Archive : Waldviertel

Im Waldviertel entlang der Thaya: Hardegg – Weinstadt Retz

Es ist bewölkt und nieselt ein bisschen, als ich aufbreche. Zuerst mache ich einen kurzen Abstecher auf die Brücke. Diese Brücke gab es während der Zeit des Eisernen Vorhanges nicht. Jetzt ist es eine Fussgängerbrücke und es gibt einen regelmässigen Grenzverkehr. Der Wirt ist z.B. ein gebürtiger Tscheche, der sie täglich benützt.

Die Thaya dampft. An einem Flusspfad entlang wandere ich durch das Naturschutzgebiet. Alles ist ruhig und ich sehe Nebelbänke. Der Weg ist nass vom Regen und glänzt. Gleich am Anfang finde ich riesige Pilze. Es liegt über allem eine sehr romantische Stimmung. Eichendorff hätte sich gefreut. Der Regen hört auf und manchmal muss ich unter umgestürzte Bäume oder darüber klettern. 

Schließlich biege ich rechts ab und es geht steil bergauf. Ich erreiche einen Umschwung. Der Flusslauf der Thaya hat hier viele Schleifen und der Umschwung ist eine kurze aber steile Verbindung zwischen zwei Schleifen. Von dort gibt es einen herrlichen Blick auf eine Thayaschleife.

Auf dem Umschwung

Auf der anderen Seite steige ich bergab und nach kurzer Zeit verlasse ich den Fluß und folge einem Bachlauf. Schade, dass Thayatal hat mir sehr gut gefallen.

Ich wandere den Bachlauf hoch und laufe heute den größten Teil des Weges durch lichten Wald. Nur zweimal kreuze ich eine Straße. Das glatte Gegenteil von gestern. Es ist wieder sonnig geworden und wird dann stechend heiß. Ich bin froh, dass ich die Stadt Retz am Nachmittag erreiche. Edi und Helmut kann ich leider nicht sehen, wahrscheinlich haben sie noch rechtzeitig ihren Bus erreicht und fahren zu ihrem Auto mit dem sie nach Linz fahren wollen. Schade, die beiden Männer sind wirklich lustig und angenehm. Ich hätte sie gerne noch auf einen Gespritzten eingeladen.

Retz hat einen beeindruckenden Hauptplatz, der über 1,6 ha groß ist. Ganz Retz soll mit Weinlagern unterkellert sein. Eine anderthalbstündige Führung bei 12-17 Grad Celsius wird angeboten. Das werde ich morgen vormittag buchen, allein schon wegen der Temperatur. Jetzt aber dauert es mir zu lange und ich fühle mich müde. Am Hauptplatz finde ich ein Gasthaus, in dem ich mich einquartiere.

Im Waldviertel entlang der Thaya: Eibenstein – Drosendorf – Geras

Ich bin der einzige Gast im Gasthaus. Noch! Schließlich werden ja heute noch die Arbeiter erwartet. Ich bekomme ein gutes Frühstück serviert und die Gastwirte unterhalten sich mit mir. Das nenne ich Individualbetreung.

Dann geht es auch schon los. Nach Eibenstein geht es zuerst durch den Wald und dann über Felder auf Landstraßen nach Autendorf. Alles ist ruhig. Es fängt früh an wieder warm zu werden. Ich bin froh als ich Drosendorf erreiche. Drosendorf liegt direkt an der Thaya auf einem Felsen und war früher ein wichtiger Militärposten der Habsburger. Die mächtigen Mauern kann man heute noch sehen. Es scheint auch nicht besonders oft erobert oder gestürmt worden zu sein. Alle Gebäude innerhalb der Mauern sehen alt, aber gut erhalten aus. Ich hole mir Bargeld und lasse mir ein Kaffeehaus empfehlen. Das Mohnkaffeehaus ist dann allerdings eine positive Entdeckung. Seit 1840 gegründet und immer noch in Familienbesitz. Es gibt viele unterschiedliche Arten von Mohnkuchen bzw. -torten. Der Gastraum wurde – wahrscheinlich als Folge von Corona – als Verkaufsraum für alle möglichen Spezialitäten aus dem Waldviertel oder der Trivialistik genützt. Seinen Kaffee nimmt man auf der Veranda zum Hauptplatz ein. Ein sehr schönes Rathaus fällt mir auf und ich sehe wie die Schwalben dort zur Haupttür rein und raus fliegen. 

Dann ziehe ich weiter. Es wird schwül und es geht meistens über schattenlose Felder. Gewittertierchen versuchen mich immer wieder zu stechen. Ich spraye mich mit Autan ein. Endlich tauchen ein paar Wolken auf. Ich komme an einem Mohnfeld vorbei. Wirklich beeindruckend groß. Die Wolken werden dunkler. Weit entfernt höre ich das erste Donnergrollen. Ich fange an, mich zu beeilen. Mir fällt die Geschichte von dem Mann ein, der mehrfach vom Blitz getroffen wurde und es jedes Mal überlebt hatte. Er konnte sogar einen Schuh zeigen, der an der Spitze offen und verbrannt war. Ich möchte nicht vom Gewitter erreicht werden, um das auszuprobieren. Das Donnern wird stärker und ich sehe die ersten Blitze, ein kühler Wind kommt auf. Endlich erreiche ich Geras und nehme den ersten Gasthof. Gerade noch rechtzeitig: 15 Minuten später ist das Gewitter mit starkem Regen da. Der Gasthof sieht ziemlich vornehm aus und so sind auch die Preise. Ein bisschen kann ich runterhandeln. Es gibt eine Sauna und ich beschließe es mir heute gut gehen zu lassen. Vor ein paar Tagen ist entdeckt worden, dass ich 100 € zu viel für eine Rechnung bezahlt hatte. Das Geld wird mir jetzt zurücküberwiesen. Und – schwupp – schon ist es wieder weg. So schnell geht das.

Der Kellner klärt mich dann wegen dem Mohn auf. Es ist die typische Spezialität der Gegend und wird hier überall angebaut und in der Küche sehr gerne verwendet.

Im Waldviertel: Dobersberg – Karsten – Liebnitzmühle

Es verspricht heute sehr warm zu werden. Ich breche um 7 Uhr früh auf und muss nach 10 Minuten entnervt wieder umkehren. Habe ich tatsächlich eine Wegmarkierung übersehen? 10 Minuten später bin ich schlauer: die Wegmarkierung nebst Pfosten wurde abmontiert und ins hohe Gras geworfen. Ich ärgere mich über den Vandalismus, der mich 20 Minuten gekostet hat.

Ab dann kann ich wieder dem gut ausgeschilderten Weg folgen. Anfangs sehe ich einige Feldhasen und auch eine Ricke mit ihrem Kitz, die in hohen Sprüngen vor mir durch die Felder davon hüpfen. Insbesondere die Rehe erinnern mich so an die afrikanischen Antilopen. Es geht zuerst durch ein paar kleinere Dörfer und immer auf Landstraßen. Es fängt an richtig heiß zu werden. Eine Bäuerin, die auf dem Feld arbeitet, grüßt mich und beschließt, dass es heute zu warm sei, um weiterzumachen.

Zwei Wegstücke sind nicht so gut markiert. Dichter Brennnessel-, Brombeeren- und Springkrautbewuchs haben ein undurchdringliches Dickicht entstehen lassen. Fast hätte ich die Abzweige übersehen. Aber heute war schon jemand vor mir da und hat eine klar erkennbare Spur hinterlassen: das Großelternpaar aus dem österreichischen Rohrbach. Dankbar nehme ich den gebahnten Weg auf, ich kann sogar sehen, wo die Teleskopstöcke den Boden getroffen haben. Mit Sympathie denke ich an die beiden. Trotz der Bahnung werde ich immer wieder von Brennnesseln getroffen, so dass ich am Ende an allen freien Hautstellen rote Bläschen habe. Auch mein rechtes Auge hat etwas abbekommen und schwillt leicht an.

Im Ort Karlstein kaufe ich mir etwas zum Trinken im Supermarkt und mache Pause. Dann geht es wieder auf die Landstraße und durch das Dickicht. Immer wieder wechsle ich die Flußseite, es ist ein ständiges Auf und Ab. Endlich komme ich in Liebnitz an und erreiche die Liebnitzmühle. In einer Wohnanlage wohnt meine Kollegin mit ihrer dreijährigen Tochter, die gerade ihren Mittagsschlaf hält.

Wir begrüßen uns herzlich und ich staune, wie sie sich schon rein äusserlich verändert hat. Dann gibt es Wasser und Kaffee zu trinken. Wir nutzen die Zeit,  solange die Kleine schläft, und tauschen uns aus, was in den letzten 4 Jahren wichtiges im Leben des anderen passiert ist. Auch dem Zufall zollen wir Beifall: dass sie im letzten Jahr von Wien genau hierher gezogen ist nur 200 Meter vom E8 entfernt und genau heute auch Zeit für mich hat. In den nächsten Tagen fährt sie mit ihrer Tochter für drei Wochen weg.

Als die Tochter wach wird, gehen wir zusammen an die Thaya. Die Bewohner haben ein Floß gebaut und an einem über die Thaya gespannten Tau befestigt. Das finde ich natürlich als alter Wassermann toll! Ein Paar schwimmt bereits im Fluß. Wir steigen auf das Floß und bald unterhalten wir uns mit dem Paar. Ich kann nicht widerstehen und nach kurzer Rückfrage springe ich nackt in die Thaya. Das Wasser ist an der Oberfläche warm und erst tiefer erfrischend kalt. Wie schön ist doch Flussschwimmen. Die Thaya fließt hier sehr langsam und es ist gar kein Problem auch gegen den Strom zu schwimmen.

Später zeigt mir meine Kollegin ein kühles Gästezimmer. Super! Die Kleine und ich spielen dann ihr Lieblingsspiel Toitoi und später muss ich dann noch Bilder von meinem Handy zeigen. Am meisten interessieren sie die Tierfotos, wie Enten, Katzen und Hunde. Sie hat süsse Locken und ist total herzig, auch zeigt sie viel Geduld mit mir, wenn ich schon wieder schreckhaft zusammenzucken, wenn aus dem Spiel das Geräusch von fallenden Konservendosen ertönt.

Als wir hungrig werden, fahren wir mit dem Auto nach Raabs zum Essen. In einem schattigen Biergarten bestellen wir dann lokale Gerichte. Aber erzählen ist natürlich noch viel interessanter: Gruppendynamik ist das Hauptthema, dann Zukunftspläne. Zu meiner Überraschung kommt dann auch noch das Thema Kryptowährungen auf. 

Beim Essen mache ich dann eine unangenehme Überraschung: 2 Schrottkugeln haben den Weg in mein Essen gefunden und ich merke es erst als ich draufbeiße. Nach einer Reklamation bekommen wir dann die Desserts auf Kosten des Hauses. Wieder zurückgekehrt, sitzen wir noch mit ein paar sehr netten Hausbewohnern und Gästen (auch das Paar vom Fluß ist dabei) auf der Veranda und unterhalten uns bei Aperol Spritz und Bier über alles mögliche (leider auch wieder – aber nur kurz – über Kryptowährungen.) Es ist ein harmonischer Tagesausklang in einer idyllische Anlage mit Blick auf die Thaya. Hier lässt es sich aushalten!

Beim Zubettgehen entdecke ich, dass ich einen Sonnenbrand bekommen habe.

Im Waldviertel: Schrems – Waidhofen an der Thaya – Dobersberg

Ich sitze am Frühstückstisch in der Gesellschaft der Intensivjodlerinnen und lerne dabei einiges über die Kunst des Jodeln. U.a. dass eine gute Sängerin nicht unbedingt eine gute Jodlerin abgibt und dass sich gute Jodlerinnen auf der einen Seite sehr auf sich selber fokussieren müssen, aber auf der anderen Seite sich stimmlich zueinander bewegen, um einen gemeinsamen Klangteppich zu weben. Heidi, die Jodellehrerin ist nicht nur pädagogisch bezüglich der Musik aktiv, sondern auch ein Vorbild für die Emanzipation von Ansprüchen. Der Titel Jodeldifrei hat also auch eine lebensphilosophische Dimension.  Die Jodlerinnen haben mich in ihrer Tischgemeinschaft aufgenommen und ich habe richtig viel Freude an den gemeinsamen Gesprächen.

Schrems hat mich am Ende dann doch positiv überrascht. Anfangs dachte ich noch, was für ein elender und unfreundlicher Ort. Aber jetzt habe ich das städtische Moorschwimmbad erlebt, das ich von der Anlage, Großzügigkeit und Architektur für das gelungenste Moorbad halte, das ich jemals besucht habe. Und der Eintritt ist frei! Schrems hat ein eigenes Theater und Kunstmuseum (ein Grieche hatte sich vor Jahrzehnten ins Waldviertel verirrt, ist in Schrems hängengeblieben und hat ein Kunstmuseum und Skulturenpark in die Welt gebracht) und dann natürlich die GEA. Die GEA stellt Möbel, Matratzen und Schuhe her, die fast unverwüstlich sind. Ich hatte am Vormittag mir den Verkaufsraum (das hölzerne Rondell) angeschaut und dann gleich 2 Paar Schuhe (die berühmten „Waldviertler“ gekauft. Die Schuhe werden jetzt an meine Heimatadresse gesandt. Ich hatte sogar das Vergnügen die Lokalprominenz Heini Staudinger kennenzulernen, der der Spiritus Rektor der GEA und in ganz Österreich bekannt ist. Also Schrems ist definitiv einen Abstecher wert, aber man sollte sich dafür dann auch Zeit nehmen.

Gundi hat mich überzeugt, nicht über Heidenreichstein zu wandern, sondern gleich in das Thayatal zu gehen. Ich nehme den Bus von Schrems nach Waidhofen an der Thaya und starte die heutige Wanderung am Hauptplatz der gut erhaltenen Stadt. Der Wanderweg ist hervorragend ausgeschildert und ich komme gut voran. Durch die Stadt, an einer Straße entlang und dann direkt an den Fluß Thaya. 

Eine der Jodlerinnen hat mir erzählt, dass die Thaya während des Kalten Krieges der Grenzfluss zur Tschechoslowakei war und man immer noch Grenzmarken sehen könne. Durch die abgeschiedene Lage gäbe es dort sogar Fischadler. Ich bin gespannt, wildlebende Fischadler habe ich noch nie gesehen.

Die Thaya

Heute ist es warm. Ich habe glücklicherweise die Sonne im Rücken und es geht eine frische Brise. Der Weg führt durch Dörfer und kleine Städte an Feldern vorbei und leider auch teilweise auf von Autos befahrenen Landstraßen. Die dunklen Straßen sind von der Sonne aufgeheizt und die Autofahrer anscheinend keine Wanderer gewöhnt. Immer wieder weichen sie mir erst im letzten Moment aus. Es ist warm und ich schwitze ordentlich. Immer wieder mache ich eine Trinkpause. Das Wandern selber geht gut. Der neue Hüftschwung ist weniger anstrengend und ich bin lockerer in den Oberschenkeln. Das Knie tut fast nicht mehr weh. 

Endlich von der Straße weg und es geht durch einen Naturpark, der teilweise bewaldet ist. Bisher habe ich kaum Menschen gesehen auf dem Wanderweg, einmal werde ich von einem Radfahrerpaar überholt. Dafür sehe ich Wildtiere: einen Feldhasen, ein Fasanenpaar, den Kuckuck kann man gut hören und fast hätte ich eine Kreuzspinne über den Haufen gerannt, die ihr Netz über den Weg spannte. Der Weg ist auch wieder fast zugewachsen und macht den Eindruck, dass hier schon einige ZEIT kein Mensch mehr durchgelaufen ist. An einem Skilift habe ich einen guten Blick auf Dobersberg meinem heutigen Etappenziel. Es geht an einem Saugatter entlang bergab. Es lässt sich keine Sau sehen. Denen ist es bestimmt auch zu warm. 

Kreuzspinne

Kurz vor Dobersberg mache ich Halt und überlege, welchen Gasthof ich zuerst anvisieren soll. Da taucht ein Wandererpaar hinter mir auf. Beide tragen das gleiche leuchtende T-Shirt, nutzen intensiv ihre Teleskopstöcke und sind gut verschwitzt. Beide sehen aus, als ob sie nicht nur Tageswanderer sind und ich spreche sie an. Seit langem endlich mal wieder Mehrtageswanderer. Ich frage nach, ob sie einen Quartiervorschlag für Dobersberg hätten. Sie kennen sich auch nicht aus, aber haben ein Übernachtungspackage gebucht und nennen mir ihr Quartier für Dobersberg. Ich beschließe dort auch hinzugehen.

Nach 15 Minuten bin ich am Gasthof und bekomme auch ein günstiges, einfaches Zimmer. Ich dusche und rufe dann eine Kollegin an, mit der ich mich morgen in Liebnitzmühle an der Thaya treffen möchte. Wunderbar, sie hat Zeit und freut sich, auch ein Gästezimmer kann sie mir versprechen, da der lokale Gasthof leider ausgebucht ist.

Im Gasthof treffe ich das Radlerpaar wieder, die mich begeistert begrüßen. Das ist mir auch noch nicht passiert, dass die einzigen Radler, die mich heute überholt haben, in der gleichen Kneipe ihr Tagesziel haben und sich auch noch freuen, mich zu sehen. Ich treffe auch das Wandererpaar wieder und wir essen gemeinsam zu Abend. Es wird ein sehr schöner Austausch, da beide auch Wanderfreunde sind. Zum ersten Mal kann ich mich mit jemanden über die Strecke unterhalten, die ich gerade gewandert habe. Sie waren den ganzen Tag seit Waidhofen hinter mir und haben sogar meine Fusspuren im Gras gesehen. So haben wir uns dann gegenseitig noch auf Dinge aufmerksam machen können. Ich hatte z.B. in einer kleinen Kapelle am Weg Gebeine gesehen, sie hatte eine Haselnussplantage besonders interessant gefunden und er hatte eine Stelle im Wald, die nach Weihrauch geduftet hat. Schade, dass ich so etwas nicht öfters teilen kann. Beide sind seit 43 Jahren miteinander verheiratet und haben 8 Enkelkinder, für die sie jetzt ein Baumhaus bauen. Da werde ich schon ein bisschen neidisch, da die beiden sich offensichtlich gut verstehen und ergänzen. 

Morgen starten die beiden schon um 5 Uhr morgens. Da sie schneller sind als ich, werde ich dann wohl derjenige sein, der ihre Spuren im Gras entdecken kann ….

Back on the Trail: Bad Kreuznach – Linz – Gmünd – Schrems

Ich fühle mich wohl: Ich sitze oder liege in einem schattigen blumenbewachsenen Hinterhof mit Blick auf ein hölzernes Rondell der GEA und höre die Klänge des Jodel-Intensivseminars Jodldifrei von Heidi Clementi. 

Innenhof bei GEA in Schremps: für Ton bitte auf das Bild klicken

Wie bin ich hierher gekommen? Letzte Woche war ich noch in Bad Kreuznach und war am Überlegen, ob ich wieder wandern gehen kann. Meine seltsame letztjährige Krankheit hatte sich pünktlich zum Jahrestag wieder gemeldet und war an 6-7 Stellen an den Armen wieder aufgebrochen. Mein rechtes Knie hat überraschenderweise stark geschmerzt, wahrscheinlich eine Reaktion auf meinen neuen Hüftschwung. Vor einem Monat hat mein Orthopäde mir eine beidseitige Coxathrose (Hüfte) bestätigt und meine Patentochter, die Osteopathin ist, hat mir empfohlen mein Gangbild zu verändern. Das habe ich getan. Etwas zwischen Marilyn Monroe und John Wayne ist das erklärte Ziel und ich gehe inzwischen tatsächlich mit mehr Hüftschwung. Nur das linke Knie schmerzt seitdem …

Aber ich lebe nur einmal und Corona war jetzt auch lange genug. Am Montag bin ich schließlich in aller Frühe aufgebrochen und mit dem Zug nach Linz gefahren, wo ich letztes Jahr meine Wanderung unterbrechen musste. Ein Wiener Freund hatte mich gefragt: „Bist deppert? Was willstn in Linz??! Da is doch garnix!“ Der verständliche Irrtum eines Wiener Weltstädters, der in Wien den Nabel der Welt vermutet. 

Ich erlebe das anders. Linz hat mich mit offenen Armen empfangen: In meinem Lieblingscafé Cup of Soul wurde ich sofort wiedererkannt, herzlich begrüßt und bewirtet. Iris, die Chefin hat ein besonderes Gespür für die kleinen Details, die das Leben schöner machen, ihr kleiner Hund ist quasi das Schmusetier für alle Gäste und die barfüssige Andrea flitzt mit viel guter Laune hin und her und schaut, das jeder Gast gut versorgt ist. Das Angebot ist originell, da klassische Kaffeehausprodukte mit CBD und Hanfprodukten originell und schmackhaft kombiniert werden. Ich werde gerne wiederkommen. 

Andere Erlebnisse will ich nur kurz auflisten: Mit einer bulgarischen attraktiven Krankenschwester habe ich mich sehr gut über ihre Deutschlanderfahrungen ausgetauscht. In der Institution Ars Electronica habe ich den Linzer Bürgermeister bei einer Eröffnung einer neuen Ausstellung bewundern dürfen. Dem Paradies bin ich in der Ausstellung „Höhenrausch“ näher gekommen und hatte dort einen sensationellen Blick auf die Linzer Stadt und einem künstlichen Tiefnebel. Last but not least habe ich mit dem jüngsten Professor Österreichs auf einem lauschigen Platz in der Linzer Innenstadt zu Abend gegessen und über die Zukunft der Gruppendynamik diskutiert bis das Restaurant schließen musste. Es war einfach herrlich!

Aber eigentlich will ich ja wandern und am Mittwoch bin ich dann mit dem Bus nach Gmünd zum E8 gefahren. Gmünd ist eine Stadt im Waldviertel. Das Waldviertel ist eine karge Gegend mit viel Wald, Mooren und Steinen. Die Waldviertler sind bekannt dafür, dass sie harte Arbeiter sind, die der kargen Natur hier in der Vergangenheit ihren Lebensunterhalt abgetrotzt haben. Die Waldviertler sind eher nicht für ihren Humor bekannt. Das habe ich dann auf der Suche nach dem Weg gemerkt. Als ich ein Paar fragte, ob ich stören darf, um mich nach dem richtigen Weg zu erkundigen, bekam ich als Antwort ein schlichtes „Nein“.  Von der unterschiedlich erlebten Gastlichkeit der Waldviertler später noch mehr.

Es gibt hier viele Teiche und kleine Seen und in der Nähe eines Teichkettenrundweges fand ich dann schließlich den E8. Ausreichend ausgeschildert konnte ich mein Handy ausschalten und einfach den Markierungen folgen. Zuerst ging es durch den Malerwinkel, kurz einen Fluß (Braunau) entlang und dann auf die Blockheide. Ein wunderschönes Fleckchen Erde mit vielen granitenen Findlingen, Seen, Wald und einem Aussichtsturm, wo ich mir ein Eis gekauft habe. Auf dem E8 bin ich dann wieder alleine. Es geht durch einen aufgelockerten Nadelwald, mit ein paar Laubbäumen dazwischen. 

Inzwischen geht es auf den Abend zu und ich beschließe mal wieder eine Unterkunft zu suchen. In dem Dorf Eugenia gehe ich vom E8 ab. Laut den Wegweisern soll es hier Übernachtungsmöglichkeiten geben.  In der ersten winzigen Gasstätte: „Es tut uns leid, aber alle Zimmer sind mit Arbeitern belegt und zu Essen haben wir auch nichts“. In der zweiten Gaststätten (auch sehr einfach aber ein bisschen größer): „Wir haben nix frei, alle Zimmer sind mit Arbeitern belegt. Aber 2,5 km weiter da gibts einen Gasthof, der hat mehr Zimmer“. Nach 2,5 km komme ich nach Schrems zu dem Gasthof, der sieht schon wesentlich besser und größer aus. Aber: „Wie lange wollen Sie bleiben? Eine Nacht? Da muss i mal fragen. …. Also alle Zimmer sind mit Arbeitern belegt. Und jetzt können Sie bitte auch schon weitergehen“ Wow, dachte ich mir, habe ich das jetzt richtig gehört? Wo bleibt die österreichische Höflichkeit und der berühmte Charme? Auf dem Hauptplatz finde ich dann ein noch größeres und schöneres Hotel, das allerdings ein bisschen verlassen wirkt. Im Hotel treffe ich auf drei junge Menschen, die ich nach einem Zimmer frage. Die drei sind Berufsschüler, die hier einquartiert wurden, wer die Zimmer vergibt, wissen sie nicht, aber eine Telefonnummer haben sie für mich. Ich rufe an. Die erste freundliche Stimme des Tages meldet sich. „Hallo hier spricht die Marianne. Aber gerne können Sie bei uns übernachten. Kommen Sie doch zu unserer Hauptstelle, da ist es schöner und etwas zu essen haben wir auch für Sie“. Wunderbar, denke ich mir und stelle mir vor, heute nacht in einem Ausbildungsheim für Berufsschüler zu übernachten. Das kann ja auch ganz interessant werden…

Schließlich erreiche ich kurz vor 19 Uhr die Adresse. Komisch, alles scheint geschlossen zu sein. Der Personaleingang ist zu, der Lieferanteneingang ist dicht, ein seltsames Holzrondell scheint eine Art Verkaufsraum für Schuhe und Möbel zu sein. Vielleicht von den Berufsschülern? Aber auch geschlossen. Ich rufe noch einmal Marianne an. Marianne hilft mir wieder sehr freundlich: „Einfach weitergehen, dann kommen Sie auf einen Hinterhof“ Bei der Erklärung gehe ich mit dem Handy in der Hand gleich weiter. Tatsächlich ein schön bewachsener Hinterhof erscheint. „Sehen Sie die Frauen auf der Veranda? Dann sehen Sie auch gleich mich!“ Und tatsächlich, ich kann die Frauen erkennen und dann eine Gestalt, die aus dem Gebäude heraus winkend erscheint. Marianne. Zufrieden komme ich näher und begrüße sie. Dann bemerke ich, dass ich die Neugierde der Frauen auf der Veranda auch auf mich gezogen habe. Zwei gucken mich interessiert an, die ältere schaut mich mit weitaufgerissenen Augen sehr intensiv an. Ich schaue intensiv zurück. Sie kommt mir sehr bekannt vor. Aber das kann eigentlich nicht sein. Ich komme ein Stück näher. Wir schauen uns immer noch direkt an. Kann das …, aber nein das gibt es doch nicht. Schließlich erlöst sie uns und sagt: „Martin?“

Und ich antworte: „Gundi?!“ Gundi und ich kennen uns schon seit Jahren, aber immer nur per Telefon oder Zoom. Seit Corona treffen wir uns sogar regelmässig via Zoom, da wir beide zu einer experimentellen T-Gruppe der ÖGGO gehören. Gerade letzten Samstag hatten wir noch ein längeres Treffen gehabt und jetzt treffen wir uns ZUFÄLLIG im Waldviertel. Wir freuen uns total und klären die anwesenden Damen auf, die schon ein bisschen eifersüchtig und befremdet waren, dass ich ihnen so gar keine Beachtung geschenkt habe. Gundi und ich erleben uns zum ersten Mal dreidimensional und sind überrascht über den anderen Eindruck voneinander: farbiger, jünger… Wir freuen uns total!

Gundi ist im Waldviertel um mit anderen Frauen an einem Jodelseminar teilzunehmen. Ich beschließe den Ruf (bzw. das Jodeln) des Universums zu hören und einen Tag in Schremps zu bleiben. Zudem stellt sich heraus, das ich bei einer sehr interessanten karitativen Organisation Herberge gefunden habe: GEA steht für „Gast Auf Erden“ und hat in Österreich und Deutschland Niederlassungen. Es gibt also heute noch einiges zu entdecken neben dem bekannten Moor- und Naturbädern, die ich natürlich auch besuchen werde.