Author : Wander_2020_Europe_2020

Im Waldviertel entlang der Thaya: Geras – Hardegg

Es hat in der Nacht stark geregnet und gewittert. Sogar die Frösche aus dem Stiftsweiher haben irgendwann aufgehört zu quaken.

Es ist heute alles schön frisch und kühl. Am Vormittag ist es auch bewölkt und ich starte relativ spät los. Es geht mal wieder über Feldwege und durch die Getreidefelder. Heute fällt mir das Wandern leichter, obwohl ich am linken Fuß inzwischen eine Blase habe.

Zur Mittagszeit erreiche ich Langau. In einem Spargeschäft, das an einem Ausgang ein kleines Kaffeehaus eingerichtet habe, bestelle ich mir etwas zu Trinken. Der kleine Laden ist total voll: zwei Radlerpaare aus der Gegend von Linz, zwei Wanderer und ein Einheimischer. Die Radlerfrauen sind total extrovertiert und involvieren jeden in ein Gespräch. Nach einer kurzen Weile verabschieden sich die zwei Wanderer und ich werde ausgefragt.

Nach der Mittagspause geht es weiter, wieder über Felder, manchmal durch kleine Waldstücke. Heute ist viel mit Autos befahrene Landstraße dabei, das kann ich nicht leiden. Schließlich komme ich an eine Wegmarkierung, die mich verwirrt, da BEIDE Richtungen angezeigt werden. Ich entschließe mich für links und werde belohnt: auf dem Weg liegt ein großer und gut eingewachsener See. Ich kann nicht widerstehen und schon bin ich wieder nackt in einem Naturgewässer. Ich schwimme richtig lang und lass mich anschließend von der Sonne trocknen. Dann nehme ich die Wanderung wieder auf. Ich komme an einem Schild vorbei, in dem das Baden ausdrücklich verboten ist.

Schließlich komme ich wieder an einer ähnlichen verwirrenden Wegmarkierung vorbei, dann verstehe ich! Es hat sich dabei um eine eingebaute Wegschleife gehandelt. Egal. ob ich rechts oder links gegangen wäre, denn E8 hätte ich nicht verpasst. Das einzige, was hätte passieren können, dass ich den See verpasst hätte. Und das hätte ich trotz Badeverbot wirklich schade gefunden.

Es geht weiter durch den Wald und wieder entlang der Landstraße und durch Felder. Besonders fallen mir heute die Feldlerchen auf, die Krach machen für 10. Es ist anscheinend wieder Balz- und Brutzeit. Ich erinnere mich an letztes Jahr. Auf einmal rieche ich Kamille sehr intensiv. Und tatsächlich, anscheinend wird nicht nur Mohn in der Region angebaut, sondern auch Kamille. Ich passiere ein Kamillefeld.

Und schon wieder Landstraße, glücklicherweise nicht stark befahren. Inzwischen sind die Wolken weg und gleich wird es wieder wärmer. Eine nicht endenwollende ansteigende Straße führt schließlich in einen Wald, Ich habe den Thaya-Naturpark erreicht. Auf einmal kriege ich eine Nachricht auf mein Handy: ich sei jetzt in Tschechien. Und tatsächlich hier war die Thaya früher der Grenzfluss zum Warschauer Pakt oder auch der Eiserner Vorhang. Heute gibt es eine Brücke über die Thaya, die direkt auf die tschechische Seite führt. Es geht durch den Wald in Serpentinen abwärts bis zur Thaya. Inzwischen ist es nach 18 Uhr. In dem engen Tal wird es schattig. 

Ich suche mal wieder erfolglos nach einem Quartier für die Nacht. „Wir haben wegen Pandemie geschlossen!“ „Wir haben heute Ruhetag.“ „Wir sind ausgebucht, junger Mann Sie können doch nicht so spät buchen, das geht doch nicht“ Vielen Dank für den jungen Mann, wenn die Frau wüsste, wie alt ich wirklich bin. Ich schaue mir den Friedhof näher an. Es ist heute Abend warm und ich überlege schon, ob ich heute Nacht im Freien schlafe werde. Ich versuche noch mal mein Glück. Und tatsächlich in dem menschenleeren Dorf begegne ich einer tschechischen Blondine auf der Thayabrücke. Sie schickt mich zu einem Gasthof in der Nähe. Als ich ankomme, sehe ich einen halbnackten Wanderer auf dem Balkon stehen, der mir zeigt, wo es reingeht. Ich habe Glück, der Wirt vermietet mir eine Ferienwohnung für die Nacht. Aber es gibt kein Essen mehr. Vom Balkon kriege ich die Einladung zum Essen. Super!

Wie sich herausstellt, sind die Wanderer zu zweit und hatten mich schon Mittags im Kaffeehaus gesehen. Sie heißen Edi und Helmut und sind zwei ehemaligen Kollegen, die jetzt ihren Ruhestand mit Wanderungen verbringen. Edi meint: „Wir ham schon Mittags gewusst, dass wir dich wiedersehen werden.“ Verdutzt frage ich nach dem Warum. Helmut hatte sich schon zwei Tage vorher nach Zimmern in Hardegg erkundigt und wusste damit, dass unserer Gasthof, der einzige war, der noch Zimmer vermietet.

Die beiden haben sich im nahen Bäckerladen gut für ein Abendbrot eingedeckt. Ich werde eingeladen und stifte meine Flasche Mineralwasser und eine Packung Kürbiskerne. Aber vorher werde ich noch um Hilfe gebeten. Die Zimmer haben Badewanne mit Dusche. Aber Helmut – der bereits in der Wanne sitzt – weiß nicht, wie die Dusche angeschaltet wird. So sehe ich bei meiner zweiten Begegnung im Leben Helmut nackt in der Badewanne. Leider finde ich den Mechanismus auch nicht heraus.

Dann essen wir auf dem Balkon. Es gibt verschiedene Brotsorten, Aufschnitt, hartgekochte Eier und Gespritzten Wein. Am Ende werden sogar Quarktaschen (oder Topfengolatschen) serviert. Es ist richtig lustig. Helmut sitzt in Unterhemd und Unterhose und sorgt aufmerksam dafür, dass unsere Gläser nicht leer bleiben. Ich bin ziemlich schnell betrunken. Edi erzählt von der einzigartigen Beziehung zu seiner Tochter und wir unterhalten uns über unsere Töchter, unsere Wandererlebnisse und -begegnungen von heute, welche Route zum Schwarzen Meer für mich die beste sein könnte, warum es immer weniger Weitwanderer gibt und über bulgarische Krankenschwestern in Linz. Es stellt sich heraus, dass beide in der Nähe von Linz leben und dort lange an der Universität im Rechenzentrum gearbeitet haben. Also wieder Linz! Die Stadt und ihre Bewohner und Bewohnerinnen meinen es echt gut mit mir!

Im Waldviertel entlang der Thaya: Eibenstein – Drosendorf – Geras

Ich bin der einzige Gast im Gasthaus. Noch! Schließlich werden ja heute noch die Arbeiter erwartet. Ich bekomme ein gutes Frühstück serviert und die Gastwirte unterhalten sich mit mir. Das nenne ich Individualbetreung.

Dann geht es auch schon los. Nach Eibenstein geht es zuerst durch den Wald und dann über Felder auf Landstraßen nach Autendorf. Alles ist ruhig. Es fängt früh an wieder warm zu werden. Ich bin froh als ich Drosendorf erreiche. Drosendorf liegt direkt an der Thaya auf einem Felsen und war früher ein wichtiger Militärposten der Habsburger. Die mächtigen Mauern kann man heute noch sehen. Es scheint auch nicht besonders oft erobert oder gestürmt worden zu sein. Alle Gebäude innerhalb der Mauern sehen alt, aber gut erhalten aus. Ich hole mir Bargeld und lasse mir ein Kaffeehaus empfehlen. Das Mohnkaffeehaus ist dann allerdings eine positive Entdeckung. Seit 1840 gegründet und immer noch in Familienbesitz. Es gibt viele unterschiedliche Arten von Mohnkuchen bzw. -torten. Der Gastraum wurde – wahrscheinlich als Folge von Corona – als Verkaufsraum für alle möglichen Spezialitäten aus dem Waldviertel oder der Trivialistik genützt. Seinen Kaffee nimmt man auf der Veranda zum Hauptplatz ein. Ein sehr schönes Rathaus fällt mir auf und ich sehe wie die Schwalben dort zur Haupttür rein und raus fliegen. 

Dann ziehe ich weiter. Es wird schwül und es geht meistens über schattenlose Felder. Gewittertierchen versuchen mich immer wieder zu stechen. Ich spraye mich mit Autan ein. Endlich tauchen ein paar Wolken auf. Ich komme an einem Mohnfeld vorbei. Wirklich beeindruckend groß. Die Wolken werden dunkler. Weit entfernt höre ich das erste Donnergrollen. Ich fange an, mich zu beeilen. Mir fällt die Geschichte von dem Mann ein, der mehrfach vom Blitz getroffen wurde und es jedes Mal überlebt hatte. Er konnte sogar einen Schuh zeigen, der an der Spitze offen und verbrannt war. Ich möchte nicht vom Gewitter erreicht werden, um das auszuprobieren. Das Donnern wird stärker und ich sehe die ersten Blitze, ein kühler Wind kommt auf. Endlich erreiche ich Geras und nehme den ersten Gasthof. Gerade noch rechtzeitig: 15 Minuten später ist das Gewitter mit starkem Regen da. Der Gasthof sieht ziemlich vornehm aus und so sind auch die Preise. Ein bisschen kann ich runterhandeln. Es gibt eine Sauna und ich beschließe es mir heute gut gehen zu lassen. Vor ein paar Tagen ist entdeckt worden, dass ich 100 € zu viel für eine Rechnung bezahlt hatte. Das Geld wird mir jetzt zurücküberwiesen. Und – schwupp – schon ist es wieder weg. So schnell geht das.

Der Kellner klärt mich dann wegen dem Mohn auf. Es ist die typische Spezialität der Gegend und wird hier überall angebaut und in der Küche sehr gerne verwendet.

Im Waldviertel entlang der Thaya: Liebnitzmühle – Raabs – Eibenstein

Heute bin ich das bisher schönste Stück direkt an der Thaya gewandert. Alles ist ganz ruhig, die Luft ist frisch und immer wieder läuft der Weg direkt an der Thaya entlang, die gemächlich mit grün-brauner Farbe fließt. Ich kann Fischreiher sehen. Im Wald treffe ich einen Pilzsammler, der mir stolz seine Beute zeigt.

Ich erreiche Raabs, das eine gut erhaltene Altstadt und eine imponierende Burg hat. Hier fließen die österreichische und die böhmische Thaya zusammen. Auf dem Hauptplatz setze ich mich in einen Gasthof und esse ein Eis. Am Tisch nebenan treffen sich die Senioren der Stadt zum Kartenspielen: 3 spielen, 7 gucken zu und kommentieren von Zeit zu Zeit das Spiel.

Tha

Dann geht es schon weiter das Thayatal flussabwärts. Die Ufer sind hier relativ steil und hoch. So kommt es, dass es ständig steil bergauf und bergab geht. Ich komme ordentlich ins Schwitzen. Es ist wie ein Intervalltraining: bergauf geht es voll auf den Kreislauf und bergab ist dann die Entspannungsphase und es kommt mehr auf Geschicklichkeit an, da der Weg oft schmal und steil ist.

Ich passiere die Böhmische Mauer und erreiche eine Burgruine. Hier hole ich mir wieder etwas zu trinken. Ein paar Familien sind auch anwesend, es sind Sontagsausflügler. Von der Ruine geht es nach Kalmützgraben wieder an die Thaya runter.

Es ist inzwischen Mittag geworden und richtig heiß. Ich beschließe eine Mittagsrast einzulegen. An einem Plätzchen direkt am Weg halte ich. Ich habe seit Stunden niemanden gesehen und beschließe nackt in der Thaya mich abzukühlen. Hier ist der Fluß schneller und sehr flach. Zum Schwimmen reicht es leider nicht, aber ich kann mich abkühlen. Dann lege ich mich in den Schatten und schlafe ein. Ich werde von Stichen der Bremsen geweckt. Verflixte Biester, ich hatte gerade so schön geschlafen. Es ist inzwischen Nachmittag und ich wandere weiter: hoch und runter. Inzwischen ist es ein bisschen bewölkt und ich nehme jeden Schatten dankbar an.

Schließlich komme ich nach Eibenstein. Hier finde ich auch gleich eine Unterkunft. Die Wirtin Monika lacht und sagt, dass ich Glück gehabt hätte. Morgen seien alle Zimmer mit Arbeitern ausgebucht. Im Waldviertel scheint es so viel Arbeit zu geben, dass die Einheimischen nicht ausreichen und ständig irgendwelche Arbeitertruppen von auswärts mithelfen müssen. Die Pension hat nicht nur schöne Zimmer, sondern auch eine Liegewiese mit Zugang zum Fluß. Und schon wieder bin ich im Fluss baden. Für meinen Geschmack ist das Wasser schon ein bisschen zu warm. Die Farbe ist dunkelgrün und braun. Ich schwimme immer wieder ein Stück flussaufwärts und lasse mich dann auf dem Rücken wieder runtertreiben mit geschlossenen Augen. In der USA hatten sie so etwas den „Lazy River“ genannt. Zu weit darf ich mich allerdings nicht treiben lassen, weil dann ein Wehr kommt. Beim Raussteigen schlage ich mir den großen Zeh an einem unter der Wasseroberfläche liegenden. Stein blutig. Das Wasser ist fast undurchdringlich.

Erfrischt bekomme ich um 19 Uhr ein warmes Essen. Alles hausgemacht und von guter Qualität. Die Wirtin Monika ist freundlich und zuvorkommend. Ich trinke zwei Radler. An so einem heißen Sommertag schmeckt mir das. Danach bin ich müde und gehe in mein Zimmer. Dort stelle ich fest, dass ich mein Messer in der Liebnitzmühle vergessen habe. Naja, jetzt habe ich noch einen Grund mehr, da mal wieder vorbeizukommen.

Im Waldviertel: Dobersberg – Karsten – Liebnitzmühle

Es verspricht heute sehr warm zu werden. Ich breche um 7 Uhr früh auf und muss nach 10 Minuten entnervt wieder umkehren. Habe ich tatsächlich eine Wegmarkierung übersehen? 10 Minuten später bin ich schlauer: die Wegmarkierung nebst Pfosten wurde abmontiert und ins hohe Gras geworfen. Ich ärgere mich über den Vandalismus, der mich 20 Minuten gekostet hat.

Ab dann kann ich wieder dem gut ausgeschilderten Weg folgen. Anfangs sehe ich einige Feldhasen und auch eine Ricke mit ihrem Kitz, die in hohen Sprüngen vor mir durch die Felder davon hüpfen. Insbesondere die Rehe erinnern mich so an die afrikanischen Antilopen. Es geht zuerst durch ein paar kleinere Dörfer und immer auf Landstraßen. Es fängt an richtig heiß zu werden. Eine Bäuerin, die auf dem Feld arbeitet, grüßt mich und beschließt, dass es heute zu warm sei, um weiterzumachen.

Zwei Wegstücke sind nicht so gut markiert. Dichter Brennnessel-, Brombeeren- und Springkrautbewuchs haben ein undurchdringliches Dickicht entstehen lassen. Fast hätte ich die Abzweige übersehen. Aber heute war schon jemand vor mir da und hat eine klar erkennbare Spur hinterlassen: das Großelternpaar aus dem österreichischen Rohrbach. Dankbar nehme ich den gebahnten Weg auf, ich kann sogar sehen, wo die Teleskopstöcke den Boden getroffen haben. Mit Sympathie denke ich an die beiden. Trotz der Bahnung werde ich immer wieder von Brennnesseln getroffen, so dass ich am Ende an allen freien Hautstellen rote Bläschen habe. Auch mein rechtes Auge hat etwas abbekommen und schwillt leicht an.

Im Ort Karlstein kaufe ich mir etwas zum Trinken im Supermarkt und mache Pause. Dann geht es wieder auf die Landstraße und durch das Dickicht. Immer wieder wechsle ich die Flußseite, es ist ein ständiges Auf und Ab. Endlich komme ich in Liebnitz an und erreiche die Liebnitzmühle. In einer Wohnanlage wohnt meine Kollegin mit ihrer dreijährigen Tochter, die gerade ihren Mittagsschlaf hält.

Wir begrüßen uns herzlich und ich staune, wie sie sich schon rein äusserlich verändert hat. Dann gibt es Wasser und Kaffee zu trinken. Wir nutzen die Zeit,  solange die Kleine schläft, und tauschen uns aus, was in den letzten 4 Jahren wichtiges im Leben des anderen passiert ist. Auch dem Zufall zollen wir Beifall: dass sie im letzten Jahr von Wien genau hierher gezogen ist nur 200 Meter vom E8 entfernt und genau heute auch Zeit für mich hat. In den nächsten Tagen fährt sie mit ihrer Tochter für drei Wochen weg.

Als die Tochter wach wird, gehen wir zusammen an die Thaya. Die Bewohner haben ein Floß gebaut und an einem über die Thaya gespannten Tau befestigt. Das finde ich natürlich als alter Wassermann toll! Ein Paar schwimmt bereits im Fluß. Wir steigen auf das Floß und bald unterhalten wir uns mit dem Paar. Ich kann nicht widerstehen und nach kurzer Rückfrage springe ich nackt in die Thaya. Das Wasser ist an der Oberfläche warm und erst tiefer erfrischend kalt. Wie schön ist doch Flussschwimmen. Die Thaya fließt hier sehr langsam und es ist gar kein Problem auch gegen den Strom zu schwimmen.

Später zeigt mir meine Kollegin ein kühles Gästezimmer. Super! Die Kleine und ich spielen dann ihr Lieblingsspiel Toitoi und später muss ich dann noch Bilder von meinem Handy zeigen. Am meisten interessieren sie die Tierfotos, wie Enten, Katzen und Hunde. Sie hat süsse Locken und ist total herzig, auch zeigt sie viel Geduld mit mir, wenn ich schon wieder schreckhaft zusammenzucken, wenn aus dem Spiel das Geräusch von fallenden Konservendosen ertönt.

Als wir hungrig werden, fahren wir mit dem Auto nach Raabs zum Essen. In einem schattigen Biergarten bestellen wir dann lokale Gerichte. Aber erzählen ist natürlich noch viel interessanter: Gruppendynamik ist das Hauptthema, dann Zukunftspläne. Zu meiner Überraschung kommt dann auch noch das Thema Kryptowährungen auf. 

Beim Essen mache ich dann eine unangenehme Überraschung: 2 Schrottkugeln haben den Weg in mein Essen gefunden und ich merke es erst als ich draufbeiße. Nach einer Reklamation bekommen wir dann die Desserts auf Kosten des Hauses. Wieder zurückgekehrt, sitzen wir noch mit ein paar sehr netten Hausbewohnern und Gästen (auch das Paar vom Fluß ist dabei) auf der Veranda und unterhalten uns bei Aperol Spritz und Bier über alles mögliche (leider auch wieder – aber nur kurz – über Kryptowährungen.) Es ist ein harmonischer Tagesausklang in einer idyllische Anlage mit Blick auf die Thaya. Hier lässt es sich aushalten!

Beim Zubettgehen entdecke ich, dass ich einen Sonnenbrand bekommen habe.

Im Waldviertel: Schrems – Waidhofen an der Thaya – Dobersberg

Ich sitze am Frühstückstisch in der Gesellschaft der Intensivjodlerinnen und lerne dabei einiges über die Kunst des Jodeln. U.a. dass eine gute Sängerin nicht unbedingt eine gute Jodlerin abgibt und dass sich gute Jodlerinnen auf der einen Seite sehr auf sich selber fokussieren müssen, aber auf der anderen Seite sich stimmlich zueinander bewegen, um einen gemeinsamen Klangteppich zu weben. Heidi, die Jodellehrerin ist nicht nur pädagogisch bezüglich der Musik aktiv, sondern auch ein Vorbild für die Emanzipation von Ansprüchen. Der Titel Jodeldifrei hat also auch eine lebensphilosophische Dimension.  Die Jodlerinnen haben mich in ihrer Tischgemeinschaft aufgenommen und ich habe richtig viel Freude an den gemeinsamen Gesprächen.

Schrems hat mich am Ende dann doch positiv überrascht. Anfangs dachte ich noch, was für ein elender und unfreundlicher Ort. Aber jetzt habe ich das städtische Moorschwimmbad erlebt, das ich von der Anlage, Großzügigkeit und Architektur für das gelungenste Moorbad halte, das ich jemals besucht habe. Und der Eintritt ist frei! Schrems hat ein eigenes Theater und Kunstmuseum (ein Grieche hatte sich vor Jahrzehnten ins Waldviertel verirrt, ist in Schrems hängengeblieben und hat ein Kunstmuseum und Skulturenpark in die Welt gebracht) und dann natürlich die GEA. Die GEA stellt Möbel, Matratzen und Schuhe her, die fast unverwüstlich sind. Ich hatte am Vormittag mir den Verkaufsraum (das hölzerne Rondell) angeschaut und dann gleich 2 Paar Schuhe (die berühmten „Waldviertler“ gekauft. Die Schuhe werden jetzt an meine Heimatadresse gesandt. Ich hatte sogar das Vergnügen die Lokalprominenz Heini Staudinger kennenzulernen, der der Spiritus Rektor der GEA und in ganz Österreich bekannt ist. Also Schrems ist definitiv einen Abstecher wert, aber man sollte sich dafür dann auch Zeit nehmen.

Gundi hat mich überzeugt, nicht über Heidenreichstein zu wandern, sondern gleich in das Thayatal zu gehen. Ich nehme den Bus von Schrems nach Waidhofen an der Thaya und starte die heutige Wanderung am Hauptplatz der gut erhaltenen Stadt. Der Wanderweg ist hervorragend ausgeschildert und ich komme gut voran. Durch die Stadt, an einer Straße entlang und dann direkt an den Fluß Thaya. 

Eine der Jodlerinnen hat mir erzählt, dass die Thaya während des Kalten Krieges der Grenzfluss zur Tschechoslowakei war und man immer noch Grenzmarken sehen könne. Durch die abgeschiedene Lage gäbe es dort sogar Fischadler. Ich bin gespannt, wildlebende Fischadler habe ich noch nie gesehen.

Die Thaya

Heute ist es warm. Ich habe glücklicherweise die Sonne im Rücken und es geht eine frische Brise. Der Weg führt durch Dörfer und kleine Städte an Feldern vorbei und leider auch teilweise auf von Autos befahrenen Landstraßen. Die dunklen Straßen sind von der Sonne aufgeheizt und die Autofahrer anscheinend keine Wanderer gewöhnt. Immer wieder weichen sie mir erst im letzten Moment aus. Es ist warm und ich schwitze ordentlich. Immer wieder mache ich eine Trinkpause. Das Wandern selber geht gut. Der neue Hüftschwung ist weniger anstrengend und ich bin lockerer in den Oberschenkeln. Das Knie tut fast nicht mehr weh. 

Endlich von der Straße weg und es geht durch einen Naturpark, der teilweise bewaldet ist. Bisher habe ich kaum Menschen gesehen auf dem Wanderweg, einmal werde ich von einem Radfahrerpaar überholt. Dafür sehe ich Wildtiere: einen Feldhasen, ein Fasanenpaar, den Kuckuck kann man gut hören und fast hätte ich eine Kreuzspinne über den Haufen gerannt, die ihr Netz über den Weg spannte. Der Weg ist auch wieder fast zugewachsen und macht den Eindruck, dass hier schon einige ZEIT kein Mensch mehr durchgelaufen ist. An einem Skilift habe ich einen guten Blick auf Dobersberg meinem heutigen Etappenziel. Es geht an einem Saugatter entlang bergab. Es lässt sich keine Sau sehen. Denen ist es bestimmt auch zu warm. 

Kreuzspinne

Kurz vor Dobersberg mache ich Halt und überlege, welchen Gasthof ich zuerst anvisieren soll. Da taucht ein Wandererpaar hinter mir auf. Beide tragen das gleiche leuchtende T-Shirt, nutzen intensiv ihre Teleskopstöcke und sind gut verschwitzt. Beide sehen aus, als ob sie nicht nur Tageswanderer sind und ich spreche sie an. Seit langem endlich mal wieder Mehrtageswanderer. Ich frage nach, ob sie einen Quartiervorschlag für Dobersberg hätten. Sie kennen sich auch nicht aus, aber haben ein Übernachtungspackage gebucht und nennen mir ihr Quartier für Dobersberg. Ich beschließe dort auch hinzugehen.

Nach 15 Minuten bin ich am Gasthof und bekomme auch ein günstiges, einfaches Zimmer. Ich dusche und rufe dann eine Kollegin an, mit der ich mich morgen in Liebnitzmühle an der Thaya treffen möchte. Wunderbar, sie hat Zeit und freut sich, auch ein Gästezimmer kann sie mir versprechen, da der lokale Gasthof leider ausgebucht ist.

Im Gasthof treffe ich das Radlerpaar wieder, die mich begeistert begrüßen. Das ist mir auch noch nicht passiert, dass die einzigen Radler, die mich heute überholt haben, in der gleichen Kneipe ihr Tagesziel haben und sich auch noch freuen, mich zu sehen. Ich treffe auch das Wandererpaar wieder und wir essen gemeinsam zu Abend. Es wird ein sehr schöner Austausch, da beide auch Wanderfreunde sind. Zum ersten Mal kann ich mich mit jemanden über die Strecke unterhalten, die ich gerade gewandert habe. Sie waren den ganzen Tag seit Waidhofen hinter mir und haben sogar meine Fusspuren im Gras gesehen. So haben wir uns dann gegenseitig noch auf Dinge aufmerksam machen können. Ich hatte z.B. in einer kleinen Kapelle am Weg Gebeine gesehen, sie hatte eine Haselnussplantage besonders interessant gefunden und er hatte eine Stelle im Wald, die nach Weihrauch geduftet hat. Schade, dass ich so etwas nicht öfters teilen kann. Beide sind seit 43 Jahren miteinander verheiratet und haben 8 Enkelkinder, für die sie jetzt ein Baumhaus bauen. Da werde ich schon ein bisschen neidisch, da die beiden sich offensichtlich gut verstehen und ergänzen. 

Morgen starten die beiden schon um 5 Uhr morgens. Da sie schneller sind als ich, werde ich dann wohl derjenige sein, der ihre Spuren im Gras entdecken kann ….

Back on the Trail: Bad Kreuznach – Linz – Gmünd – Schrems

Ich fühle mich wohl: Ich sitze oder liege in einem schattigen blumenbewachsenen Hinterhof mit Blick auf ein hölzernes Rondell der GEA und höre die Klänge des Jodel-Intensivseminars Jodldifrei von Heidi Clementi. 

Innenhof bei GEA in Schremps: für Ton bitte auf das Bild klicken

Wie bin ich hierher gekommen? Letzte Woche war ich noch in Bad Kreuznach und war am Überlegen, ob ich wieder wandern gehen kann. Meine seltsame letztjährige Krankheit hatte sich pünktlich zum Jahrestag wieder gemeldet und war an 6-7 Stellen an den Armen wieder aufgebrochen. Mein rechtes Knie hat überraschenderweise stark geschmerzt, wahrscheinlich eine Reaktion auf meinen neuen Hüftschwung. Vor einem Monat hat mein Orthopäde mir eine beidseitige Coxathrose (Hüfte) bestätigt und meine Patentochter, die Osteopathin ist, hat mir empfohlen mein Gangbild zu verändern. Das habe ich getan. Etwas zwischen Marilyn Monroe und John Wayne ist das erklärte Ziel und ich gehe inzwischen tatsächlich mit mehr Hüftschwung. Nur das linke Knie schmerzt seitdem …

Aber ich lebe nur einmal und Corona war jetzt auch lange genug. Am Montag bin ich schließlich in aller Frühe aufgebrochen und mit dem Zug nach Linz gefahren, wo ich letztes Jahr meine Wanderung unterbrechen musste. Ein Wiener Freund hatte mich gefragt: „Bist deppert? Was willstn in Linz??! Da is doch garnix!“ Der verständliche Irrtum eines Wiener Weltstädters, der in Wien den Nabel der Welt vermutet. 

Ich erlebe das anders. Linz hat mich mit offenen Armen empfangen: In meinem Lieblingscafé Cup of Soul wurde ich sofort wiedererkannt, herzlich begrüßt und bewirtet. Iris, die Chefin hat ein besonderes Gespür für die kleinen Details, die das Leben schöner machen, ihr kleiner Hund ist quasi das Schmusetier für alle Gäste und die barfüssige Andrea flitzt mit viel guter Laune hin und her und schaut, das jeder Gast gut versorgt ist. Das Angebot ist originell, da klassische Kaffeehausprodukte mit CBD und Hanfprodukten originell und schmackhaft kombiniert werden. Ich werde gerne wiederkommen. 

Andere Erlebnisse will ich nur kurz auflisten: Mit einer bulgarischen attraktiven Krankenschwester habe ich mich sehr gut über ihre Deutschlanderfahrungen ausgetauscht. In der Institution Ars Electronica habe ich den Linzer Bürgermeister bei einer Eröffnung einer neuen Ausstellung bewundern dürfen. Dem Paradies bin ich in der Ausstellung „Höhenrausch“ näher gekommen und hatte dort einen sensationellen Blick auf die Linzer Stadt und einem künstlichen Tiefnebel. Last but not least habe ich mit dem jüngsten Professor Österreichs auf einem lauschigen Platz in der Linzer Innenstadt zu Abend gegessen und über die Zukunft der Gruppendynamik diskutiert bis das Restaurant schließen musste. Es war einfach herrlich!

Aber eigentlich will ich ja wandern und am Mittwoch bin ich dann mit dem Bus nach Gmünd zum E8 gefahren. Gmünd ist eine Stadt im Waldviertel. Das Waldviertel ist eine karge Gegend mit viel Wald, Mooren und Steinen. Die Waldviertler sind bekannt dafür, dass sie harte Arbeiter sind, die der kargen Natur hier in der Vergangenheit ihren Lebensunterhalt abgetrotzt haben. Die Waldviertler sind eher nicht für ihren Humor bekannt. Das habe ich dann auf der Suche nach dem Weg gemerkt. Als ich ein Paar fragte, ob ich stören darf, um mich nach dem richtigen Weg zu erkundigen, bekam ich als Antwort ein schlichtes „Nein“.  Von der unterschiedlich erlebten Gastlichkeit der Waldviertler später noch mehr.

Es gibt hier viele Teiche und kleine Seen und in der Nähe eines Teichkettenrundweges fand ich dann schließlich den E8. Ausreichend ausgeschildert konnte ich mein Handy ausschalten und einfach den Markierungen folgen. Zuerst ging es durch den Malerwinkel, kurz einen Fluß (Braunau) entlang und dann auf die Blockheide. Ein wunderschönes Fleckchen Erde mit vielen granitenen Findlingen, Seen, Wald und einem Aussichtsturm, wo ich mir ein Eis gekauft habe. Auf dem E8 bin ich dann wieder alleine. Es geht durch einen aufgelockerten Nadelwald, mit ein paar Laubbäumen dazwischen. 

Inzwischen geht es auf den Abend zu und ich beschließe mal wieder eine Unterkunft zu suchen. In dem Dorf Eugenia gehe ich vom E8 ab. Laut den Wegweisern soll es hier Übernachtungsmöglichkeiten geben.  In der ersten winzigen Gasstätte: „Es tut uns leid, aber alle Zimmer sind mit Arbeitern belegt und zu Essen haben wir auch nichts“. In der zweiten Gaststätten (auch sehr einfach aber ein bisschen größer): „Wir haben nix frei, alle Zimmer sind mit Arbeitern belegt. Aber 2,5 km weiter da gibts einen Gasthof, der hat mehr Zimmer“. Nach 2,5 km komme ich nach Schrems zu dem Gasthof, der sieht schon wesentlich besser und größer aus. Aber: „Wie lange wollen Sie bleiben? Eine Nacht? Da muss i mal fragen. …. Also alle Zimmer sind mit Arbeitern belegt. Und jetzt können Sie bitte auch schon weitergehen“ Wow, dachte ich mir, habe ich das jetzt richtig gehört? Wo bleibt die österreichische Höflichkeit und der berühmte Charme? Auf dem Hauptplatz finde ich dann ein noch größeres und schöneres Hotel, das allerdings ein bisschen verlassen wirkt. Im Hotel treffe ich auf drei junge Menschen, die ich nach einem Zimmer frage. Die drei sind Berufsschüler, die hier einquartiert wurden, wer die Zimmer vergibt, wissen sie nicht, aber eine Telefonnummer haben sie für mich. Ich rufe an. Die erste freundliche Stimme des Tages meldet sich. „Hallo hier spricht die Marianne. Aber gerne können Sie bei uns übernachten. Kommen Sie doch zu unserer Hauptstelle, da ist es schöner und etwas zu essen haben wir auch für Sie“. Wunderbar, denke ich mir und stelle mir vor, heute nacht in einem Ausbildungsheim für Berufsschüler zu übernachten. Das kann ja auch ganz interessant werden…

Schließlich erreiche ich kurz vor 19 Uhr die Adresse. Komisch, alles scheint geschlossen zu sein. Der Personaleingang ist zu, der Lieferanteneingang ist dicht, ein seltsames Holzrondell scheint eine Art Verkaufsraum für Schuhe und Möbel zu sein. Vielleicht von den Berufsschülern? Aber auch geschlossen. Ich rufe noch einmal Marianne an. Marianne hilft mir wieder sehr freundlich: „Einfach weitergehen, dann kommen Sie auf einen Hinterhof“ Bei der Erklärung gehe ich mit dem Handy in der Hand gleich weiter. Tatsächlich ein schön bewachsener Hinterhof erscheint. „Sehen Sie die Frauen auf der Veranda? Dann sehen Sie auch gleich mich!“ Und tatsächlich, ich kann die Frauen erkennen und dann eine Gestalt, die aus dem Gebäude heraus winkend erscheint. Marianne. Zufrieden komme ich näher und begrüße sie. Dann bemerke ich, dass ich die Neugierde der Frauen auf der Veranda auch auf mich gezogen habe. Zwei gucken mich interessiert an, die ältere schaut mich mit weitaufgerissenen Augen sehr intensiv an. Ich schaue intensiv zurück. Sie kommt mir sehr bekannt vor. Aber das kann eigentlich nicht sein. Ich komme ein Stück näher. Wir schauen uns immer noch direkt an. Kann das …, aber nein das gibt es doch nicht. Schließlich erlöst sie uns und sagt: „Martin?“

Und ich antworte: „Gundi?!“ Gundi und ich kennen uns schon seit Jahren, aber immer nur per Telefon oder Zoom. Seit Corona treffen wir uns sogar regelmässig via Zoom, da wir beide zu einer experimentellen T-Gruppe der ÖGGO gehören. Gerade letzten Samstag hatten wir noch ein längeres Treffen gehabt und jetzt treffen wir uns ZUFÄLLIG im Waldviertel. Wir freuen uns total und klären die anwesenden Damen auf, die schon ein bisschen eifersüchtig und befremdet waren, dass ich ihnen so gar keine Beachtung geschenkt habe. Gundi und ich erleben uns zum ersten Mal dreidimensional und sind überrascht über den anderen Eindruck voneinander: farbiger, jünger… Wir freuen uns total!

Gundi ist im Waldviertel um mit anderen Frauen an einem Jodelseminar teilzunehmen. Ich beschließe den Ruf (bzw. das Jodeln) des Universums zu hören und einen Tag in Schremps zu bleiben. Zudem stellt sich heraus, das ich bei einer sehr interessanten karitativen Organisation Herberge gefunden habe: GEA steht für „Gast Auf Erden“ und hat in Österreich und Deutschland Niederlassungen. Es gibt also heute noch einiges zu entdecken neben dem bekannten Moor- und Naturbädern, die ich natürlich auch besuchen werde.

Vom Mühlviertel an die Donau: Waxenberg – Sankt Veit – Linz

Direkt nach dem Frühstück unternehme ich einen Abstecher auf die Burgruine Waxenberg. Die Gemeinde Waxenberg hat die Burgruine instand gesetzt und den Burgturm begehbar renoviert, zusätzliche „Kunstwerke“ erweitern den Gesamteindruck.

Ich besteige den Turm und als ich oben angekommen bin, stehe ich inmitten einer Hochzeitsfeier von Einheimischen! Es ist so voll, dass ich zeitweise das wirklich tolle Panorama nicht sehen kann. Die Hochzeitsgäste sind alle aufgeregt und schwirren nur so umeinander. Ich merke auch schnell, dass ich nicht erwünscht bin und nach 10 Minuten verlasse ich den Turm und warne nach mir Kommende.

Der Wirt meiner letzten Herberge klärt mich auf und erzählt mir, dass immer wieder Ameisenhochzeiten sich auf dem Turm versammeln und keiner dieses Phänomen erklären kann. Es sind tausende von geflügelten Ameisen, die dort umherfliegen und mir ständig in die Augen geflogen sind oder sich auf meine Haut gesetzt haben. Die Ameisensäure ist nur leicht zu spüren gewesen, aber bei sovielen Ameisen ist es dann doch unangenehm. Ich bin beeindruckt von diesem Naturphänomen und rätsle, warum die Tiere sich den hohen Turm ausgesucht haben.

Ich wandere von Waxenberg nach Sant Veit. Einmal vom Berg runter, durch das Tal und auf die andere Seite wieder hoch. Sankt Veit liegt auch auf einem Berg. Positiv habe ich bisher erlebt, wie gut die ländliche Infrastruktur im Mühlviertel ist. Fast jedes Dorf hat einen Sparladen und andere Geschäfte. Auch Bushaltestellen mit stündlichen Abfahrten ist hier eine Selbstverständlichkeit.

Ich habe heute morgen auf die Wettervorhersage geguckt. Heute soll der letzte sonnige Tag für eine ganze Weile zu sein. Ich beschließe, die guten Busverbindungen zu nutzen und fahre mit dem Bus nach Linz, um einen Pausentag zu machen. In Linz, der drittgrößten Stadt in Österreich, habe ich einen schönen Tag mit vielen und intensiven Begegnungen. Ich lerne z.B. eine Maniküre/Pediküre kennen, mit der ich einen Gin Tonic trinke gehe und mich sehr gut unterhalten kann. Sie war in ihrer Jugend Profihandballerin gewesen und hat eine Menge skurriler Kunden, von denen sie mir lustige Geschichten erzählt.

Dieser Eintrag kommt mit Verspätung. Bitte entschuldigt. Der Grund ist der folgende: Am Donnerstagmorgen erhalte ich eine WhatsApp Nachricht. Meine Tante, mit der ich in einer Wohngemeinschaft lebe, hatte gestern einen Verkehrsunfall und liegt seitdem im Krankenhaus. Ich beschließe meine Tour zu unterbrechen und morgen nach Bad Kreuznach zurückzukehren, so dass ich mich um sie kümmern kann bis sie wieder fit ist.

Am Freitag bin ich mit dem Zug von Linz nach Bad Kreuznach gefahren. Meine Tante habe ich im Diakoniekrankenhaus besucht. Sie ist aktuell schmerzfrei und wird wahrscheinlich am Montag entlassen werden. Ich soll euch alle schön grüßen und für die vielen guten Wünsche danken!

Im Mühlviertel: Sankt Peter – Waxenberg

Sankt Peter am Wimberg im Mühlviertel

Heute ist wieder schönstes Wanderwetter! Bei Sankt Peter geht es direkt auf einen Wanderweg, der durch sattgrüne Wiesen führt. Die meisten Wiesen hier werden gerade geheut. Manchmal ist die Wiese schon fertig abgeerntet, dann liegt das Gras gemäht am Boden und trocknet zu Heu oder ein Bauer mäht die Wiese und es riecht nach frisch gemähten Gras. Olfaktorisch ist das ein echter Traum!

Mir begegnet eine Wandergruppe aus österreichischen Damen. Sie haben leider keine Zeit für ein Gespräch und sind schnell unterwegs. Sie wandern den Granitweg. Die hauptsächliche zugrundeliegende Gesteinsart im Mühlviertel ist Granit. Oft kann ich Granitbrocken liegen sehen. Die Damen sind alle mit Teleskopstöcken ausgerüstet. Vielleicht sind sie ja deswegen so schnell.

Ich merke heute, dass ich im Kopf müde werde. Das Wandern läuft dann fast wie von selbst (insbesondere da ich ja jetzt digitale Unterstützung habe) und ich denke an alles mögliche.

Einmal führt mich die Wanderapp mitten durch die Wildnis, um mir nach einer halben Stunde zuzurufen: „Der Weg liegt 150 Meter links von dir!“. Die Warnung hätte ich vor dreissig Minuten gebraucht. Ich schlage mich links durch Wald und Wiese und tatsächlich ich bin in kurzer Zeit wieder auf dem offiziellen Wanderweg.

Mittags mache ich Pause und lege mich auf eine Wiese im Schatten von zwei Birken. Ich bin in einer Bilderbuchlandschaft: Die Sonne scheint, ein lauer Wind sorgt für Abkühlung, saftig grüne Wiesen, idyllisch gelegene Dörfer mit großen und neuen Häusern, tollen Gärten; sogar die Rindviecher, denen ich heute begegnet bin, wirken glücklich. Kein Wunder: sie dürfen ihre Hörner tragen, Muttertiere zusammen mit ihren Kälbern oder Schumpen sind auf einer großen Wiese mit Bach und – ich glaube ich träume – ich sehe sogar einen Stier! Die Kühe hier müssen nicht auf die künstliche Befruchtung durch den Tierarzt warten, wenn sie Nachwuchs haben wollen. Die Weiden erinnern mich an das Oberallgäu. Kaum habe ich das gedacht, entdecke ich sogar Silberdisteln.

Am Nachmittag erreiche ich Waxenberg. Auf dem Berg steht eine Burgruine. Die Herberge ist heute vom gehobenen Niveau, aber ich habe im Umkreis von 8 Kilometern nichts freies oder geöffnetes gefunden. Einige Herbergen machen jetzt ihren Betriebsurlaub, da in Österreich heute die Schulen wieder angefangen haben. Mein Zimmer hat sogar eine Badewanne! Seit letztem Jahr lebe ich in Bad Kreuznach bei meiner Tante in einer Wohnung ohne Badewanne. Früher habe ich in Wohnungen mit Badewanne gelebt und das vielleicht zwei oder dreimal im Jahr genutzt. Jetzt wo ich keine Badewanne mehr zur Verfügung habe, ist es für mich Luxus pur. Ich lasse mir als erstes eine Badewanne ein. Mir fällt ein, dass ich nicht nach dem Preis gefragt habe, und befürchte billig wird es nicht. Aber den Gedanken schieb ich auf morgen und lege mich in die Wanne.

Burgruine Waxenburg von meinem Zimmer aus

Mir geht es gut.

Im Mühlviertel: Neufelden – Sankt Peter am Wimberg

Neufelden hat eine gut erhaltene Altstadt. Bevor ich mich auf den E8 mache, schaue ich mir die gut erhaltenen Häuser am Marktplatz und der Hauptstraße an. Dann geht es runter an die Große Mühl. Zuerst am Stausee entlang und dann am Fluß. Es ist alles ruhig und idylisch, nur 2 Rentner machen ihre Kajaks fertig, um auf dem Stausee ein bisschen zu paddeln. Nach ein paar Kilometern treffe ich auf eine Wallfahrtskapelle, die 150 Meter abseits vom Weg liegt. Ganz idyllisch im Wald. Das Augenbründle spendet „heiliges Wasser“, das angeblich Augenleiden heilen soll. Ich trinke das heilige Wasser und es schmeckt gut. Die Kapelle ist der Heiligen Maria gewidmet. Im Gästebuch erkenne ich, dass ich nicht der erste Besucher heute bin. Direkt vor mir war eine Gruppe, die sich auf einen „buen camino“ befindet.

Der E8 folgt dem Mühlvierteler Mittellandweg (150), der immer mal wieder markiert ist und mir Orientierung gibt.

Es geht weiter die Große Mühl hoch. Heute ist schönstes Wanderwetter und das Wandern auf dem Weg direkt am Fluß macht richtig Lust. Bei einem Wasserwerk führt eine Brücke über den Fluß. Hier kann ich gut die Gleise sehen. Es fährt eine Bummellok im Tal hoch runter und das regelmässig! Passanten werden durch eine Zugpfeife gewarnt, wenn sie die Gleise überqueren. Nach sieben Kilometern erreiche ich den Punkt, an dem ich die Große Mühl verlasse und den Iglbach weiter hochwandere. Aber jetzt mache ich erst einmal Rast. Ich setze mich ans Wehr, ziehe meine Schuhe und Socken aus und halte meine Füße in das kalte Wasser. Ach, ist das schön! Ich esse noch einen Apfel und ein paar Minikekse.

Ich wandere den Iglbach hoch, der um einiges kleiner ist als die Große Mühl und durch dichten Wald führt. Der Weg ist steil und ich werde langsamer. Als ich den Wald verlasse, komme ich auf einen Hof zu. Der Hof faszniniert mich auf den ersten Blick: es ist eine riesige Ansammlung von Gerätschaften, Maschinen und sogar Autos. Beim Näherkommen erkenne ich, dass ein alter Mann im vordersten Auto sitzt. Schläft er? Ich kann es nicht erkennen, denn er trägt eine Sonnenbrille. Auf einmal steigt der Mann aus dem Fahrzeug und kommt mir entgegen. Es stellt sich heraus, dass er versucht hat, das Auto zu starten. Wir unterhalten uns. Schließlich lädt er mich auf ein Getränk und Sitzgelegenheit auf seiner Terrasse ein. Ich nehme dankbar an, denn es ist inzwischen ganz schön warm geworden.

Auf der Terrasse ist es dann richtig nett. Seine Ehefrau bringt eine ganze Auswahl an Getränken. Wir sitzen zusammen und unterhalten uns. Er hat richtig Schmied gelernt und das Wohnhaus steht direkt neben der alten Schmiede. Alles ist erhalten geblieben und er könnte es jederzeit wieder in Betrieb nehmen. Später hatte er dann in Linz in einer Schiffswerft gearbeitet. Jetzt genießen er und seine Ehefrau das Leben im Ruhestand. Beide sind sehr interessiert an meiner Wanderung, dabei stellt sich heraus, dass sie die Reihe Gernstls Reisen – wie auch ich – gerne ansieht. Ich erinnere sie an Gernstl und sie rät mir meine Blogberichte später als Buch zu veröffentlichen. Als die Sonne anfängt hinter den Bäumen zu verschwinden, wandere ich weiter. Sie hat sogar noch versucht im nächsten Ort für mich ein Zimmer zu organisieren. Aber der eine Gasthof hat heute Ruhetag und der andere Betriebsferien. Ich bin gerührt über die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft dieser beiden Menschen.

Am Abend erreiche ich Sankt Peter am Wimberg. Der Ort liegt wirklich auf dem Berg. Beim Gasthof, der heute Ruhetag, habe ich Glück. Ich erwische gerade noch den Wirt, der mir ohne große Umstände ein Zimmer gibt, und sich dann auf seinen Traktor schwingt, um zum Mähen zu fahren. Zu essen gibt es im Gasthof heute nichts. Ich erreiche aber noch einen Sparladen und kann mir etwas zu essen und trinken kaufen.

Im Mühlviertel: Lembach – Neufelden

Heute morgen erfahre ich, dass ab Montag die Coronaregeln in Österreich wieder verschärft werden, d.h. Maskenpflicht in öffentlichen Räumen. Heute ist noch keine Maskenpflicht in Gaststätten und Hotels. Viele Gäste nutzen das noch einmal aus. Ich bin der einzige, der mit Maske herumläuft, bei mir ist das Tragen inzwischen schon zur Gewohnheit geworden.

Der erste Teil der heutigen Strecke ist ein Zubringer zum E8. Ich vertraue der Kartenanwendung, dass mir ein guter Wanderweg dahin schon gezeigt werden wird. Zuerst geht es auf einen Seufzerweg, der Kurgäste mit den Schönheiten der Natur bekannt machen möchte. Aber schnell führt mich die App durch Waldabschnitte, an Wiesen und Bauernhöfen vorbei, wo schon lange kein Wanderer mehr gegangen ist.

Einmal muss ich durch eine hüfthohe Brennnesselschneise und das mit kurzen Hosen. Als Grundschüler bin ich einmal in einen Brennnesselwald gefallen, es hat gebrannt wie Hölle und ich hatte überall Quaddeln vom Nesselgift. Darauf hin hat mich meine geliebte Großmutter mit der Zukunftsaussicht getröstet, dass ich in meinem Leben keine Gicht und Rheuma mehr bekommen könnte, weil das Nesselgift dagegen helfen würde. Jetzt muss ich an meine Großmutter denken.

Ich komme an einer Wiese mit neugierigen Kühen vorbei, die auf mich zukommen und ein paar Schritte begleiten. Dabei fallen mir drei Kühe auf. Eine schnuppert der anderen am Hinterteil rum und besteigt sie dann von hinten. Die andere Kuh lässt es sich gefallen und bleibt stehen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass diese Kuh zur Zeit paarungsbereit ist. Der Bauer müsste jetzt den Tierarzt zum Besamen holen.

Ich erreiche die kleine Mühl, einer der Flüsse die dem Mühlviertel ihren Namen gegeben haben. Ich laufe flussaufwärts und freue mich an dem vollen Fluß. Das Mühlviertel soll angeblich das wildwasserreichste Gebiet in Österreich sein.

In Doll überquere ich den Fluß und laufe südöstlich zur Großen Mühl nach Neufelden. Einem einzigen Mann begegne ich auf dem Weg nach Neufelden. Er steht an einem großen Haufen von Baumstämmen und sucht nach einem Eichenstamm, den er für den Bau eines Tisches braucht. Er trägt mich nach meiner Meinung, ob einer der Stämme eine Eiche sei. Viele Eichen habe ich heute noch nicht gesehen, hier gibt es mehr Nadelbäume und Ahorn. Er wohnt ganz in der Nähe und sucht schon seit ein paar Tagen.

Am späten Nachmittag komme ich in Neufelden an. Neufelden liegt zwar direkt an der Großen Mühl, aber bestimmt 70-80 Höhenmeter höher. Die letzten Meter haben es dadurch noch mal in sich und das mit dem Ziel direkt vor meine Augen. Neufelden selber ist ein hübsches Städtchen.

Ich habe Glück mit meiner Herberge. Die Wirtin ist sympathisch und gibt mir einen Upgrade auf das Zimmer. Das Zimmer hat einen tollen Ausblick auf die Große Mühl bzw. dem Stausee und ist großzügig geschnitten. Unter dem Hotel verläuft eine Wasserleitung, die zum Wasserkraftwerk führt, wo Strom erzeugt wird.

Stausee der Großen Mühl bei Neufelden

Es gibt sogar ein Hallenbad mit Whirlpool, das ich sofort ausgiebig benutze. Ich bin alleine im Hallenbad. Mein Muskelkater lockert sich, ich entspanne mich und fühle mich im Wasser federleicht. Meine Füsse fühlen sich an wie mit Wattekissen gepflastert. So ist das Leben schön und mir geht es gut!