinge. Ich habe ein Mal die Aussage gelesen: „und im Fremden erkenne ich mich selbst“. Das befremdet und irritiert oft– und genau das ist aber eine Chance, aus eingefahrenen Denkmustern oder -gewohnheiten herausgelockt zu werden. Für mich ganz aktuell, die Menschen halten mich für einen religiös motivierten Pilger, dem man auf der einen Seite unterstützt mit Naturalien und Ratschlägen und auf der anderen Seite sich spirituell öffnet oft mit dem Gedanken verknüpft, ob man sich selber auf so eine lange Reise begeben möchte oder nicht.

Denkmal der Walburga

Beim Nachdenken, habe ich dann wirklich eine Wegmarkierung übersehen und bin in die falsche Richtung gelaufen. Ich mache einen insgesamt fünf Kilometer langen Umweg bis ich wieder auf dem E8 zurück bin. Das nervt mich ein wenig, weil ich heute nicht so viel laufen will. Der Umweg ist leider auch nicht sehenswert. Ich lande schließlicb in einem kleinen Seitental zur Altmühl, das sich dann auch als längstes Funkloch auf meiner bisherigen Reise entpuppt.

Am Abend komme ich in Treuchtlingen an. Ich finde Quartier in einem umgebauten Gestüt, das jetzt ein Hotel Garni ist. Garni heißt, es gibt nur Frühstück. In einem Biergarten an der Altmühl bekomme ich etwas zu essen. Es ist ein schöner Sommerabend.

An der Altmühl

Vom Hesselberg in das Altmühltal: Hesselberg – Wassertrübingen – Heidenheim

Heute morgen steige ich vom Bildungszentrum direkt auf den höchsten Punkt des Hesselberges (689 Meter N.N.). Es gibt dort sogar ein Gipfelkreuz und Gipfelbuch, in das ich mich eintrage. Die Aussicht ist wirklich phänomenal. Sie geht rundum, also eine 360 Grad Ansicht des Vorlandes und der benachbarten fränkischen Alb. Ich bin begeistert. Die Alpen kann ich nicht sehen, dazu ist das Wetter im Alpenbereich zu diesig und bewölkt. Es lohnt sich trotzdem auf dem Gipfel zu sein. Vom Gipfelkreuz aus überquere ich eine große Wiese, fühle mich wie auf einer Almwiese in den Alpen und habe begleitend den Panoramablick nach allen Seiten. Liebe Leser, falls es euch mal in das ländliche Mittelfranken verschlagen sollte, besucht diesen Berg!

Von da ab geht es zuerst durch den Wald und dann über die Felder nach Wassertrübingen. Hier hole ich mir etwas zu trinken und zu essen. Der Ort selber gefällt mir nicht. Auf dem Weg sehe ich eine Fabrik von Schwarzkopf. Tatsächlich werden hier viele Haarpflegeprodukte hergestellt. Eine Straße ist sogar nach Martha Schwarzkopf benannt worden.

Nach der Stadt marschiere ich wieder durch den Wald, der mal licht und dann wieder sehr eng und dicht ist. Manchmal kommen dazwischen Felder. Einmal führt der Wanderpfad durch ein mehr als mannshohes Maisfeld, was mir das Gefühl eines amerikanischen Farmers gibt.

Wanderweg durch ein Maisfeld

Den ganzen Nachmittag lang komme ich an keiner menschlichen Behausung vorbei.

Drei Kilometer vor meinem Tagesziel lichtet sich der Wald und ich wandere über Wiesen und Feldern. Auf einmal sehe ich sieben Rotmilane. So viele dieser Vögel auf einmal habe ich noch nie gesehen. Ich phantasiere und stelle mir vor, dass sich zwei Milanfamilien treffen, um ihren Jungvögel -nach getaner Arbeit – das Rumfliegen beizubringen. Manche der Vögel kann ich von Nahem sehen.

Kurz bevor ich nach Heidenheim reinkomme, begegne ich einer Frau beim Nordic Walking. Wir kommen ins Gespräch und sie wird mein Sherpa für den Rest meines heutigen Weges. Sie führt mich direkt zum frisch renovierten Kloster in Heidenheim. In der Klosterschänke werde ich schon erwartet. Mein Sherpa ist keine gebürtige Fränkin, sondern kommt ursprünglich aus Wilhelmshafen und ist über den Umweg Köln in das Altmühltal gekommen, hat ihren Ehemann kennengelernt und lebt jetzt seit 16 Jahren in diesem idyllischen Ort.

Sherpa in Heidenheim

In der Klosterschänke werde ich schon erwartet und herzlich begrüßt. Eigentlich ist heute Ruhetag. Ich habe heute morgen angerufen und mir ein Zimmer reserviert. Auch mit der Empfangsdame komme ich gut ins Gespräch. Auch sie ist keine Einheimische, sondern kommt ursprünglich aus Sachsen und ist wegen ihrem Ehemann in Heidenheim geblieben.

Ich dusche mich und ziehe mir ein paar leichte Sachen an. Ich höre nebenan, dass die Pizzeria geöffnet hat. Ich gehe ziemlich ungelenk und wie auf rohen Eiern rüber und bestelle mir mein Lieblingsgericht. Die Bedienung ist sehr nett, duzt mich gleich und ich komme mit ihr gut ins Gespräch. Das hört sich jetzt schon ein bisschen bekannt an, gell? Auch sie ist nicht von hier, sondern kommt ursprünglich aus Thüringen. Auch sie hat hier einen Mann kennengelernt und lebt seitdem in Heidenheim. Heidenheim hat anscheinend einen Männerüberschuß, der sehr attraktiv auf auswärtige Frauen wirkt.

Echt originale Einheimische habe ich heute nicht kennengelernt. Aber vielleicht wird das morgen noch. In Heidenheim scheint die Welt in Ordnung zu sein und ich beschließe morgen einen Pausentag einzulegen.