Archive : Limesweg

Am raetischen Limes entlang zur Donau: Altmannstein – Weltenburg

Beim Frühstück erzähle ich dem Wirt von meinem Tagesziel Weltenburg. Sofort berichtet er mir, dass die Altmannsteiner Katholiken jeden Pfingstmontag eine 15 km lange Wallfahrt nach Weltenburg innerhalb von drei Stunden machen würden und das mit Kindern! Ich bin beeindruckt, vermute aber, dass sie den direktesten Weg über die Landstraßen gehen müssten. Der E8 verläuft ein bisschen anders und ist auch länger.

Bei blauem Himmel und Sonnenschein gehe ich los. Zuerst durch den Wald auf die Höhe und dann folge ich wieder dem Limes. Im Wald finde ich einen riesigen Champignon, der locker für ein Abendessen gereicht hätte. Zum Vergleich habe ich ein Eurostück darauf gelegt. Der Teil des Limes wird hier auch „Teufelsmauer“ genannt. Es geht den Wald entlang und an Dörfern vorbei, mehr oder weniger schnurgerade Richtung Osten bis zur Donau.

Ich komme an riesigen Hopfenfeldern vorbei. Hier wird also ein Teil des so wichtigen Naturstoffes für Bayerns Drogenindustrie angebaut. Die Bauern sind auch fleißig dabei, die Felder zu pflegen, einer sieht so aus, als ob er den Hopfen spritzen würde. Ob sich das mit dem bayrischen Reinheitsgebot verträgt?

Gegen Mittag komme ich an ein kleines Wäldchen und wen sehe ich da? Richtig: einen Wanderer, der es sich im Schatten gemütlich gemacht hat. Spontan frage ich ihn, ob ich mich dazu gesellen kann. Er ist seit drei Tagen unterwegs und plant bis zum 23. August den Limes entlang in Richtung Nordwesten zu wandern. Es ist auch nicht seine erste Tour und er hat alles dabei, um im Freien übernachten zu können. Er optimiert immer wieder seine Ausrüstung. Diesmal hat er einen Trinkschlauch dabei, so daß er jederzeit Wasser trinken kann, ohne den schweren Rucksack absetzen zu müssen. Und ein Solarpanel, mit dem er sein Smartphone laden kann und das als Lampe dient. Letzte Nacht hat er in einem rekonstruierten Wachturm auf dem Limes übernachtet.

Währenddessen wir uns unterhalten, kommt eine Großfamilie aus dem nahegelegenem Dorf mit Windhunden vorbei, die zur 500 Meter entfernten Waldkapelle pilgern. Sie haben sogar ein nettes Familienoberhaupt dabei. Ich denke an die Altmannsteiner Wallfahrer und muß über die 1 km Wallfahrt der Großfamilie schmunzeln.

Frisch gestärkt von soviel Gesellschaft, wandre ich den Limes weiter. Im Wald wandere ich sogar direkt auf den Überresten der Mauer, die immer noch als eine Art Wall, der bis zu 1,2 Meter hoch sein kann, erkennbar sind. Es ist inzwischen früher Nachmittag und brütend warm geworden. Kein Wölkchen am Himmel. Wenn ich im Schatten wandere, stören nur die Mücken und Bremsen. Wenn ich in der Sonne wandere, spüre ich die warme Luft an meinen Beinen aufsteigen und sehe wie die Luft in der Hitze flirrt. Hoffentlich komme ich bald an die Donau. Vielleicht kann ich da sogar baden.

Ich erreiche den rekonstruierten Limesturm und mache dort Rast. Von dort oben hat man einen guten Ausblick und ich mache ein Zimmer für Weltenburg telefonisch klar. Gerade als ich wieder aufbrechen will, kommt ein Paar in einem schwarzen Oldtimer VW Käfer Cabrio angefahren, um auch den Turm zu besichtigen. Das Auto erinnert mich sofort an den VW Käfer meiner Großeltern, in denen mein Bruder, ich und deren Dackel immer mitgefahren sind. Der Cabrio hört sich genauso an.

Das Paar stellt sich als sehr nett heraus. Beide leben in Bonn und er kommt gebürtig aus Ingolstadt, so dass sie immer wieder Urlaube in der Region machen. Die Frau fragt mich, wohin ich heute noch will. Als sie Weltenburg hört, bietet sie mir spontan an, dass ich mitfahren könnte. Super! Inzwischen ist es wärmer als gestern geworden und ich hatte schon angefangen zu rechnen, wie schnell ich laufen muss, um die letzte Fähre über die Donau noch rechtzeitig zu erreichen.

So darf ich – ganz stilvoll im Cabrio – mit den beiden zum Kloster nach Weltenburg fahren. Wir unterhalten uns so angeregt, dass wir unsere Pläne ändern und den Nachmittag im Klosterbiergarten verbringen und das weltberühmte Weltenburger Bier trinken. Wir sprechen über alles mögliche: Wandern, Führungskräfte bei der Arbeit, Unterschiede zwischen Mann und Frau, ob Schloß Neuschwanstein Kitsch ist, was würden wir einem Touristen empfehlen bei einem 7-tägigen Deutschlandbesuch (ich bin gegen Neuschwanstein!) und Architektur (ja, den Dom von Neviges sollte man einmal im Leben gesehen haben, selbst wenn das die wenigsten Deutschen wissen).

Am Ende ist es Abend geworden und ich bin betrunken. Ich verabschiede mich von den beiden, die noch im Fluß baden wollen und gehe der schönen blauen Donau entlang zu meiner Herberge.

Morgen treffe ich mich mit einer ehemaligen Kollegin (aloha) in Kelheim. Wir wollen dann am Wochenende bis nach Regensburg gemeinsam wandern. Ich beschließe, mir auf dem morgigen Weg nach Kelheim den Donaudurchbruch anzuschauen.

Im Altmühltal: Denkendorf – Sandershausen – Altmannstein

Denkendorf liegt direkt an der Autobahn. Meine Unterkunft liegt am Rande des Ortes und damit relativ weit weg von der Autobahn. Hier ist es ländlich. Der Wirt teilt mir mit, dass um 7 Uhr seine Frau und er im Wald seien und ich dann der letzte im Hause wäre und bitte die Tür hinter mir zu ziehen solle, wenn ich los wandere. Soviel Vertrauen ist auf dem Land selbstverständlich. In Frankfurt wäre das undenkbar. Wenn ich alleine daran denke, wie oft unsere Autos aufgebrochen wurden… Ich verlasse das Haus und gehe in Richtung Autobahn. Der Ort ist zuerst ein verschlafenes Nest und wird dann immer aktiver und aktueller je näher ich der Autobahn komme. Es gibt sogar 2 Edekaläden, die nur 200 Meter auseinander liegen. Der eine ist eher beschaulich, teilweise mit leeren Regalen und an der Kasse sitzt ein leicht übergewichtiger und verschlafener Mann, der andere Lande ist schick, die Regale platzen aus allen Nähten und an den Kassen sitzen hübsche und aufmerksame Mädchen. Auch das Angebot der Bäckerei daneben ist viel besser. Die Ladendichte und -qualität scheint direkt proportional zur Entfernung zur Autobahn zu sein. 

Ich unterquere die Autobahn und gehe am nächsten Kreisel links. Hier ist alles schon ganz auf Limes eingestellt. Auf dem Kreisel ist sogar ein Limesdenkmal. Ich folge wieder dem Limesweg in Richtung Osten. Schnell wird es ruhiger und ich höre die Autobahn nicht mehr. Das Wetter ist schön und sonnig. Mein Vater würde sagen: „Ein Wetter zum Heldenzeugen!“. Seit langem komme ich wieder durch ein größeres durchgängiges Waldstück. Der Weg selber führt am historischen Limes entlang, direkt daneben liegt eine kurz gehaltene grüne Wiese. Es wirkt dadurch ein bisschen wie eine Parklandschaft.

Schon seit Tagen konnte ich kein Wild mehr beobachten. Ich wandere den Weg entlang und stelle mir die römischen Legionäre vor, die hier ihre Wachgänge gemacht haben und das römische Reich vor den brutalen Germanen beschützt haben. Auf einmal reißt mich ein Grunzen aus den Gedanken: Wildschweine! Und nicht nur ein paar, sondern eine große Rotte mit mehreren Bachen und schon groß gewordenen Frischlingen. Mitten am Tag und in aller Ruhe suchen sie etwas zu fressen. Wahrscheinlich haben sie noch nichts davon gehört, dass sie zur Jagd freigegeben sind, um die Gefahr einer Schweinepest zu reduzieren. Ich gehe vorsichtig weiter,  da so ein wütendes Wildschwein durchaus für Menschen gefährlich werden kann. Die Schweine lassen sich durch mich nicht stören.

Ich wandere den Limes entlang bis ich in das Dorf Sandershausen komme. Inzwischen ist es richtig warm geworden und ich mache Rast in dem Gasthof. Sandershausen wird von einem imposantem Schloß und dazugehöriger Brauerei dominiert. Der zugehörige Adlige soll seinen Stammbaum angeblich bis auf die Römer zurückführen können.

Schloß de Basso

Im Gasthof erzählt mir die Wirtin, dass der Seehofer nur zwei Kilometer entfernt sein Haus hätte. Sie wird von den Stammgästen aus dem Dorf korrigiert: „dem Seehofer seine Frau!“. Ja, die Karin, würde sie aus Schulzeiten gut kennen und sie könne sofort erkennen, wenn der Seehofer hier seine Freizeit verbringen würde: an den Autos und der Security. Die Wirtin erzählt gerne. Als ich ihr mitteile, dass ich heute auf dem Limesweg unterwegs sei, berichtet sie von Menschen, die als römische Legionäre gekleidet und bewaffnet den Limesweg machen würden. Dabei muss sie lachen. Ich kann aber bei diesen Menschen gut mitschwingen. Das muss schon cool sein, so als römische Patrouille den Limesweg entlang zu marschieren und sich vorstellen, dass man gleich auf die barbarischen Germanen zum Scharmützel trifft. Es ist inzwischen heiß geworden. Der heißeste Tag meiner bisherigen Wanderschaft. Die Wirtin empfiehlt mir, den Limesweg zu verlassen und lieber den Radelweg nach Altmannstein zu nehmen, da er schattiger und interessanter sei. 

Der Radelweg ist in der Tat gut ausgebaut und genutzt von Radlern. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich eine richtig lange Leitplanke nur für Radfahrer. Wahrscheinlich sind die Radfahrer inzwischen so schnell geworden, dass es schlimme Unfälle gegeben hat und man dann entsprechend bauliche Maßnahmen unternommen hat. Auch fällt mir eine lange Reihe von bemalten Steinen auf, die den Weg säumen. Sie sehen teilweise so aus, als ob Kinder sie bemalt hätten. Motive sind u.a. die Simpsons, Tiere oder kleine Comcfiguren. Sie sehen alle sauber aus. Sie können noch nicht allzu lange da liegen. Aber kein Hinweis auf ihre Bedeutung oder wer sie dahin gelegt hat.

Schließlich komme ich in Altmannstein an, bevor meine Socken sich in Rauch auflösen. Altmannstein hat glücklicherweise ein Freibad! Die Besonderheiten dieses Freibades sind, dass man die Bahnen quer eingeteilt hat und dass im ganzen Schwimmbad ein Einbahnverkehr eingerichtet wurde. Das ist für mich sehr gewöhnungsbedürftig. Die Erfrischung unter bayrisch blauen Himmel tut aber gut.

Altmannstein am Abend

Morgen muss ich noch früher aufstehen, es soll wieder heiß werden.

Vom Odenwald an den Main: Vielbrunn – Obernburg am Main

Heute morgen werde ich zuerst von Stimmengewirr und dann von einer elektronisch verstärkten Stimme geweckt. Meinen Plan, heimlich am Morgen eine Runde nackt schwimmen zu gehen, muss ich aufgeben. Im Freibad findet ein Taufgottesdienst der christlichen Gemeinde Michelstadt statt, die viele russlanddeutsche Mitglieder hat. Es ist eine Erwachsenentaufe und die Täuflinge stehen in weißer Kleidung am Beckenrand, die Frauen tragen zusätzlich noch eine Haube. Später werden sie im Schwimmbadwasser vom ebenfalls weiß gekleideten Priester getauft. Ich bin gerührt.

Ich gehe zum Frühstücken und beobachte dabei den weitern Verlauf des Gottesdienstes. Nach dem Ende der Veranstaltung breche ich auch auf.

Das Wetter ist heute frisch und bewölkt. Ich komme gut voran. Am Anfang kommt ein Anstieg, danach geht es mehr oder weniger bergab bis nach Obernburg am Main. Ein Teil des E8 geht parallel zum Limesweg. Der Limesweg orientiert dabei sich an dem historischen Verlauf des Limes in dieser Gegend. Dabei werden verschiedene Stellen, wie z.B. Wachtürme und ein Kastell, gezeigt, die einem einen Eindruck geben, wie gut und effizient die römische Verteidigung entlang des Limes organisiert war. Mir gefallen solche geschichtlichen Zusammenhänge.

Vor den Toren von Obernburg holt mich ein ehemaliger Kollege mit dem Auto ab und bringt mich zu seinem Haus. Der Vorbesitzer des Hauses war Förster gewesen. Das Haus liegt am Hang, direkt am Waldrand mit einem schöne Blick in das Maintal und ist großzügig geschnitten. Ich kriege eine gute Suppe zum Essen und reichlich zu trinken. Viele Kinder sind im Haus und spielen. Es gibt Hühner und Schafe. Ich fühle mich ein bisschen an die Kinder aus Bullerbü erinnert. Die Kinder sind alle beschäftigt und ich kann mich gut mit meinem Freund unterhalten. Am Ende meines Besuches spielen wir noch mehrere Partien Kicker. Der Hausherr gewinnt sourverän.

Morgen lege ich einen Pausentag in Obernburg ein.