My recipy "How to explore a strange City" in German and Romanian Language. My story hiking the European Hiking Trail E 8 from Germany towards the East (see Archive 2020- 2021)
Ich bin der einzige Gast im Gasthaus. Noch! Schließlich werden ja heute noch die Arbeiter erwartet. Ich bekomme ein gutes Frühstück serviert und die Gastwirte unterhalten sich mit mir. Das nenne ich Individualbetreung.
Dann geht es auch schon los. Nach Eibenstein geht es zuerst durch den Wald und dann über Felder auf Landstraßen nach Autendorf. Alles ist ruhig. Es fängt früh an wieder warm zu werden. Ich bin froh als ich Drosendorf erreiche. Drosendorf liegt direkt an der Thaya auf einem Felsen und war früher ein wichtiger Militärposten der Habsburger. Die mächtigen Mauern kann man heute noch sehen. Es scheint auch nicht besonders oft erobert oder gestürmt worden zu sein. Alle Gebäude innerhalb der Mauern sehen alt, aber gut erhalten aus. Ich hole mir Bargeld und lasse mir ein Kaffeehaus empfehlen. Das Mohnkaffeehaus ist dann allerdings eine positive Entdeckung. Seit 1840 gegründet und immer noch in Familienbesitz. Es gibt viele unterschiedliche Arten von Mohnkuchen bzw. -torten. Der Gastraum wurde – wahrscheinlich als Folge von Corona – als Verkaufsraum für alle möglichen Spezialitäten aus dem Waldviertel oder der Trivialistik genützt. Seinen Kaffee nimmt man auf der Veranda zum Hauptplatz ein. Ein sehr schönes Rathaus fällt mir auf und ich sehe wie die Schwalben dort zur Haupttür rein und raus fliegen.
Dann ziehe ich weiter. Es wird schwül und es geht meistens über schattenlose Felder. Gewittertierchen versuchen mich immer wieder zu stechen. Ich spraye mich mit Autan ein. Endlich tauchen ein paar Wolken auf. Ich komme an einem Mohnfeld vorbei. Wirklich beeindruckend groß. Die Wolken werden dunkler. Weit entfernt höre ich das erste Donnergrollen. Ich fange an, mich zu beeilen. Mir fällt die Geschichte von dem Mann ein, der mehrfach vom Blitz getroffen wurde und es jedes Mal überlebt hatte. Er konnte sogar einen Schuh zeigen, der an der Spitze offen und verbrannt war. Ich möchte nicht vom Gewitter erreicht werden, um das auszuprobieren. Das Donnern wird stärker und ich sehe die ersten Blitze, ein kühler Wind kommt auf. Endlich erreiche ich Geras und nehme den ersten Gasthof. Gerade noch rechtzeitig: 15 Minuten später ist das Gewitter mit starkem Regen da. Der Gasthof sieht ziemlich vornehm aus und so sind auch die Preise. Ein bisschen kann ich runterhandeln. Es gibt eine Sauna und ich beschließe es mir heute gut gehen zu lassen. Vor ein paar Tagen ist entdeckt worden, dass ich 100 € zu viel für eine Rechnung bezahlt hatte. Das Geld wird mir jetzt zurücküberwiesen. Und – schwupp – schon ist es wieder weg. So schnell geht das.
Geras
Der Kellner klärt mich dann wegen dem Mohn auf. Es ist die typische Spezialität der Gegend und wird hier überall angebaut und in der Küche sehr gerne verwendet.
Es ist schon beim Start in den Tag warm. Aus Eichstätt geht es erst einmal mit einem steilen Anstieg auf die Höhe. Einmal oben bin ich schon vollkommen nass geschwitzt. Ich komme an abgeernteten Getreidefeldern vorbei, in der Nähe von Eichstätt gibt es kaum schattenspendende Wälder. Ich komme mir ein bisschen wie ein Tramp im Mittleren Westen der USA vor. Die müssen sich ähnlich gefühlt haben: heiß und der Weg und Horizont haben kein Ende. Der Höhenwanderweg geht hier in einer weiten Schlaufe von der Altmühl weg, so dass ich auch keine interessanten Talblicke habe.
Gegen Mittag wird es bewölkter, aber es ist auch schwül geworden. Inzwischen bin ich auf Waldwegen unterwegs. Buchenwald wechselt sich mit Fichtenwald immer wieder ab. Die Wälder sind hier aufgeräumt und werden wahrscheinlich wirtschaftlich gemanagt.
Am frühen Nachmittag erkenne ich, dass die Wolkenwand immer dichter und dunkler wird. Ich fange an, mich zu beeilen. Ich möchte nicht schon wieder in ein Unwetter kommen. Gestern sind auch nicht alle Sachen richtig trocken geworden. Die Schuhe waren heute morgen innen immer noch feucht.
Auf dem Weg ist es ereignisarm und ich bin mal wieder in einem Funkloch. Ich muss aufpassen, dass ich keine Wegmarkierungen verpasse. Wenn ich einfach so dahin wandere, falle ich manchmal in eine Art Trancezustand. Ihr kennt das vielleicht, wenn ihr mit eurem Auto tagein, tagaus die gleiche Strecke fahren müsst. Ihr seid so automatisiert, dass ihr gar nicht mehr bewusst wahrnehmt, wie ihr eigentlich gefahren seid. Der Unterschied zu mir ist, dass ich die Strecke, die vor mir liegt, noch nie gegangen bin. Ein weiterer Unterschied ist, dass ich manchmal ins Tagträumen komme und dann nicht mehr richtig weiß, habe ich mir das jetzt eingebildet oder ist es wirklich passiert.
Sowas passiert mir heute wieder. Ich sehe, wie mir eine weiße Gestalt entgegenkommt. Beim Näherkommen stelle ich fest, dass es sich um eine junge Frau handelt, in einem weißen Kleid, mit hellem sommerlichen Hut mit breiter Krempe und einem leichten Schal, den sie um den Hals gewickelt hat. Beim Vorbeigehen schaut sie mich kurz an und lächelt. Ich bin irritiert: Einbildung oder Wirklichkeit? Ich drehe mich um, aber sie ist schon nicht mehr zu sehen.
Jetzt muss ich aber schleunigst weiter. Erste Tropfen Regen spüre ich schon. Die letzten Kilometer machen mir keinen Spaß, da ich versuche vor der Gewitterfront davon zu laufen.
Endlich erreiche ich meinen heutigen Zielort: Gungolding. Ich gehe wieder ruhiger, jetzt sind es vielleicht noch 500 Meter bis zum Gasthof. Ich komme an die Brücke über die Altmühl. Vor mir sehe ich einen alten Mann im Rollstuhl, der mühsam versucht die Steigung hochzukommen. Mit den Worten „darf ich schieben?“ nehme ich die Griffe in die Hände und schiebe ihn auf die Brücke. Er will nur bis zur Brückenmitte. Er bedankt sich bei mir und erklärt, dass von hier aus der Blick auf die Altmühl am schönsten sei und er das jeden Abend so machen würde. Befriedigt gehe ich weiter. Jetzt fühle ich mich gut.
Blick auf die Altmühl in Gungolding
Ich erreiche den Gasthof. Ich werde in oberbayrischer Mundart begrüßt. Ich habe heute die Sprachgrenze vom Fränkischen ins Oberbayrische überquert. Im Hintergrund höre ich das Gewitter. Heute erreicht es mich nicht und zieht einfach nur vorüber.
Heute morgen regnet es. Deshalb breche ich erst am Vormittag bei bewölktem Himmel später als sonst auf. Auf dem Weg durch Dollnstein begegnet mir ein Damenquartett. Unser Weg hatte sich gestern schon zweimal gekreuzt. Wir grüßen uns kurz und schon ziehen sie leichtfüßig vor mir weg.
Auch am Sonntag ist reger Bootsbetrieb auf der Altmühl. Auch heute ist kein Platz für mich frei. Ich laufe durch die mittelalterliche Stadt durch das Peterstor raus. Rechts nach dem Tor geht es bald wieder auf den E8. Ein kurzer Anstieg und ich wandere auf halber Höhe die Altmühl entlang. Es ist ein schöner Weg. Heute sind auch mehr Menschen auf dem Wanderweg unterwegs als ich es bisher gewöhnt bin. Viele Spaziergänger, die einfach an ihrer sommerlichen Kleidung zu erkennen sind.
Um die Mittagszeit suche ich eine Sitzgelegenheit zum Rast machen. Und – welch eine Überraschung – hole das Damenquartett ein, die gerade ihre Pause auf einer Bank beenden. Sie überlassen mir großzügig die Sitzbank und ich kann bei einer schönen Aussicht meine Brotzeit essen.
Ich folge weiter den Weg bis Obereichstätt und passiere den Ort oberhalb. Dann geht es steil bergauf. Es geht ein Stück durch den Wald und ich komme ordentlich ins Schwitzen. Fast oben angekommen liegt ein Stück Wiese, auf der eine fast 30 Meter lange Sitzbank steht. Die Bank ist aus einem einzigen Baum gefertigt worden! Man hat den Stamm einfach halbiert und als Sitzbank mit Talblick aufgestellt. Absolut coronatauglich!
Auf der langen Bank sitzen …
Von dort aus geht es weiter auf eine breite Hochwiese. Mir fallen Modellflieger auf. Trotz des aufkommenden starken Windes schaffen es die Piloten am Boden ihre kleinen Flugzeuge sicher zu fliegen. Manchmal fliegen sie so nah an mir vorbei, dass ich mir ernsthaft überlege, was ich tun muss, falls mir einer doch zu nahe kommt.
Als ich die Männer erreiche, fangen diese auf einmal an ihre Flugzeuge zu landen und abzutransportieren. Sie machen mich auf eine Regenfront aufmerksam, die rasch näher kommt.
Modellflugzeuge im Altmühltal
Und tatsächlich schon fängt es an zu tropfen. Ich ziehe mir sicherheitshalber meine Regenjacke über.
Ich komme an einem Steinbruch vorbei. Überall Kalksteinplatten. Es sieht aus wie ein riesiger Scherbenhaufen. Ich höre es Donnern. Nicht nur einmal, sondern es ist wie ein richtiges Donnerrauschen. Ich bin irritiert und gucke nach Blitzen. Doch ich kann keine sehen. Der Wind wird immer stärker. Ich bin irritiert, ist das vielleicht doch kein Donnern, sondern vielleicht ein Windgeräusch, das bei diesem Steinbruch entsteht.
Steinbruch Solnhofen Kalkplatten
Jetzt fängt es an immer stärker zu regnen. Nichts zum unterstellen, ich bin inzwischen auf einem freien Feld. Der Wind treibt den Regen fast horizontal über den Boden. Ich werde richtig durch und durch nass. Meine Schuhe laufen voll Wasser. Zwei, drei Autos fahren an mir vorbei. Die Modellflugzeugpiloten. Keiner kommt auf die Idee anzuhalten und mich mit zu nehmen. Ich fange an zu laufen, um in ein nahegelegenes Wäldchen zu kommen und mich unterzustellen. Dabei meide ich die hohen Bäume, da das Donnern kontinuierlich weitergegangen ist. Blitze kann ich immer noch nicht sehen. Ich muß an den ukrainischen Fußballspieler denken, der letzte Woche beim Einspielen vom Blitz getroffen wurde. Auf dem Video war auch kein Gewitter zu erkennen.
ein nahendes Gewitter
Schließlich hört es auf. Kurz darauf scheint die Sonne. Ich folge dem E8 und steige in das Tal hinunter. Schnell komme ich an menschliche Behausungen vorbei und überquere die Altmühl und laufe auf einem Fahrradweg wieder dem Fluß entlang. Dabei kann ich die imposante Willibaldsburg Eichstätt sehen. Willibald war einer der englischen Geschwister, deren Geschichte mir schon im Kloster Heidenheim begegnet war. Eichstätt war die erste Klostergründung von Willibald im 8. Jahrhundert gewesen. Die Burg kommt mir riesig vor.
Auf der ersten Bank setze ich mich und ziehe mir Schuhe und Socken aus. Ich leere das Wasser aus den Schuhen und wringe die Socken aus. Die Sonne ist wieder da und schon sind die Radler unterwegs, die mich neugierig anschauen beim Vorüberfahren. Die Socken werden leider nicht so schnell trocken, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich beschließe, Schuhe und Socken wieder anzuziehen und möglichst schnell zu meiner Unterkunft zu kommen.
Ich komme unter einer Fußgängerbrücke durch. Und wen sehe ich auf der Fußgängerbrücke? Das Damenquartett, die ich weit vor mir gewähnt hatte. Wie hatte ich es geschafft, sie unbemerkt zu überholen? Die Frauen erkennen mich auch wieder und winken mir zu. Meine Tante in Bad Kreuznach würde jetzt sagen, dass ist kein Zufall mehr, das Universum schickt dir eine Nachricht. Wir unterhalten uns kurz und die Damen verraten mir, wo sie beabsichtigen heute Abend zu speisen: In der Brauereigastwirtschaft zur Trompete. Dann trennen sich wieder unsere Wege.
Ich erreiche meinen Gasthof und habe Glück, dass der Wirt auch gerade da ist, da sonst geschlossen wäre. Ein einfaches, aber günstiges Zimmer ist noch da. Auf dem Flur ist eine Dusche und ein WC. Für mich ist es gut genug. Ich beziehe das Zimmer, hänge meine Sachen zum Trocknen auf, mache mich frisch und dann ruhe ich mich aus. Die Naturdusche während des Unwetters war nicht so gut für meinen rechten Fuß, der immer stärker schmerzt.
Nach einer guten Stunde ziehe ich meinen letzten trocknen Sachen an und gehe von der Westenstraße in Richtung Ostenstraße. In der letzten Stunde hat es noch einmal gut geregnet und die Stadt dampft. Viele alte Gebäude, aber mit hübschen originellen Geschäften. Es gefällt mir, dass die Stadt voller Leben ist.
In der Ostenstraße ist die Brauereigaststätte zur Posaune gelegen. Just in dem Moment als ich vor dem Gasthaus ankomme, sehe ich das Damenquartett über die Straße gehen. Die Damen und ich haben den gleichen Biorhythmus, zumindestens was die Zeiten für die Nahrungsaufnahme betrifft. Ich muß lachen.
Im Gasthof bekomme ich ohne Reservierung keinen Tisch. Doch die vier Frauen nehmen mich großzügig auf und ich darf mit an ihren Tisch sitzen. Es sind drei Kusinen und eine Freundin, die schon öfters gemeinsam – auch längere Touren – gewandert sind, u.a. einen Teil des Jakobsweges in der Schweiz. Wir gehören zur selben Generation und unterhalten uns gut. Ich bin glücklich, mal wieder in Gesellschaft von netten und interessierten Menschen meinen Abend verbringen zu können. Heute meint es das Universum – trotz des Unwetters – gut mit mir.
Mit dem Damenquartett beim Abendessen
Ich mache morgen einen Pausentag in Eichstätt und werde mir die Stadt genauer anschauen und meine Anziehsachen wieder in Ordnung bringen.