Im Taubertal: Bad Mergentheim – Weikersheim – Creglingen

Im Taubertal: Bad Mergentheim – Weikersheim – Creglingen

Ich verlasse heute morgen Bad Mergentheim an der Tauber entlang und dann durch den Kurpark nach Igersheim. Dabei komme ich an einem Parkplatz für Wohnmobile vorbei. Es ist wieder alles tiptop eingerichtet. Kein Wunder, dass die Kurtaxe pro Tag in Bad Mergentheim mehr als 5 Euro gekostet hat. Der Wanderweg führt zwischen Tauber und Bahngleisen lang, Hier fährt die Westfrankenbahn, die ich schon in Kleinheubach gesehen habe.

In Igersheim geht es von der Tauber weg und wieder auf den Höhenwanderweg. Achtung! Die Karten und Wegweiser sind an der Stelle veraltet, an der man eine Landstraße überqueren muss. Nur eine Querstraße weiter führt eine kleine Fußgängerbrücke über die Straße. Ein aufmerksamer Bürger hilft sie mir zu finden.

Von dort ab geht es weiter durch den Ort nach oben. Heute vormittag ist perfektes Wanderwetter: bewölkt und nicht zu warm. Es ist wieder die idyllische Abwechslung zwischen Wald und Feldern und dem auf und ab.

Einmal werde ich von einem rüstigen Wandererpaar überholt. Zuerst höre ich eine Maschinenstimme. Ich drehe mich um und sehe ein älteres Paar. Er trägt Sandalen und einen leichten Rucksack. Beide tragen dunkle und funktionale Wanderkleidung. Sie werden auf meinen Rucksack aufmerksam und sprechen mich an. Auf die Frage nach dem Wohin antworte ich heute „Schwarzes Meer“. Manchmal antworte ich „nach Osten“ oder „nach Wien“. Die Antwort mit dem Meer erzeugt immer die meisten Nachfragen. Die Frau fragt sofort nach. Nach drei, vier Fragen aber ziehen die beiden leichtfüssig weiter.

Der nächste Ort ist Weikersheim. Von der Höhe aus hat man einen tollen Blick auf die Stadt und das Tal. Die Stadt hat einen gut erhaltenen alten Kern. Inzwischen ist die Stadt aber stark gewachsen und ich kann gut große Gewerbegebiete sehen und Neubaugebiete für Wohnungen.

Weikersheim von der Anhöhe aus gesehen

Zu Weikersheim gehört ein großes und gut erhaltenes Schloß mit Park. Im Vergleich zum historischen Teil der Stadt, wirkt das Schloß überproportional groß gemessen an Raum, Höhe, Material und Ausstattung. Der Fürst hat damals anscheinend feudal und repräsentativ gelebt. Vor dem Schloßeingang ist der Marktplatz, um dem sich Restaurants, Hotels und Cafés reihen.

Hier esse ich zu Mittag, das schlechteste bisher auf meiner Reise. Dort treffe ich auch das Paar wieder, das ein Glas Wein trinkt. Als ich mit dem Essen fertig bin (es ging relativ schnell wegen der Qualität), spricht mich die Frau an. Sie hatte sich vorhin geärgert, dass sie so schnell weitergegangen seien, weil sie hätte noch so viele Fragen gehabt. Ich lade sie und ihren Mann ein, Platz zu nehmen. Ich bin neugierig geworden, was ihr Anlass für die zweite Befragung ist. Sie fragt viele technische Dinge, nach Ausführung und Dauer meiner Wanderung und andrer längerer Wandertouren, die ich schon unternommen hatte. Irgendwann meine ich zu verstehen, dass sie sich selber wünscht, so eine Reise zu unternehmen. Ich spreche die beiden darauf an. Ihre Reaktion finde ich spannend. Er fängt sofort an, einen Vortrag zu halten, wie schwierig es sei, die allgemeinen gesellschaftlichen Konventionen und Erwartungen zu verlassen um das individuelle und singuläre zu tun. Sie macht auf mich einen schon fast erschrockenen Eindruck bei dem Gedanken, so eine Wanderung selbst zu unternehmen.

Ich wechsle das Thema und frage nach der Maschinenstimme und den Sandalen. Er zeigt mir bereitwillig eine App, mit der die beiden den HW3 wandern, rein nach Stimme und so auch noch Strom sparen. Der Mann ist so gut zu Fuß, dass er gut mit Sandalen zurecht kommt. Er verweist mich auch auf die Sherpas im Himalaya, die mit noch viel schlechterem Schuhwerk unterwegs sind.

Wir sind uns einig, dass kaum noch jemand hier wandert und es inzwischen viel mehr Radfahrer gibt. Ich mache sie darauf aufmerksam, dass sie ja damit schon den breiten Pfad der Allgemeinheit verlassen haben und bestimmt auch den nächsten Schritt einer Fernwanderung wagen können. Die Frau wirkt nachdenklich auf mich als wir uns voneinander verabschieden.

Ich schaue mir das Schloß an und ziehe dann weiter. Inzwischen hat es das Regnen angefangen. Außerhalb der Stadt ist es wieder sehr ruhig. Ich komme an einem Jagdpark mit Schloß vorbei, den sich die Fürstenfamilie 200 Jahre lang gegönnt hat. Ich denke an die Steuern und Abgaben, die die Weikersheimer dafür leisten mussten.

Ich wandere durch Felder und dabei fallen mir sehr breite Blühstreifen auf. Nein, nicht nur Streifen, das sind schon richtige Blühfelder von blauen Blumen, quasi eine riesige Nektartankstelle für Insekten. Und wie an einer Tankstelle in Luxemburg ist auch voll Betrieb und das ganze Feld summt und brummt.

Blühfeld im Taubertal

Es wird allmählich Abend und im nächsten Ort suche ich nach einer Unterkunft. Ein Waldschwimmbad ist vorhanden, das mich optimistisch stimmt hier fündig zu werden. Beim ersten Ferienbauernhof werde ich zum nächsten geschickt. Beim zweiten stürmt als erstes ein großer, schwarzer Hund auf mich zu. Ich kriege erst einmal einen Schrecken. Aber der Hund ist freundlich, genauso wie die Familie, die hinter ihm herkommt. Aber leider ist auch hier alles ausgebucht. Die Chefin Frau Andrea Seeber macht mir spontan das großzügige Angebot, falls ich nichts finden sollte und auch der Bus nicht mehr kommt, mich in das nahegelegene Creglingen zu fahren. Einen Ferienhof später, der auch ausgebucht ist, und eine Erkenntnis weiser, dass die Busse hier nur auf vorheriger telefonischer Anmeldung kommen, nehme ich ihr Angebot an. Dabei gucken mich ihre jugendlichen Kinder so interessiert an, dass ich vermute, dass mein Aussehen inzwischen schon richtig seltsam sein muss.

Frau Seeber und ich unterhalten uns auf der Fahrt gut und sie wünscht mir viel Glück auf der weiteren Reise. Sie kennt sogar Bad Kreuznach, da dort eine Polsterin arbeitet wie sie es auch tut.

Creglingen ist nicht sehr groß. Ich finde eine Liste der Unterkunftsmöglichkeiten. Ich habe Glück und bekomme das letzte Zimmer im Gasthof. Die Wirtin erzählt mir, dass sie eigentlich schon das „Belegt“-Zeichen raushängen wollte, aber geschwind noch was tun wollte. Zehn Minuten später und ich wäre umsonst gekommen.

Später im Zimmre stelle ich fest, dass ich mir nach 21 Tagen tatsächlich zum ersten Mal eine Blase gelaufen habe.

2 thoughts on “Im Taubertal: Bad Mergentheim – Weikersheim – Creglingen

  1. Wir sind als Rekruten 1960 in Fritzlar mit nagelneuer Ausrüstung (u.a. Knobelbecher, Socken) durch die Stadt zum Übungsplatz und zurück marschiert (ca. 7 km). Alle Kameraden hatten sich Blasen zugezogen. Der Sani ging abends durch die Stuben und verarzte die bäuchlings auf ihren Betten liegenden „Verwundeten“.
    Die altgedienten Ausbilder (Wehrmacht/BGS) empfahlen uns, über Nacht in die Knobelbecher zu pinkeln und die stinkenden Socken weiterhin zutragen. Das mit dem Urin erübrigt sich wegen Deines hervorragenden alpinen Schuhwerks; aber denke an die Socken!
    Wir begleiten Dich, Horrido Joho!

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