Heute morgen beim Bezahlen frage ich nach dem neuen Mehrwertsteuersatz. Der Wirt beklagt sich sofort über den administrativen Aufwand, den das alles bedeutet und dass er selber nichts ändert, weil ihm das alles zu teuer sei. Also wird meine Konsumfreude nicht weiter befeuert und der Wirt verdient 3% heute mehr an mir. Dafür kriege ich eine handgeschriebene Rechnung, weil ja die Registrierkasse nicht umgestellt wurde.
In Großheubach geht es sofort direkt nach oben auf den Engelsberg. Mein Kollege hatte mir gestern noch mitgegeben: „Da sind die Treppen, die direkt in den Himmel führen!“ Eine Treppe mit über 600 Stufen führt aus dem Ort hoch auf dem Berg, wo ein Franziskanerkloster steht. Ich steige die Treppe hoch und bewundere die Mönche. Wie raffiniert: jeder Besucher muss die Treppe hoch steigen, kommt außer Puste, schwitzt, muss in nach vorne gebückter Haltung gehen, sonst fällt er rückwärts wieder runter und wenn er endlich oben ist, dann hat er seine Sünden schon ausgeschwitzt und die richtige demütige Körperhaltung trainiert, um mit dem Abt zu reden.
Das Kloster mit seinem Klostergarten ist das architektonische Highlight des Tages. Von dort oben habe ich einen tollen Blick auf das Maintal und seine Städte. Ein gut gepflegter Klostergarten hat ein Marienheiligtum im Zentrum. Hier kommen gerne Katholiken her, um bei der heiligen Maria Wünsche abzugeben und sich zu bedanken. Heutzutage kann jeder auch mit einem Auto hochfahren und muss nicht wie ich zu Fuß auf den Berg.
Von dort aus geht es durch den Spessart weiter auf dem Mariahilf-Weg, der parallel zum E8 verläuft. Der Spessart steht hier unter Naturschutz und hat schöne hohe Bäume, wie Buchen, Eichen, aber auch Kiefern. Ich bin wieder alleine. Kein Mensch begegnet mir auf dem Weg. Heute ist es schwülwarm und der Weg zieht sich durch den Wald. Die Bäume stehen hier nicht so dicht und es kommen immer wieder Abschnitte, auf denen ich in der prallen Sonne gehen muss. Ich achte auf die Wolken, da der Wetterbericht Gewitter für heute Nachmittag bzw. Abend angekündigt hat. Ich fange an müde zu werden. Der Wald ist zwar schön, aber bisher ereignisarm.
Am späten Nachmittag werde ich dann belohnt. Vier Hirschen kreuzen meinen Weg! Und 10 Minuten später noch spektakulärer: ein Reh mit ihrem Kitz. Ich kann beide minutenlang beobachten, dann bemerkt mich die Mutter und beide springen in hohen Sprüngen davon. Wow! Das Wild ist hier gar nicht scheu. Wolf, Luchs und Mensch verirren sich in diesen Teil des Waldes anscheinend selten.
Heute suche ich mein Quartier auf die traditionelle Weise. Laut Internet gibt es kein Hotel oder Pension in Collenberg, meiner nächsten Station. Ich gehe langsam von der Peripherie ausgehend in Richtung Ortsmitte. Dabei schaue ich, ob vielleicht jemand ein Zimmer oder Ferienwohnung vermietet. Ich finde nichts. Das wäre nach 20 Kilometern unschön noch fünf Kilometer weiterwandern zu müssen in der Hoffnung im nächsten Ort etwas zu finden. In der Ortsmitte sehe ich einen alten Gasthof, der mich ein bisschen an den Bretthauer in Erschwerdt erinnert. Tatsächlich steht sogar die Eingangstür offen. Ich habe keine Lust die Gesichtsmaske aufzusetzen und rufe deswegen rein: „Gibt es etwas zu trinken?“ Sofort kommt die Antwort: „Ja!“ Ich frage ein zweites Mal: „Gibt es etwas zu essen?“ Die Antwort lautet: „Nein“ Und ich frage als Drittes: „Gibt es eine Übernachtungsmöglichkeit?“ Leider ist die Antwort schon wieder „Nein“.
Ich beschließe trotzdem einzukehren und etwas zu trinken. Ich bin müde und abgekämpft. In der Kneipe sitzen ein Mann und eine Frau. Ich bestelle eine Johannisbeerschorle und frage, wo es eine Unterkunft geben könnte. Der Mann antwortet, dass sei schwierig in Collenberg, sehr schwierig. Ich trinke mein Glas halbleer und überlege. Auf einmal sagt der Mann, er hätte eine Idee und schon ist er raus. In aller Ruhe trinke ich weiter. Nach fünf Minuten ist der Mann wieder zurück. Bekannte von ihm vermieten mir ein Zimmer. Ich trinke das Glas aus, bezahle und er zeigt mir den Weg. Nur 100 Meter weiter bekomme ich ein Zimmer bei einer Familie. Nicht nur das, ich werde herzlich begrüßt und aufgenommen, bekomme ein frisch zubereitetes leckeres Abendbrot und das Versprechen auf ein Frühstück am nächsten Tag. Alles für 45 €.
Ich bin dankbar.
Heinz Bretthauer, mit dem ich seit Anfang der 60 er Jahre verbunden bin (wir Krebse..) und am 29.06. geboren ist, hätte bestimmt für dich etwas zu essen gehabt; zumindest ein „Stücke ahle Wurscht mit Brot“. Letzten Sommer haben wir ihn in seinem Gasthof in Ermschwerd angetroffen. Es hat sich mitten im Dorf nicht viel verändert, aber Heinz hat den Gemüsegarten vor dem Haus in einen Biergarten verwandelt!